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News: Auf Biegen und Brechen

Haben Sie heute schon mal auf Ihre Armbanduhr, den Videorekorder und den Computer geschaut, welches Datum wir haben? Egal, was Ihnen diese Chip-gesteuerten Schlaumeier weismachen wollen: Heute ist der 29. Februar 2000! Und falls einer Ihrer elektronischen Tagezähler nicht gewusst haben sollte, dass wir gerade ein Schaltjahr haben, werden Sie wohl oder übel die Einstellung per Hand vornehmen müssen. Das ist zwar ärgerlich, aber nur ein winziger Aufwand im Vergleich zu den Schwierigkeiten, mit denen Julius Caesar zu kämpfen hatte, als er das Schaltjahr einführte. Um seinen Kalender wieder in Einklang mit dem Lauf der Jahreszeiten zu bringen, musste er das Jahr 46 v.Chr. auf ganze 445 Tage dehnen. Und trotzdem hielt die Korrektur nur ein paar Jahrhunderte vor, was schließlich Papst Gregor XIII zu einer weiteren Kalenderreform zwang.
Wann ein Jahr herum ist, das bestimmen Sonne und Erde. Genau 365,24219 Tage braucht unser Planet für einen Umlauf, bis die beiden wieder die gleiche Position zueinander einnehmen. Die Dauer dieses tropischen Jahres haben Astronomen als das Intervall zwischen zwei Frühlingspunkten festgesetzt. Zwar wussten schon die Gelehrten des alten Ägypten, dass es eine krumme Anzahl von Tagen dauert, bis die Sonne am Himmel wieder den Punkt der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche erreicht, doch erst Julius Caesar ging das Problem mit einer Kalenderreform an. Beraten von Sosigenes aus Alexandria führte er einen Schalttag ein, der alle vier Jahre zwischen den 24. und 25. Februar geschoben wurde. Der Übergang vom bis dahin gültigen altrömischen zum neuen julianischen Kalender gestaltete sich als nicht ganz einfach, zumal zwischen den beiden mittlerweile eine Lücke von 80 Tagen klaffte. Caesar löste das Problem, indem er das Jahr 46 v.Chr. kurzerhand per Verordnung auf 445 Tage verlängerte. Dafür dauerte es allerdings bis zum Jahre 8 n.Chr., bis die Schalttage auch wirklich zuverlässig eingesetzt wurden.

Der Unterschied zwischen Kalender und Erdenlauf betrug nun lediglich elf Minuten und 14 Sekunden pro Jahr – so gut wie nichts im täglichen Leben, aber genug, um im Laufe der Jahrhunderte dem Frühlingsanfang um einige Tage nachzulaufen. Dem einfachen Bürger mag das nichts ausgemacht haben, die christliche Kirche hatte dagegen großes Interesse, dass ihre gesamte Glaubensgemeinschaft das Osterfest am gleichen Tag feiert. Außerdem sollte unbedingt ein gewisser Bezug des Datums zu den biblischen Texten gewahrt bleiben. Auf dem Konzil von Nizäa im Jahre 325 n.Chr. war aus diesem Grunde empfohlen worden, Ostern am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling der nördlichen Halbkugel zu begehen. Damit fiel das Fest in die Zeit zwischen dem 22. März und dem 25. April eines Jahres.

Weil der Julianische Kalender ein klein wenig zu lang war, hatte sich der vermeintliche Frühlingsanfang bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts in Richtung Jahresanfang verschoben. Um diese Abweichung rückgängig zu machen und gleichzeitig künftige Diskrepanzen zu vermeiden, erließ Papst Gregor XIII eine neue Kalenderreform. Zur Seite stand ihm der Mathematiker Christopher Clavius (1537-1612) aus Bamberg, der sich auf die Arbeiten des Astronomen Aloysius Lilius (gestorben 1576) aus Italien stützte. Und wie damals bei Caesar sah sich auch der Papst gezwungen, den Wechsel zu seinem Gregorianischen Kalender mit einem heftigen Eingriff in die Länge des laufenden Jahres zu verbinden. In einer Bulle vom 24. Februar 1582 legte er fest, dass auf den 4. Oktober 1582 der 15. Oktober 1582 folgen sollte – das kürzeste Jahr der Geschichte. Das Streichen der Tage hatte zwei Folgen. Zum einen fiel der Frühlingsanfang wieder auf den 21. März. Und zum anderen fühlten sich die größtenteils noch recht ungebildeten Menschen um zehn Tage ihres Lebens betrogen.

Dafür lebten sie fortan mit einem recht genauen Kalenderjahr, das nur um etwa 26 Sekunden länger als das tropische Jahr ist. Der noch heute gültige Gregorianische Kalender sieht alle vier Jahre ein Schaltjahr vor. Eine Ausnahme bilden die vollen Jahrhunderte, die nur 365 Tage haben. Abweichend davon bekommen volle Jahrhunderte, die ohne Rest durch 400 teilbar sind, doch einen Schalttag. Also sind 1800, 1900, 2100 und 2300 keine Schaltjahre, wohl aber 2000.

Der Papst hatte zwar damals Macht, doch sein Arm war nicht so unumstritten stark wie Caesars. Darum setzte der neue Kalender sich nur langsam in der Welt durch. Zuerst übernahmen ihn die katholischen Länder, die protestantischen Staaten Deutschlands akzeptierten ihn seit 1700, England wartete bis 1752, Schweden gar noch ein Jahr länger. Japan schloss sich 1873 an, Russland folgte 1918 und die Türkei rechnet seit 1927 mit dem gregorianischen System. Heute wird das Datum weltweit danach berechnet. Einige nichtchristliche Staaten pflegen daneben noch ihre eigenen Kalender mit religiöser Bedeutung.

Die winzige Abweichung von gerade einmal 0,0003 Tagen pro Jahr hat uns übrigens schon um drei Stunden vom wahren Datum abgebracht. Ernsthafte Gedanken wird man sich jedoch erst im Jahr 4915 machen müssen – dann beträgt die Diskrepanz einen ganzen Tag. Und scherzhafte Geister fragen sich schon jetzt, wie wir unsere Computer am besten auf dieses Y5K-Problem vorbereiten sollen.

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