Darmbakterien: Cocktail aus Kinderkot
Für Probiotika in Lebensmitteln muss man zahlen. Im Überfluss findet man sie hingegen in Babywindeln – und das auch noch in einer ursprünglichen Form, ohne allzu viele Spuren von Fastfood und anderen Zivilisationskrankheiten. So oder ähnlich dachte ein Team von der Wake Forest School of Medicine in North Carolina, als sie das therapeutische Potenzial probiotischer Darmbakterien von Kleinkindern testeten. Der Mikrobiologe Ravinder Nagpal und seine Kollegen bedienten sich anonymer Spenden einer örtlichen Kita: Aus 34 befüllten Windeln entnahmen sie jeweils ein halbes Gramm Kot, isolierten zehn Laktobazillen- und Enterokokkenstämme und brüteten sie bei 37 Grad Celsius bis zu 24 Stunden aus. Dann fischten sie aus jeder Probe mindestens zehn Kolonien, mixten sie zu einem probiotischen Cocktail und verfütterten diesen an Mäuse beziehungsweise gaben dieselbe Dosis in ein Medium mit menschlichen Fäkalien.
Ob eine einzige Portion oder täglich eine über fünf Tage: Das Darmmikrobiom im Kot von Mensch und Maus veränderte sich so, dass es vermehrt gesunde Fettsäuren produzierte; und in Kombination wirkten die beiden Zutaten besser als jede für sich allein. Diese Ergebnisse stellt das Team jetzt in der Onlineausgabe von »Scientific Reports« vor. Der Titel: »Probiotischer Cocktail menschlichen Ursprungs erhöht die Produktion von kurzkettigen Fettsäuren durch Modulation von Darmmikrobiom bei Mäusen und Menschen.« Anders gesagt, Kinderkacke verändert die Darmflora so, dass sie mehr Gutes produziert. Dieses Produkt, bestimmte kurzkettige Fettsäuren, gelte als »Schlüsselkomponente für die Darmgesundheit, an denen es Menschen mit Diabetes, Adipositas, Autoimmun- und Krebserkrankungen mangelt«, so Koautor Hariom Yadav.
Der probiotische Cocktail unterstütze das mikrobielle Gleichgewicht im Darm, indem er nützliche Bakterien fördere und Krankheitserreger eindämme. Den idealen Bakterienstamm beschreiben die Autoren so: menschlichen Ursprungs, frei von potenziell virulenten Genen und Antibiotikaresistenzen, tolerant gegenüber dem speziellen Milieu im Magen-Darm-Trakt und durchsetzungsfähig genug, um in der Gemeinschaft mit anderen Mikroben zu überleben. Die Stämme sollten außerdem derart beschaffen, dass sie überhaupt bis in den Darm gelangen. Weil man über einen weiteren bekannten Stamm, die Bifidobakterien, schon recht viel wisse, habe man sich für Laktobazillen und Enterokokken entschieden.
In den vergangenen Jahren gelang es mehrfach, einzelne probiotische Stämme gegen bestimmte Krankheiten einzusetzen, im Tiermodell wie beim Menschen. Doch insbesondere vor einem Einsatz ohne ärztliche Überwachung wird gewarnt. Nagpal und seine Kollegen mahnen außerdem: Bei gesunden Versuchspersonen sei die Wirkung von Probiotika noch zu wenig erforscht.
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