Gesellschaft: »Rausch ist ambivalent«
Frau Doktor Niekrenz, Sie haben über den rheinischen Straßenkarneval promoviert. Was war das Ergebnis Ihrer Untersuchung?
Ausgangspunkt war für mich die Beobachtung, dass es in jeder Gesellschaft bestimmte Enklaven gibt, in denen die üblichen Regeln des Alltags vorübergehend außer Kraft gesetzt sind. Ob das nun das Oktoberfest ist oder der Karneval, Fußballspiele oder Musikfestivals, hier kommt es regelmäßig zu »rauschhaften Vergemeinschaftungen«, wie ich es nenne – die Ausgelassenheit und das Überschreiten der sonst gültigen Konventionen stiftet eine besondere Form von Zusammengehörigkeit. Mich hat interessiert, wie es dazu kommt. Laut der Auswertung meiner Interviews scheinen dafür feste Rahmenbedingungen besonders wichtig zu sein. Ein auffälliges Merkmal von solchen außeralltäglichen Situationen ist ihr stark reglementierter, fast schon ritueller Charakter. Anfang und Ende des Feierns, der genaue zeitliche Ablauf, die Verkleidungen, der Fundus an Liedern, die man singt – diese Dinge geben dem scheinbar so hemmungslosen Rausch ein recht enges Schema vor. Das gilt für den Karneval ebenso wie etwa für das Fanverhalten im Fußballstadion ...
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