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Bestattungskultur: Hund und Katze auf dem Friedhof

Tierfriedhöfe sind mal in Mode und mal wieder nicht. So zeichnen sie ein komplexes Bild der wechselhaften Beziehung zwischen Mensch und Haustier.
Tierfriedhof in England

Ein Blick auf Tierfriedhöfe liefert spannende Erkenntnisse über die Beziehung zwischen Menschen und ihren Haustieren. Und er lässt auch wichtige kulturelle Rückschlüsse zu, findet der Archäologe Eric Tourigny von der University of Newcastle. Zu dem Schluss kommt er nach einer Studie, in der er die Entwicklung der Bestattungskultur von Haushund, Katze oder Wellensittich im Lauf der Jahrhunderte analysierte. Dabei zeigte sich, wie sehr es dem Zeitgeist unterliegt, ob und wie Haustiere bestattet werden, und wie sie öffentlich mit Grabstein und Ähnlichem sichtbar betrauert wurden, schreibt Tourigny im Fachblatt »Antiquity«.

Wann Menschen überhaupt begannen, Haustiere sorgfältig zu beerdigen, ist nicht genau geklärt – wahrscheinlich aber bestatteten Menschen ihre treuen tierischen Begleiter schon in der frühen Prähistorie. Eindeutige Tiergräber von Hunden kennt man dann spätestens seit der Römerzeit auch auf den Britischen Inseln, also selbst in der Provinz des Imperiums. Später, vom Mittelalter bis in die Neuzeit, scheinen Haustiere zunächst wieder kaum in Ehren bestattet worden zu sein: Man findet zwar oft Hunde- und Katzenknochen, die Tiere sind aber wohl sehr häufig, ähnlich wie Pferde und andere Tiere, bei Abdeckern entsorgt worden, wo sie als Quelle für Häute und Tierfutter dienten. Vielleicht, so spekuliert Tourigny, haben die religiösen Überzeugungen im Mittelalter verhindert, dass Haustiere als beseelte Wesen dem Menschen auch im Tod über Bestattungsriten gleichgestellt wurden.

Das änderte sich in der Neuzeit allmählich. Erst im 18. Jahrhundert tauchten Haustiere dann allerdings wieder im kulturellen Alltag auf – sichtbar unter anderem durch zahlreiche Elegien und Epitaphe, die zunehmend in Kleinanzeigen und Druckschriften veröffentlicht wurden. Dabei wird zunächst noch oft ein satirischer oder spöttischer Blick auf die Liebe zum Haustier deutlich: etwa bei dem Aspekt, ob »Hund und Katze überhaupt in den Himmel kommen« können. Immerhin scheint es in dieser Frage Diskussionsbedarf gegeben zu haben. Die reiche Oberschicht bestattet ihre Haustiere nun gelegentlich, jedoch noch in privatem Rahmen und im eigenen Garten. Schließlich entstanden im 19. Jahrhundert dann in wohlhabenden Gegenden erste Tierfriedhöfe – als Erstes einer beim Hyde Park im reichen Westminster, wo aus einem Privatgarten mit dem Einzelgrab des 1881 verstorbenen Hundes »Cherry« der erste öffentliche Bestattungsplatz für Tiere wurde. In den folgenden Jahrzehnten öffneten immer mehr Friedhöfe im ganzen Land.

Früher Tierfriedhof | Auf frühen Tierfriedhöfen wie hier ruhen in Frieden schlicht Topsey, Butcha und Spot. Erst im 20. Jahrhundert wurden Grabinschriften weniger prosaisch – Anzeichen für einen allmählichen Wandel beim Blick auf das Haustier sowie bei den Trauerritualen der Besitzer.

Tourigny hat für die weiteren Untersuchungen vier Friedhöfe besucht und im Detail analysiert: den ältesten im Hyde Park, einen in Ilford und zwei im Nordosten Englands. Dort hat er aufgezeichnet, welche Inschriften und Entwicklungen in der Grabgestaltung es in den vergangenen gut 100 Jahren gegeben hat. Dabei legt ein Wandel in den Inschriften nahe, dass das Verhältnis von Mensch zu Haustier sich offenbar allmählich gewandelt hat: Frühe Inschriften sind schlicht gehalten und erinnern an die Tiere höchstens als geschätzte Begleiter. Später wird das Verhältnis zunehmend innig, und die Gestaltung der Grabinschriften ändert sich. Die Tiere galten nun offenbar deutlich eher als geliebte Familienmitglieder, die ähnlich betrauert wurden wie menschliche Verstorbene, fasst der Forscher zusammen.

In weiteren Studien sollte nun untersucht werden, ob vergleichbare Trends weltweit zu beobachten sind, meint der Archäologe. In jedem Fall seien Tierfriedhöfe ein bisher zu wenig erforschter kultureller Ort, an dem die Entwicklung von Gesellschaften, ihrer Religiosität und der Umgang mit Trauer untersucht werden könne.

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