Astroarchäologie: Auf Atlas' Schultern
Himmel und Erde ruhen wahlweise auf seinen Schultern: Atlas. Vielfach in Stein gehauen, trägt er symbolisch meist einen Globus. Eine Statue in Neapel - genannt Farnese-Atlas - aber stemmt ein Sternenbild. Und birgt damit plötzlich Einblicke in längst vernichtet geglaubte antike Wissenswelten.
Sie gelten als mit die größten Katastrophen, die Kultur und Wissenschaft jemals heimsuchten: die Feuer in der Bibliothek von Alexandria. Die Brände verzehrten unschätzbare Werte der antiken Literatur und die frühen Ergebnisse der hellenistischen Naturwissenschaftler. Vieles wurde ein Raub der Flammen: Dramen von Sophokles, die Erkenntnisse des Eratosthenes von Kyrene, der erstmals den Erdumfang bestimmte, oder frühe griechische Abschriften des Neuen Testaments.
Vieles gilt als für immer verloren, einiges überlebte die Zeiten als sekundäre Abschrift, manches taucht allerdings auch überraschend auf verschlungenen Pfaden wieder auf – wenngleich nur als indirektes Zeugnis, das man erst mühsam entschlüsseln muss. So hatte die Welt der Wissenschaften etwa das Sternenverzeichnis von Hipparchos, einem der bedeutendsten Sternenforscher der Antike, bereits als Totalverlust abgeschrieben.
Just dieser Katalog ging aber anscheinend in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt verloren – wie fast alle anderen Bücher des Hipparchos, deren Existenz sich nur durch Zitate in späteren Werken andeutet. Einzig seine "Kommentare" überlebten die Zeitenwenden: Sie beschreiben detailliert die Sternenkonstellationen über Griechenland zu jener Zeit.
Das "Überdauern" dieser Aufzeichnungen bedeutet nun aber nicht nur einen kulturellen wie wissenschaftsgeschichtlichen Glücksfall, es entriss in Tateinheit mit Hipparchos Berechnungen der Präzession und modernen Hilfsmitteln auch das Geheimnis einer alten Statue in Neapel – dem Farnese-Atlas.
Zu dieser Ansicht gelangt zumindest Bradley Schaefer von der Louisiana State University. Er fotografierte und vermaß siebzig Positionen auf dem Globus und berechnete daraus den ungefähren Beobachtungszeitraum, in dem die Sterne in jener Konstellation am Firmament standen – etwa im Jahre 125 vor Christus. Hipparchos schrieb sein Sternenverzeichnis um 129 vor Christus, und bei einer Fehlermarge von 55 Jahren ergibt sich bereits damit eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass andere Astronomen der Antike ausgeschlossen werden können: Sie arbeiteten entweder zu früh oder zu spät, um in Frage zu kommen.
Aber Schaefers Erkenntnisse reichen noch weiter, den Hipparchos war nicht nur einer der ersten, sondern auch einer der genauesten Sternenbeobachter der Antike. Die Positionen der Sternenbilder auf Farnese-Atlas' Schultern weisen eine Exaktheit von 3,5 Grad auf, was damals nur das Verzeichnis von Hipparchos erreichte. Erst Ptolemäus schuf wieder ein ähnlich akkurates Werk – 250 Jahre später.
Schließlich hielt sich der griechische Gelehrte auch immer exakt an seine schriftlichen Aufzeichnungen, und so gibt es keine Abweichungen, jedoch viele einzigartige Übereinstimmungen zwischen dem Sternenbild des Globus und den erhalten gebliebenen Kommentaren zu den Konstellationen der Novas. Andere wie Aratus, Eudoxus oder Homer nahmen es da weniger genau und offenbaren daher größere Verschiebungen zwischen schriftlicher und kartografischer Überlieferung.
Lange bevor seine Werke in den Zeitenwirren vernichtet wurden, versuchte Hipparchos übrigens wohl Kapital aus seinen Erkenntnissen zu schlagen: Er kreierte eine Vielzahl von Sternengloben, was ihn auch auf alten griechischen Münzen zeigt. Einer dieser Globen wurde dann exakt von einem griechischen Künstler abgekupfert, dem wiederum ein römischer Bildhauer nacheiferte. Nur durch diese Plagiate entging ein bedeutender Teil von Hipparchos' Werk dem Flammentod – und macht die Welt heute wieder ein Stück weiser.
Vieles gilt als für immer verloren, einiges überlebte die Zeiten als sekundäre Abschrift, manches taucht allerdings auch überraschend auf verschlungenen Pfaden wieder auf – wenngleich nur als indirektes Zeugnis, das man erst mühsam entschlüsseln muss. So hatte die Welt der Wissenschaften etwa das Sternenverzeichnis von Hipparchos, einem der bedeutendsten Sternenforscher der Antike, bereits als Totalverlust abgeschrieben.
Dennoch spricht die Astronomenzunft immer noch hochachtungsvoll von Hipparchos, der in den 15 Jahren seines Schaffens von 140 bis 125 vor Christus die wohl erste Nova entdeckte und die Präzession der Erde beschrieb. Um diese Lageveränderung der Erdachse unter dem Einfluss von Sonne und Mond zu beschreiben, musste der antike Himmelsforscher auf das ebenfalls von ihm erstmals erstellte Verzeichnis von etwa tausend Sternen zurückgreifen: Er verglich ihre Position mit älteren sternenkundlichen Aufzeichnungen – etwa der Babylonier – und berechnete daraus den Drehmoment sowie die Präzession der Erde.
Just dieser Katalog ging aber anscheinend in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt verloren – wie fast alle anderen Bücher des Hipparchos, deren Existenz sich nur durch Zitate in späteren Werken andeutet. Einzig seine "Kommentare" überlebten die Zeitenwenden: Sie beschreiben detailliert die Sternenkonstellationen über Griechenland zu jener Zeit.
Das "Überdauern" dieser Aufzeichnungen bedeutet nun aber nicht nur einen kulturellen wie wissenschaftsgeschichtlichen Glücksfall, es entriss in Tateinheit mit Hipparchos Berechnungen der Präzession und modernen Hilfsmitteln auch das Geheimnis einer alten Statue in Neapel – dem Farnese-Atlas.
Denn im Unterschied zu den üblichen Atlas-Titanen trägt das Kunstwerk weder die Erde noch das übliche Himmelsgewölbe: Ihr sitzt ein Sternenhimmel mit 41 griechischen Sternenbildern, dem Himmelsäquator, den Tropenkreisen und der Sonnenbahn auf den Schultern. Und just diese Sternenkarte basiert wiederum auf Hipparchos verschollen geglaubtem Verzeichnis.
Zu dieser Ansicht gelangt zumindest Bradley Schaefer von der Louisiana State University. Er fotografierte und vermaß siebzig Positionen auf dem Globus und berechnete daraus den ungefähren Beobachtungszeitraum, in dem die Sterne in jener Konstellation am Firmament standen – etwa im Jahre 125 vor Christus. Hipparchos schrieb sein Sternenverzeichnis um 129 vor Christus, und bei einer Fehlermarge von 55 Jahren ergibt sich bereits damit eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass andere Astronomen der Antike ausgeschlossen werden können: Sie arbeiteten entweder zu früh oder zu spät, um in Frage zu kommen.
Aber Schaefers Erkenntnisse reichen noch weiter, den Hipparchos war nicht nur einer der ersten, sondern auch einer der genauesten Sternenbeobachter der Antike. Die Positionen der Sternenbilder auf Farnese-Atlas' Schultern weisen eine Exaktheit von 3,5 Grad auf, was damals nur das Verzeichnis von Hipparchos erreichte. Erst Ptolemäus schuf wieder ein ähnlich akkurates Werk – 250 Jahre später.
Schließlich hielt sich der griechische Gelehrte auch immer exakt an seine schriftlichen Aufzeichnungen, und so gibt es keine Abweichungen, jedoch viele einzigartige Übereinstimmungen zwischen dem Sternenbild des Globus und den erhalten gebliebenen Kommentaren zu den Konstellationen der Novas. Andere wie Aratus, Eudoxus oder Homer nahmen es da weniger genau und offenbaren daher größere Verschiebungen zwischen schriftlicher und kartografischer Überlieferung.
Lange bevor seine Werke in den Zeitenwirren vernichtet wurden, versuchte Hipparchos übrigens wohl Kapital aus seinen Erkenntnissen zu schlagen: Er kreierte eine Vielzahl von Sternengloben, was ihn auch auf alten griechischen Münzen zeigt. Einer dieser Globen wurde dann exakt von einem griechischen Künstler abgekupfert, dem wiederum ein römischer Bildhauer nacheiferte. Nur durch diese Plagiate entging ein bedeutender Teil von Hipparchos' Werk dem Flammentod – und macht die Welt heute wieder ein Stück weiser.
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