Akalkulie: Zahlensalat im Gehirn
Die Geschichte hat einen tragischen Anfang. Bei einem Autounfall prallt der Versicherungsmakler N. mit der linken Seite seines Kopfs gegen die Windschutzscheibe und verliert das Bewusstsein. Im Krankenhaus entfernen die Chirurgen notfallmäßig im Schädelinnern einen Bluterguss, der Druck auf die linke Hirnhälfte ausübt. Doch das Gehirn hat bereits irreparablen Schaden genommen: Sein Körper ist halbseitig gelähmt, und sein Gesichtsfeld beschränkt sich auf die linke Seite. Alles, was rechts von ihm passiert, nimmt er nicht mehr wahr. Außerdem hat der 40-Jährige Probleme beim Sprechen, Schreiben und Verstehen von Wörtern sowie beim Lesen – er leidet an einer »Aphasie«. Wie bei den meisten Rechtshändern ist bei ihm die Sprachverarbeitung in der linken Hirnhälfte lokalisiert.
Ich lernte Herrn N. drei Jahre nach seinem Unfall kennen, als er für eine Abschlussuntersuchung ins Krankenhaus kam. Zu dieser Zeit interessierten wir – das heißt mein Kollege Stanislas Dehaene und ich – uns für die psychologischen und neuronalen Mechanismen beim Rechnen. Ähnlich wie die Sprache benutzt die Mathematik ein Vokabular (1, 2, 3, 7 …) mit einer bestimmten Bedeutung (10 repräsentiert eine Menge, die etwas höher ist als jene, die durch 9 dargestellt wird) sowie formalen Regeln, etwa (10 + 2) · 3 = 36. Aber wo und wie wird im Gehirn überhaupt gerechnet? ...
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