News: Licht öffnet den Weg
Ein sehr gut untersuchtes und funktionell verstandenes Membranprotein ist das Bakteriorhodopsin von Archaebakterien. Hierbei handelt es sich um eine lichtgetriebene Protonenpumpe, die nach Aufnahme von Licht positiv geladene Wasserstoffionen, also Protonen, über die Zellmembran pumpt. Daraus können die Mikroben Energie für ihr Wachstum gewinnen. Die Aufnahme der Lichtquanten erfolgt durch das Retinal, einen Abkömmling des Vitamin A. Es ist der gleiche Lichtempfänger, der sich auch beim tierischen Rhodopsin und somit auch beim Sehfarbstoff im menschlichen Auge findet.
Auch in der Membran des kleinen Einzellers Chlamydomonas reinhardtii, einer frei beweglichen Grünalge, sitzt ein Rhodopsin als Photorezeptor, wie jetzt die Arbeitsgruppe um Peter Hegemann von der Universität Regensburg entdeckt hat. Die beweglichen Mikroalgen stellen die für die Photosynthese optimale Lichtintensität dadurch ein, indem sie sich zum Licht hin oder von ihm fortbewegen. Durch dieses, als Phototaxis bezeichnetes Verhalten muss der Photosyntheseapparat selbst nicht ständig an wechselnde Lichtbedingungen angepasst werden. Dabei sitzt der Photorezeptor im Bereich des etwa ein Mikrometer großen Augenflecks – von klassischen Botanikern Stigma genannt. Er erlaubt dem Einzeller, Intensität und Richtung des einfallenden Lichts zu messen.
Nach Belichtung aktiviert das Algenrhodopsin Ionenkanäle im Bereich des Augenflecks. Dadurch kommt es zu einem Einstrom von Calcium-Ionen, unter anderem auch in die Flagellen, die Bewegungsorganellen der Alge. Sie ändern daraufhin ihre Schlagbewegungen und damit die Schwimmrichtung der Alge. Diese "Photoströme" untersucht die Regensburger Gruppe bereits seit langem. Kontrovers diskutiert wird jedoch nach wie vor die Frage, ob der Photorezeptor von Chlamydomonas reinhardtii gleichzeitig ein Ionenkanal oder lediglich eng an einen Ionenkanal gekoppelt ist.
In einer japanischen Genomdatenbank von Chlamydomonas reinhardtii stießen die Forscher auf Sequenzabschnitte, die Ähnlichkeiten mit der Sequenz von Bakteriorhodopsin haben. Rhodopsine vom mikrobiellen Typ werden schon seit Jahren in der Abteilung von Ernst Bamberg am Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt durch Expression in tierischen Eizellen untersucht. Dabei wird die Gensequenz in eine Eizelle eingeschleust, dort von der ribosomalen Maschinerie abgelesen und das entsprechende Protein hergestellt. Nachdem sich das Retinalprotein der Alge bisher nicht in ausreichendem Umfang aufreinigen ließ, um es funktionell zu charakterisieren, eröffnete sich mit dem Zugriff auf die Gensequenz über eine so genannte cDNA ein ganz neuer Ansatz für die Wissenschaftler. Jetzt konnten Georg Nagel und seine Kollegen vom MPI aus der cDNA eine für die Expression in Eizellen des Krallenfrosches Xenopus laevis geeignete analoge RNA herstellen und in die Zellen injizieren. Anschließend testeten die Forscher die elektrischen Eigenschaften der Eizellen unter Belichtung.
Die Testreihen ergaben, dass das abgelesene Protein ein völlig neuartiges Membranprotein darstellt: Die Absorption von Licht bewirkt, dass das Algen-Rhodopsin eine passive Leitfähigkeit für Protonen aufweist. Die Wissenschaftler haben es daraufhin Channelrhodopsin-1 (Chop-1) getauft. Weitere Untersuchungen ergaben, dass es sich bei Chop-1 um einen direkt durch Licht gesteuerten Protonen-Kanal handelt und nicht um eine Ionenpumpe.
Der Befund ist in vieler Hinsicht interessant: Es ist das erste Beispiel für einen direkt lichtgesteuerten Ionenkanal. Zudem halten die Wissenschaftler zum ersten Mal die Aminosäuresequenz für einen Protonenkanal in den Händen. Aufgrund der Übereinstimmungen in der Gensequenz liegt es nahe anzunehmen, dass Channelrhodopsin-1 und Bakteriorhodopsin eine gemeinsame Leitstruktur besitzen. Das wiederum bedeutet, dass aus einer Pumpe durch entsprechende Mutation offensichtlich ein Kanal entstehen kann. Ein Vergleich von Kanal und Pumpe wird von den Wissenschaftlern daher mit Spannung erwartet.
Darüber hinaus eröffnen die "Kanal-Rhodopsine" einen interessanten biotechnologischen Aspekt. Wie die Wissenschaftler beobachten konnten, lässt sich die Zellmembranspannung von Frosch-Eiern mit eingebauten "Kanal-Rhodopsinen" durch Belichtung herabsetzen. Generell sollte es möglich sein, auch andere kultivierte Zelltypen auf diese Weise, also nicht-invasiv, zu depolarisieren. Dies könnte insbesondere für Hochdurchsatzmessungen an medizinisch relevanten spannungsabhängigen Kanälen von Bedeutung sein.
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
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