Kosmologie: Acht Szenarien für das Ende der Welt
Die gute Nachricht zuerst: Das Ende der Welt ist nicht nahe. Zumindest dann nicht, wenn sich die Menschheit nicht selbst vernichtet oder von einer verheerenden Naturkatastrophe getroffen wird. Die schlechte Nachricht: Nichts währt unendlich. Irgendwann wird das Leben auf unserem Planeten verschwinden, selbst wenn wir bis dahin alles richtig machen. Eines Tages wird unsere Sonne sterben und schließlich eventuell sogar das ganze Universum. Wann und wie genau das Ende aller Dinge kommen wird, darüber kann die Wissenschaft noch keine Auskunft geben. Aber die heutigen Naturgesetze lassen – sofern sie denn bekannt sind – zumindest begründete Spekulationen zu.
1. Die Erde wird gegrillt
Noch am leichtesten können Forscher das natürliche Ende unseres eigenen Planeten vorhersehen: Die Sonne, die heute mit Licht und Wärme Leben spendet, wird ihren Brennstoff in gut sechs Milliarden Jahren aufgebraucht haben. Dann ist der Großteil des Wasserstoffs in Helium umgewandelt und unser Zentralgestirn verschmilzt Letzteres via Kernfusion in schwerere Elemente wie Kohlenstoff.
Die Sonne wird sich dann in einer letzten, heftigen Reaktion zu einem so genannten roten Riesen aufblähen und ein Vielfaches ihrer jetzigen Größe erreichen. Nach neueren Berechnungen wird sie die Erde vermutlich verschlucken. Aber schon lange vorher wird sie den blauen Taghimmel auf unserem Planeten in ein feuriges Inferno verwandeln. Die zunehmende Hitze wird die Ozeane verdampfen lassen, die Atmosphäre zu siedender Gluthitze aufheizen und jedes Leben unmöglich machen.
Wenn die Sonne die Phase des Roten Riesen nach etlichen Millionen Jahren hinter sich gebracht und ihren Brennstoff restlos aufgebraucht hat, wird sie zu einem weißen Zwergstern zusammensinken. Merkur, Venus und die Erde sind dann verschwunden; die Sonne hat sich die Planeten einverleibt. Bis dahin braucht die Menschheit – wenn es sie denn noch gibt – eine neue Heimat, sonst wird sie mitsamt allem anderen Leben untergehen.
2. Der Tod der Sterne
Aber selbst, wenn es unsere fernen Nachkommen schaffen, andere Planetensysteme zu besiedeln: Kein Stern ist unsterblich. Damit Leben existieren kann, braucht es Energiedifferenzen. So dient die Strahlung der Sterne als Motor von chemischen Reaktionen auf Planeten und ist die Grundlage der meisten Lebensformen. Ohne Sonnenlicht können höchstens exotische Biotope überdauern, etwa an den hydrothermalen Quellen der Tiefsee, deren Energiequelle die Wärme im Planeteninnern ist, die ebenfalls nicht unendlich währt.
Selbst nach dem Ausbrennen der letzten Sterne könnte die Menschheit noch weiter existieren: Stück für Stück könnte sie etwa den reichlich vorhandenen Wasserstoff und das Helium in Gasriesen wie Jupiter oder Saturn als Brennstoff für Fusionskraftwerke nutzen und so für sehr lange Zeiträume ihre eigenen Energiequellen auftun.
Aber auch diese Gasmassen sind endlich. Eines Tages werden all diese Energiequellen erschöpft sein. Die Wärmeenergie wird sich gleichmäßig verteilen, und alles wird gemäß den Gesetzen der Thermodynamik einem Zustand der Gleichförmigkeit entgegenstreben. Chemische Reaktionen kommen zum Erliegen – und damit auch alles Leben.
3. Verdampfende Schwarze Löcher
Eine extrem hoch entwickelte kosmische Zivilisation könnte auch diesem Schicksal eventuell entgehen, zumindest zeitweise. Rein theoretisch könnte sie Energie gewinnen, indem sie Schwarze Löcher mit Materie »füttert«, beispielsweise mit geologisch längst erstarrten Planeten oder toten Sterne. Fällt solch ein Objekt in ein Schwarzes Loch, feuert dieses Strahlung ins All. Ein fortschrittliches Sternenvolk könnte die so freigesetzte Energie womöglich nutzen.
Aber sogar die Schwarzen Löcher werden irgendwann ihr Dasein aushauchen. Wie der kürzlich verstorbene Theoretiker Stephen Hawking berechnet hat, sollten sie auf Grund von Quanteneffekten eine schwache Strahlung abgeben, die so genannte »Hawking-Strahlung«.
Durch diese verlieren die Materieklumpen nach und nach an Masse: Ein Schwarzes Loch mit einigen Sonnenmassen hätte eine Lebensdauer von 1067 Jahren (eine Eins mit 67 Nullen), ein supermassereiches Schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie würde noch viel älter. Wenn auch diese Giganten zerstrahlt sind, wird das All endgültig kalt sein, durchzogen nur noch von Strahlung und lose verteilter Materie.
4. Der große Rumms
Im 19. Jahrhundert, vor der Revolutionierung der Physik durch Albert Einsteins Relativitätstheorie, erschien dieser »Wärmetod« – den man angesichts der Temperaturen eher als »Kältetod« bezeichnen sollte – als das einzig mögliche Ende des Universums. Wenn alles gleich warm oder kalt ist, passiert in den unendlichen Weiten des Weltalls schlicht gar nichts mehr, lautete die Argumentation.
Mit der Relativitätstheorie hat sich das Bild jedoch gewandelt. Seit Einstein wissen wir, dass das All kein unendlicher, statischer Raum ist, sondern dass die Raumzeit selbst ein dynamisches Gebilde ist. Ihren Anfang hatte sie im Urknall. Aus einem unendlich dichten, punktförmigen Zustand – über den die Physiker nur Spekulationen anstellen können – hat sich innerhalb von Sekundenbruchteilen das Universum explosionsartig entfaltet. Noch heute dehnt es sich immer weiter aus.
Aber wie entwickelt es sich in Zukunft? Wenn es in einem Knall begonnen hat, warum sollte das Universum nicht wieder in einem solchen enden? Die kosmische Expansion müsste sich dafür umkehren, was eine Möglichkeit ist, die Kosmologen durchaus ernsthaft diskutieren. In diesem Fall würde die Dunkle Energie, die das All heute immer schneller auseinandertreibt, irgendwann wieder schwächer werden und sich vielleicht sogar umkehren.
Dadurch würden sich die heute noch auseinanderstrebenden Galaxienhaufen wieder annähern. Das Universum würde immer kleiner, dichter und heißer werden, bis schließlich nicht nur alle Materie, sondern auch Raum und Zeit in einem unendlich kleinen Punkt zusammenstürzen. Als Pendant zum Big Bang, dem Urknall, nennen Kosmologen dieses Szenario auch Big Crunch, das große Zusammenkrachen.
5. Ewige Kälte
Sollte eine hoch entwickelte Zivilisation es schaffen, bis zu diesem Zeitpunkt zu überleben: Sie könnte zumindest stolz auf das Erreichte sein, bis sie am Ende aller Raumzeit in einem unendlich heißen Nichts verschwindet. Im Augenblick sieht es aber nicht so aus, als würde die Expansion des Weltalls sich wieder umkehren. Im Gegenteil: Messungen an sehr weit entfernten Objekten legen eine stärker werdende Beschleunigung nahe.
Um die Entwicklung des Kosmos zu verstehen, untersuchen Astronomen einen bestimmten Typ von Sternexplosionen: Supernovae vom Typ Ia ereignen sich vermutlich, wenn ein Weißer Zwergstern in einem Doppelsternsystem Materie von einem normalen Begleitstern einsammelt, bis er schwer genug wird, um eine thermonukleare Supernova-Explosion zu zünden.
Da diese Reaktion bei einer bestimmten Masse einsetzt, ist die Gesamtenergie ziemlich genau festgelegt und damit auch die Leuchtkraft. Weil solche Supernovae extrem hell sind und quer durch das Universum leuchten, können Astronomen anhand von ihnen die Entfernungen im Universum bestimmen – deshalb nennt man sie auch die Standardkerzen der Kosmologie. Und gegenwärtig deuten sie auf einen immer schneller expandierenden Kosmos hin, der von der ominösen Dunklen Energie angetrieben wird.
Ihr entgegen wirkt die Gravitationskraft zwischen den Galaxienansammlungen. Gäbe es keine andere Kraft, wäre der Big Crunch das unausweichliche Ende. Aber die Dunkle Energie, über deren Hintergründe in der Wissenschaft noch völliges Rätselraten herrscht, treibt den Kosmos immer schneller auseinander. Vielleicht rührt die rätselhafte Antischwerkraft von eigenartigen Effekten von Quantenfeldern her, die in irdischen Laboren viel zu schwach sind, um sie nachweisen zu können, die aber, über die gigantischen kosmischen Weiten summiert, doch erstaunliche Wirkung zeigen.
Sollte die Dunkle Energie, die mittlerweile klar die Oberhand über die Gravitation gewonnen hat, nicht nachlassen oder sich umkehren (siehe Szenario 4.), werden sich die Galaxienhaufen immer weiter voneinander entfernen. Nur eng aneinandergebundene Galaxien werden weiterhin sichtbar bleiben, alles andere verschwindet hinter dem kosmischen Horizont – von dort kann kein Licht die gewaltigen Strecken zwischen den Sterninseln überbrücken.
Da sich die Wärmeenergie im Universum auf ein stetig anwachsendes Volumen verteilt, wird es auch immer kälter: Der thermodynamische Wärmetod wird so zu einem echten Kältetod, bei dem sich alles in den unendlichen Weiten des Alls irgendwann in ferner Zukunft dem absoluten Temperaturnullpunkt annähert – weshalb Kosmologen dieses Szenario als Big Freeze bezeichnen.
6. Das große Zerreißen
Die Dunkle Energie hat daneben das Potenzial zu einem noch dramatischeren Ende: Sollte sie immer stärker werden, könnte sie das Universum buchstäblich zerreißen. Nach einem Modell des amerikanischen Astronomen Robert Caldwell vom Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, könnte die Dunkle Energie zumindest zum Teil aus einer »Phantomenergie« bestehen, die im Lauf der Zeit immer mächtiger wird.
Sie würde nicht nur Galaxien auseinandertreiben, sondern schließlich sogar die Sterne in den Galaxien voneinander entfernen, dann die Planeten von ihren Sternen – und schließlich sogar die Planeten selbst zerreißen, bevor es auch Molekülen und Atomen an den Kragen geht. Dieser Big Rip klingt spektakulär und ist gewissermaßen das Gegenstück zum Big Crunch. Unter Astronomen ist diese Art von Armageddon allerdings nicht besonders populär: Das Modell beruht auf einigen sehr unwahrscheinlichen Annahmen, etwa dass Wurmlöcher und Zeitreisen möglich sind. Auch Caldwell bezeichnet die hypothetische Phantomenergie als »ziemlich verrücktes Zeug«.
7. Das Vakuum kollabiert
Wie schon an der Dunklen Energie zu sehen ist: Die moderne Physik wirft viele Fragen auf. Das betrifft nicht zuletzt die Natur des Vakuums. Laut der Quantentheorie ist auch das perfekte Vakuum nicht einfach ein Nichts, sondern ein komplexer Quantenzustand, in dem virtuelle Teilchen entstehen und vergehen und eigenartige Kräfte wirken. Schlimmer noch, vielleicht ist sogar das Vakuum instabil.
Diese Idee ist spekulativ, wird aber von renommierten Wissenschaftlern diskutiert. Sie vermuten, dass es in der Frühzeit des Universums wohl einen solchen instabilen Vakuumzustand gab. Beim Übergang in den heutigen, stabileren Zustand hat sich die Raumzeit enorm ausgedehnt – man spricht von der »kosmischen Inflation«. Auch wenn die Details umstritten sind: Keine andere Theorie kann so viele großräumige Eigenschaften unseres Universums so elegant erklären wie die Inflationstheorie.
Den Übergang von einem Vakuumzustand zu einem anderen kann man sich vorstellen wie einen Phasenübergang, wie etwa dem von flüssig zu fest. Wenn man hochgradig reines Wasser in einen extrem sauberen und glatten Behälter füllt, gefriert dieses auch unterhalb von null Grad Celsius nicht sofort. Solches »unterkühltes« Wasser kann ein ganzes Stück weit unter null noch flüssig bleiben, weil Kondensationskeime fehlen, an denen sich die Bildung von Eis vollzieht. Gibt man etwa einen Eissplitter hinein, verwandelt sich das unterkühlte Wasser zügig in einen Klumpen Eis.
Genauso könnte sich auch der Vakuumzustand unseres Universums in einer Art »unterkühltem« instabilen Zustand befinden, wir würden es nicht einmal merken. Wenn dieser Zustand aber irgendwo im Universum auf einmal umschlägt, würden gigantische Energiemengen freigesetzt. Das neue Vakuum würde sich praktisch mit Lichtgeschwindigkeit wie eine expandierende Blase quer durch das Weltall ausbreiten. Wir würden diese Blase vermutlich gar nicht kommen sehen – und schon wäre es vorbei.
In diesem neuen Vakuum würden vielleicht andere Naturkräfte wirken, es könnte andere Materieformen geben, eventuell würde sogar irgendwann ganz neues Leben entstehen. Aber alles, was wir kennen – Sterne, Planeten und Lebewesen –, wäre nach einem solchen Big Change verschwunden. Allerdings spricht nach heutigem Stand der Forschung nichts dafür, dass das Vakuum nicht bereits in einem völlig stabilen Zustand gelandet ist. Zumindest seit ganz kurz nach dem Urknall hat es ja keine derartigen Übergänge mehr gegeben, heute lebende Menschen brauchen also wohl nicht wirklich Angst vor diesem Weltuntergang zu haben.
8. Ein Armageddon nach dem anderen
Wem all diese Vorstellungen noch nicht apokalyptisch genug sind, der kann sich gleich auf eine Kombination von Armageddons vorbereiten. So könnte zunächst das Leben auf Grund des Ausbrennens der Sterne zum Erliegen kommen, dann das Universum nach einer langen Expansion völlig ausfrieren, schließlich ein Kollaps des Vakuums die kosmischen Kräfte umkehren und einen Big Crunch herbeiführen.
Und wer weiß schon, was dann passiert? Vielleicht war es das nicht einfach, sondern die gewaltige, in einem winzigen Punkt angestaute Energie entlädt sich wieder in einer neuen Explosion, in einem neuen Urknall. Ein solcher Big Bounce, bei dem das Universum wiedergeboren wird, wäre im Nachhinein nicht von einem »Urknall aus dem Nichts« zu unterscheiden. Wir könnten im ersten und einzigen Universum leben oder schon die viermillionste Wiederholung erleben – wir haben vermutlich nicht die Möglichkeiten, es zu erkennen.
Vielleicht ist unser Universum auch gar nicht das einzige. Es könnte Myriaden von Universen geben, mit unterschiedlichen Naturgesetzen und mit einer anderen Anzahl an räumlichen oder zeitlichen Dimensionen oder mit Strukturen, die uns gänzlich unvorstellbar sind. Einige Theoretiker nehmen sogar an, dass ganz verschiedenartige Universen sich fortlaufend bilden und dabei verzweigen wie die Äste eines Baumes. Angesichts all der wenig erquicklichen Arten eines Armageddons ist das doch ein kleiner Trost: Wenn unser Universum irgendwann zu Ende geht, springt irgendwo vielleicht gerade ein anderes aus dem Hut.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.