News: Bluttest für BSE?
Im Laufe der Zeit verdichteten sich die Anzeichen, dass Prionenerkrankungen die Artschranken über die Nahrungskette überschreiten können. Der BSE-Erreger gilt heute auch als Ursache für die unheilbare, tödlich endende neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJD) des Menschen. Inzwischen wachsen die Befürchtungen, dass vCJD nicht nur durch infiziertes Fleisch übertragen wird. Auf Grund der jahrzehntelangen Inkubationszeit könnte auch das Blut vermeintlich Gesunder mit Prionen infiziert sein. Die Folgen wären fatal. Die Politik diskutiert daher ein Blutspendeverbot von Menschen, die sich längere Zeit in England aufhielten. Unangenehmerweise lässt sich die Krankheit im Blut nicht nachweisen. "Bisher gibt es keinen einzigen Antikörpertest, mit dem man im Blut zwischen normalem und abnormem Prioneneiweiß unterscheiden kann", erläutert Hans Peter Schwarz von Baxter Hyland Immuno in Wien. "Die einzigen Tests funktionieren histologisch." Das bedeutet, dass BSE beziehungsweise vCJD erst nach dem Tod im Hirngewebe nachgewiesen werden kann.
Die könnte sich jetzt ändern, wenn sich die Entdeckung von Adriano Aguzzi und seinen Kollegen vom Universitätsspital Zürich bewährt. Die Wissenschaftler arbeiteten mit Plasminogen, einem normalen Protein des Blutes. Es handelt sich dabei um die Vorstufe von Plasmin, das Blutgerinnsel auflöst. Mit dem isolierten Plasminogen umschlossen die Forscher winzige Magnetperlen und mischten diese mit Hirngewebsproben von Mäusen, die mit Scrapie, einer ebenfalls durch Prionen ausgelösten Krankheit bei Schafen, infiziert waren. Bestimmte Abschnitte des Plasminogens, im Laborjargon "Kringel"-Domänen genannt, können andere Proteine binden. Zur Überraschung der Forscher "klebten" an den "Kringel"-Domänen jedoch nur die infektiöse Form der Prionen PrPSc – die normale Variante PrPC verschmähte Plasminogen (Nature vom 23. Oktober 2000). "Deshalb stellt Plasminogen den ersten endogenen Faktor dar, der zwischen normalen und krank machenden Prioneneiweiß zu unterscheiden vermag", erklärt Aguzzi. "Diese unerwartete Eigenschaft könnte für diagnostische Zwecke Verwendung finden."
Die Forscher spekulieren jetzt über die Möglichkeit, infizierte Blutkonserven mit Plasminogen zu erkennen und eventuell sogar zu reinigen. An Prototypen für zukünftige BSE-Testverfahren für Blutkonserven wird schon gearbeitet, auch wenn die Wissenschaftler sich noch vorsichtig geben. "Im Moment haben wir nur ein biochemisches Ergebnis", meint Christiane Roeckl aus der Arbeitsgruppe, "wir wissen einfach nicht, wie sensitiv die Bindung sein kann."
Ihre Entdeckung wirft auch etwas Licht auf die Krankheitsmechanismen. Plasmin, das aus Plasminogen entsteht, steuert auch die synaptischen Verschaltungen im Gehirn. Heidelberger Wissenschaftler des European Molecular Biology Laboratory haben an Nervenzellen kürzlich gefunden, dass die Umwandlung von Plasminogen in Plasmin genau dort stattfindet, wo auch das normale Prion PrPC liegt. Die infektiöse Form PrPSc könnte hier Plasminogen binden und damit die Umwandlung in Plasmin verhindern – mit den bekannten fatalen Folgen für das Gehirn.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 3.8.2000
"Ein neues Modell zur Prionenfaltung"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 28.7.2000
"Prionen brauchen keine Hilfe"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 12/97, Seite 22
"Nobelpreis für Medizin – infektiöse Proteine"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 3/95, Seite 44
"Prionen-Erkrankungen"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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