News: Ansicht einer Protonenpumpe
Um ihrer genauen Struktur auf die Schliche zu kommen, haben Werner Kühlbrandt und seine Mitarbeiter vom Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt ihr Augenmerk auf die in Hefezellen arbeitende Protonenpumpe vom Typ der P-ATPasen gerichtet. Bei dieser Proteinfamilie handelt es sich um große Membranproteine, die Adenosin-Triphosphat (ATP) als Energiequelle verwenden und über einen gemeinsamen Reaktionszyklus zentrale Funktionen in allen Organismen wahrnehmen. Ebenfalls zu dieser Familie gehören die Natrium-Kalium-ATPase, die den Herzrhythmus reguliert, die Protonen-Kalium-ATPase, welche die Magensäure erzeugt, und die Calcium-ATPase, die die Kontraktion der Skelettmuskulatur bewirkt.
Um die Funktion des pumpenden Proteins zu verstehen, ist die genaue Kenntnis seiner räumlichen Struktur eine Grundvoraussetzung. Um diesem Ziel näher zu kommen, verglichen Kühlbrandt und sein Team die bislang als einzige röntgenkristallographisch bestimmte Struktur der Calcium-ATPase mit ihrem Wunschkandidaten. Allerdings gab es von der Protonen-ATPase bisher nur eine weniger genaue Struktur, die 1998 ebenfalls von Kühlbrandt mit Hilfe der Elektronen-Kryomikroskopie zweidimensionaler Kristalle aufgeklärt worden war.
Die Strukturen beider Makromoleküle sind sich wegen ihrer Verwandtschaft sehr ähnlich, und so konnte die Frankfurter Gruppe auf der Grundlage der Calcium-ATPase-Struktur ein vergleichbares Modell der Protonenpumpe berechnen. Anschließend passten sie dieses Modell in die elektronenmikroskopisch bestimmte dreidimensionale Dichteverteilung ein.
Dabei zeigte sich, dass einzelne Segmente des Moleküls überraschend beweglich sind. So führt der Teil des Membranproteins, der den Energieträger ATP einfängt, eine Scharnierbewegung von mehr als 70 Grad aus. Nachdem er das energiereiche Substrat gebunden hat, klappt dieser Molekülteil um und hält das ATP-Molekül dort gefangen. Bei der anschließenden Freisetzung der Energie sorgt dies für eine Konformationsänderung innerhalb der Protonenpumpe und das gebundene Proton kann auf der Außenseite der Zellmembran freigesetzt werden.
Darüber hinaus zeigt das von den Biophysikern erstellte Modell, wie die Aktivität der Protonenpumpe in der Zelle reguliert wird. Die Forscher entdeckten, dass die letzten 38 der insgesamt 920 Aminosäuren, aus denen das Makromolekül besteht, eine separate Einheit bilden. Diese kleine Einheit bindet an den Hauptteil des Moleküls und hemmt dadurch offenbar die für den Pumpzyklus notwendige Scharnierbewegung der ATP-bindenden Einheit. So wird verhindert, dass die für den Protonentransport erforderliche Energie freigesetzt wird. Zum Beweis dieses Regulationsmechanismus steigerte die Frankfurter Gruppe die Aktivität der Protonenpumpe auf den zehnfachen Wert, indem sie mit einem synthetischen Peptid aus den 38 Aminosäuren den Hemmschuh aus seiner Bindungsstelle verdrängten.
Da die Hefen-Protonenpumpe in menschlichen und tierischen Zellen nicht vorkommt, bildet sie einen wichtigen Angriffspunkt für Medikamente, die gegen pathogene Hefen und Pilze wirksam sind. Wirkstoffe, die in den jetzt entdeckten Regulationsmechanismus der Protonenpumpe von Hefen und Pilzen eingreifen, bilden deshalb eine vielversprechende Grundlage für die Entwicklung neuer, dringend benötigter Fungizide.
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
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