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News: Atomspiegel

Jeder kennt das Phänomen, dass Lichtwellen an Materie reflektiert werden: ein Spiegel. Aber wie sieht es mit Atomen aus? Sie zeigen bisweilen auch die Eigenschaften von Wellen, können sie also auch gespiegelt werden? Nachdem es Forschern bereits gegen Ende des letzten Jahrhunderts gelungen ist, Atome an flüssigem Helium reflektieren zu lassen, konnte ein japanischer Forscher nun auch die Reflexion an fester Materie nachweisen. Vorausgesetzt, die Atome waren langsam genug.
Lichtreflexe tanzen auf der Oberfläche eines Sees. Der Effekt tritt auf, da sich Lichtwellen im Medium Wasser langsamer bewegen als in der Luft, ein Teil des Lichts wird an der Grenzfläche reflektiert, der andere Teil wird durchgelassen – gebrochen. Das Phänomen von Reflexion und Brechung tritt bei jeder Welle auf, bei der sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit ändert, also auch bei Wasserwellen beispielsweise. Dabei ist es einerlei, ob die Welle nun von einem langsamen in ein schnelleres Medium eintritt oder umgekehrt – ein Teil reflektiert an der Grenzschicht.

Nun lassen sich Atome gemäß den Gesetzen der Quantenmechanik auch als Welle beschreiben. Heißt das, dass sich Atome dann auch spiegeln? Tatsächlich sollten sie das tun, wie Forscher bereits 1930 voraussagten. Demnach sollten Atome, die in Oberflächennähe kommen, durch die so genannte van-der-Waals-Kraft angezogen und beschleunigt werden. Das ruft durch die unterschiedliche Geschwindigkeiten eine spiegelnde Schicht an der Oberfläche hervor. Allerdings dürfen die Atome nicht so schnell sein, dass sie einfach die Reflexionsschicht durchschlagen. In der Sprache der Quantenmechanik ausgedrückt heißt das, die Wellenlänge der Atome muss so groß sein, dass eine Geschwindigkeitsänderung sich als plötzliches Ereignis bemerkbar macht und nicht langsam auftritt.

1990 konnten Wissenschaftler bereits Helium- und Wasserstoffatome an einer Oberfläche aus flüssigem Helium reflektieren lassen – der Nachweis für eine feste Oberfläche fehlte aber bislang. Nun machte Fujio Shimizu von der University of Electro-Communications in Tokio ein Experiment, bei dem er eine hundert Mikrometer große Wolke zehn Millikelvin kalter Neonatomen aus 39 Zentimetern Höhe auf eine saubere Silizium-Oberfläche fallen ließ. Die Wolke war dabei zwischen einem und dreißig Millimeter pro Sekunde schnell. Shimizu stellte die Platte so auf, dass die Wolke mit sehr kleinem Winkel – fast streifend – auf die Platte auftraf. Und siehe da, die Platte reflektierte die Atome der Wolke in kleinen Winkel.

73 Zentimeter unterhalb der Platte konnte der Forscher den Auftreffpunkt der Atome detektieren. Er befand sich etwas neben dem Punkt, an dem die Atome ankamen, wenn sie nicht reflektiert wurden – beispielsweise wenn die Platte entfernt war. Außerdem stellte der Physiker fest, dass die Intensität der reflektierten Wolke direkt abhängig von der Anfangsgeschwindigkeit war. Ganz so, wie es die Theorie voraussagt. Dreißig Prozent der Atome wurden reflektiert, wenn die Geschwindigkeit ein Millimeter pro Sekunde betrug. Aus diesem Grund gibt sich Shimizu noch bescheiden und redet noch nicht von einem wirklichen Spiegel für Atome. Daniel Kleppner vom Massachusetts Institute of Technology ist da optimistischer: "Shimizu hat uns einen neuartigen Atomspiegel vorgeführt."

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