News: Chaoskontrolle in der Chemie
Wissenschaftler vom der Abteilung Physikalische Chemie des Fritz-Haber-Instituts haben die Strukturbildung am Beispiel der katalytischen Oxidation von Kohlenmonoxid untersucht. In der betrachteten Reaktion haften Sauerstoff und Kohlenmonoxid (CO) zunächst auf einer katalytischen Platin(110)-Einkristalloberfläche. Die auf der Oberfläche beweglichen CO-Moleküle reagieren dann jeweils mit einem Sauerstoffatom zu Kohlendioxid, welches die Oberfläche sogleich wieder verlässt. Unter geeigneten Bedingungen bilden sich dabei selbstorganisierte Muster in Form mikroskopisch kleiner, vorwiegend Sauerstoff- beziehungsweise CO-bedeckter Bereiche auf der Platinoberfläche.
Diese räumlichen Bedeckungsmuster werden von zeitlichen Schwankungen (Oszillationen) der Sauerstoff- und CO-Bedeckung im Takt von wenigen Sekunden begleitet. Die nur einige Mikrometer durchmessenden Strukturen wurden mit einem Photoemissions-Elektronenmikroskopieverfahren sichtbar gemacht. Als typische Muster entstehen dabei chaotische Spiralwellen, die spontan wieder in Fragmente zerfallen und sich dabei reproduzieren. Die Spiralwellen reagieren so sensibel auf kleinste Störungen, dass sich ihr Verhalten nicht über längere Zeiträume vorhersagen lässt. Die Wissenschaftler sprechen deshalb von einem hochdimensionalen, raumzeitlichen Chaos, dessen Dynamik Veränderungen in Raum und Zeit einschließt.
Alexander Mikhailov und seine Kollegen konnten anhand mathematischer Modellrechnungen vorhersagen, dass sich chaotische Strukturen mithilfe einer Rückkopplungsschleife unterdrücken und durch neuartige, vorher im Chaos verborgene Muster ersetzen lassen. Daraufhin gelang es Wissenschaftlern um Harm-Hinrich Rotermund, solche Muster auch tatsächlich im Labor zu beobachten. Sie konnten gezielt neue Strukturen wie chaotische Ringmuster, reguläre Domänenmuster und reguläre Streifenmuster auf der Platinoberfläche erzeugen. Die Methode der dazu verwendeten Rückkopplung ist so effizient wie einfach: Während die Forscher die Muster auf der Platin-Oberfläche beobachteten, variierten sie die Zugaberate von Kohlenmonoxid (CO) in direkter Abhängigkeit von den auftretenden Strukturen. Die Zugabe von CO war dabei direkt proportional zur über das Sichtfenster gemittelten Bildhelligkeit im Mikroskop. Diese Methode störte die räumlichen Muster nicht direkt, sondern beeinflusste die Reaktionsbedingungen überall auf der Oberfläche in gleicher Weise. Unter den so veränderten Rahmenbedingungen konnten sich dabei die neu beobachteten Muster selbstorganisiert ausbilden. Die Wissenschaftler erbrachten damit erstmals den experimentellen Beweis, dass hochdimensionales Chaos in chemischen Systemen mit einfachen Methoden beherrscht werden kann.
Die Ergebnisse stellen einen wichtigen Fortschritt im Verständnis spontaner Strukturbildung und deren Steuerung dar. Viele Resultate können auch auf ganz andere strukturbildende Systeme in und außerhalb der Chemie übertragen werden. Darüber hinaus kann die Beherrschbarkeit von hochdimensionalem Chaos für die Kontrolle technischer Prozesse, in denen Chaos meistens unerwünscht ist, von Bedeutung sein.
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
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