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Kosmologie: Bunter Tanz vorm Ausradieren

Beim Absturz von Materie in ein Schwarzes Loch senden Partikel unterschiedliche letzte Botschaften. Sie verraten nicht nur, was ihnen am Ende ihrer Existenz zustößt, sondern auch, dass in unserer Milchstraße manches anders zu laufen scheint als in entfernten Galaxien.
Das Zentrum der Milchstraße im Infrarotlicht
Schwarz ist keine Farbe, schwarz ist nichts anderes als die Abwesenheit aller Lichtwellen. Und so gesehen tragen Schwarze Löcher ihren Namen zu Recht, denn nichts, auch kein Lichtstrahl, entkommt ihrem Gravitationssog – sie könnten eigentlich auch "unsichtbare Löcher" heißen. Dass sie fern, und eigentlich allen Blicken entzogen, Materie in sich hineinschaufeln, kann indes neugierige Forscher nicht davon abhalten, immer genaueres über die Massemonster in Erfahrung zu bringen.

Infrarot-Blick ins Zentrum der Milchstraße | Das Infrarotwellen aufzeichnende Spitzer-Weltraumteleskop ist prädestiniert für den Blick ins Zentrum unserer Galaxie, da die in Blickrichtung liegenden Staubwolken nur optische Lichtwellen absorbieren. Mit Spitzer werden so Hunderttausende Sterne sichtbar – wie in diesem Falschfarbild Richtung Sagittarius, das einen Ausschnitt von etwa 900 Lichtjahren von links nach rechts zeigt. Alte, kühle Sterne erscheinen dabei blau, Staub grell-, massereiche Sterne eher samtglimmend rot. Der helle weiße Fleck in der Mitte ist das galaktische Zentrum, in dem ein supermassereiches Loch, die Röntgenquelle Sgr A*, ihr Unwesen treibt. Unsere Sonne in ihrem kleinen, unbedeutenden Seitenarm der Milchstraße, umkreist dieses Zentrum alle 225 Millionen Jahre – also seit Anbeginn ihrer Zeit schon rund 20 Runden lang.
Mitteilsam ist dabei die Nachbarschaft der unsichtbaren Objekte – dort lösen ihre ungeheuren Kräfte allerlei gut Sichtbares, oft Dramatisches aus. Wobei "Nachbarschaft" relativ ist: Irdischen Beobachtern wie Farhard Yusef-Zadeh von der Northwestern-Universität, seinem internationalen elfköpfigen Astronomenteam und uns allen am benachbartesten wäre etwa Sagittarius A* (Sgr A*), das immer noch etwas rätselhafte supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer eigenen Galaxie – gottlob liegen allerdings rund 26 000 Lichtjahre zwischen Wissenschaftlern, spektrumdirekt-Lesern und Milchstraßenmitte.

Sgr A* bringt rund 3,6 Millionen Sonnenmassen auf die Waage und zerrt wahrscheinlich – wie es von allen der zur supermassereichen Variante zählenden Schwarzen Löchern vermutet wird – auch noch in weiter Ferne Kugelsternhaufen auseinander und bringt Galaxienarme zum Rotieren. Dies alles verblasst aber gegen das, was sich in eben unmittelbarer Nachbarschaft von Sgr A* an spektakulären Masseabstürzen ins relativistische Nichts abzuspielen scheint. Dorthin, ins Herz der Finsternis unserer Milchstraße, blickten Yusef-Zadeh und Kollegen mit neun bodenständigen und einem Weltraumteleskop im Sommer 2004. Ihre Auswertungen zeichnen um das unsichtbare Zentrum ein überraschenderweise ziemlich buntes Bild in allerlei Wellenlängen [1].

Die auf jeweils unterschiedliche Lichtquellen spezialisierten Teleskope des Forscher-Instrumentenparks enthüllten etwa recht energiearme Infrarot-Leuchtspuren von herumgezerrter Materie, die exakt zeitgleich mit viel energetischeren Röntgensignalen sowie Wellen im Submillimeterbereich aufblitzten. Sie alle werden jedenfalls im allerletzten Moment einer Milchstraßenmaterie-Existenz ausgesendet.

Den Löwenanteil der Lichtblitze – etwa vierzig Prozent – machen jedoch eben die Infrarotwellen aus, eine Überraschung für die Wissenschaftler. "Schwarze Löcher anderer Galaxien zeigen keine derartige Lichtblitz-Aktivität", so Yusuf-Zadeh. Warum nur bei unserem Sgr A* dieses charakteristische häufige, aber niedrigenergetische Flackern im Infraroten auftritt, bleibt enigmatisch.

Im übrigen, so ein weiterer Befund des Teams, trifft das Ende im Schwarzen Loch durchaus nicht alle Materie gleich früh: Manch ein angezerrtes Klümpchen locht nicht direkt ein, sondern wird unter hellem Lichtblitzgekreische aus der Umgebung des Gravitationszentrums herausbeschleunigt – vielleicht sogar bis in Gebiete, die außerhalb der Reichweite des gefräßigen Gravitationsmauls liegen.

Irgendwann aber wird es auch diese noch einmal davon gekommene Materie erwischen – und wie lange Schonfristen in der Nähe Schwarzer Löcher dauern können, berechnete in einer zweiten Arbeit das Astronomenteam um Kambiz Fathi vom Rochester Institute of Technology. Die Forscher schauten mit dem 8-Meter-Spiegel des chilenischen Gemini-Teleskops nicht auf unsere eigene Galaxie, sondern auf das Zentrum von NGC 1097, etwa 47 Millionen Lichtjahre entfernt.

Auch die Galaxie NGC 1097 beherbergt ein Schwarzes Loch | Ein Mosaik aus bei verschiedenen Wellenlängen aufgenommnen Bildern der aktiven Galaxie NGC 1097. Die Einzelbilder gelangen mit der adaptiven NACO-Optik des Very Large Telescopes der europäischen Südsternwarte. Sie zeigen die 5500 Lichtjahre breite Spiralgalaxie mit mehr als 300 sternbildenden Regionen – sichtbar als weiße Flecken –, die entlang eines Rings aus Staub und Gas angeordnet sind. Im Zentrum ist ein supermassereiches Schwarzes Loch lokalisiert, das nach jüngsten Untersuchungen mit enormem Appetit Gaswolken aufsaugt.
Dort verschlingt ein Schwarzes Loch Gas in Massen, wie bereits Beobachter der europäischen Südsternwarte erkannten [2]. Die Geschwindigkeit und Bewegung der entstehenden Wirbelschleppen untersuchten Fathi und Co nun mit dem neuen Integral-Feld- Spektrografen ihres Teleskopes, der tausende Einzelpunkte in den Turbulenzen auseinanderhalten und vermessen kann. Mit 180 000 Kilometern pro Stunde, so die Erkenntnis, spiralen sich die Gasatome in Richtung Loch [3].

Mit dem Hubble-Teleskop konnten sie die zu erwartende Lebensfrist von Gaspartikeln in unmittelbarer Nachbarschaft des Schwarzen Loches bestimmen – wobei in diesem Fall "Nachbarschaft" zehn Lichtjahre Entfernung bedeutete. Dort geben die Wissenschaftlern abstürzendem Gas noch gerade einmal 200 000 Jahre bis zur Aufzehrung, ein Wimpernschlag in kosmischen Zeitdimensionen.

Das Gas nun mit eigenen Teleskopaugen in Massen und schnell abstürzen zu sehen, schließt eine Lücke im Theoriegebäude um das Phänomen Schwarze Löcher, meinen die Forscher. Bislang war nämlich angenommen worden, dass Gas meist gar nicht bis zum gefräßigen Zentrum von Galaxien vorstoßen kann, weil es durch galaktische Barrieren – etwa von Sternen – blockiert wird. Woher dann aber die Materie kommen soll, mit der die Schwarzen Löcher ihren Massezuwachs decken, wäre dann rätselhaft. Das jetzt in flagranti Gas verspeisend erwischte Schwarze Loch macht zumindest dieses Kopfzerbrechen vielleicht unnötig – auch Verschwinden im ultimativ Schwarzen kann eben erhellend sein.

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