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Rätselhafte Beobachtung: Das Geheimnis besonders starker Supernovae

Manche Sternexplosion wird von einem gewaltigen Gammastrahlenausbruch eingeläutet, manche nicht. Kann ein mysteriöser »Kokon« aus heißer Sternmaterie das Rätsel lösen?
Gammastrahlenausbruch

Lebe schnell, stirb jung – das Motto gilt nicht nur für Rockstars, sondern auch für besonders schwere Sterne. Der Wasserstoff dieser Giganten mit mehr als dem Achtfachen der Masse unserer Sonne reicht nur für einige Millionen Jahre, für das Universum ist das nicht mehr als ein Wimpernschlag.

Am Ende geht dann alles ganz schnell: Ohne weiteren Brennstoff versiegt die Kernfusion im Zentrum der riesigen Gaskugeln vom einen Moment auf den anderen. Binnen Sekunden kollabiert der Kernbereich zu einem 10 bis 20 Kilometer großen Klumpen von der Dichte eines Atomkerns, Physiker sprechen von einem Neutronenstern.

Supernova trifft Gammastrahlenausbruch

Weiter außen liegende Sternschichten sacken dadurch ins Bodenlose. Das heiße Gas fällt auf den entstehenden Materieklops im Zentrum, wo es wie an einer undurchdringlichen Wand abprallt. Es entsteht eine gewaltige Stoßwelle, die – angefeuert von Abermilliarden von Neutrinoteilchen – die einstige Sternhülle vor sich hertreibt. Solch eine Sternexplosion (genauer: eine Kernkollaps-Supernova) strahlt für ein paar Wochen heller als alle Sterne ihrer Galaxie zusammen, noch nach Jahren kann man die immer weiter expandierende Blase mit Teleskopen beobachten.

Die Ereignisse zählen zu den gewaltigsten im Universum, sie haben jedoch Konkurrenz: So genannte Gammastrahlenausbrüche oder Gamma Ray Bursts (GRBs) setzen binnen kurzer Zeit ebenfalls unvorstellbar große Energiemengen frei. Anfangs hielt man Supernovae und GRBs für zwei voneinander unabhängige Ereignisklassen. Seit einiger Zeit weiß man jedoch: Manche extrem helle Supernova geht mit einem mehrere Minuten langen Gammastrahlenausbruch einher, manche hingegen nicht.

SN 2017iuk | Aufnahme der Hypernova mit dem Teleskop Grantecan auf der Kanareninsel La Palma wenige Stunden nach dem Gammastrahlenausbruch.

Aber warum ist das so? Die Sichtung einer ungewöhnlichen Sternexplosion stellt in dieser Frage nun Fortschritte in Aussicht. Das Ereignis mit der Bezeichnung SN 2017iuk gehört zur seltenen Fraktion der »Hypernovae«, die zehn oder mehrere hundert Mal heller leuchten als gewöhnliche Vertreter ihrer Art. Entdeckt hat sie der amerikanische Satellit Swift am 5. Dezember 2017, der zu dieser Zeit einen etwa drei Minuten langen Gammastrahlenausbruch beobachtete.

Im Gegensatz zu vergleichbaren Ereignissen in der Vergangenheit blickten andere Astronomen rasch in Richtung des Ausbruchs: Schon anderthalb Stunden nach dem GRB schwenkten Astronomen um Luca Izzo vom Instituto de Astrofísica de Andalucía das 10-Meter Teleskop Grantecan auf der Kanareninsel La Palma in Richtung der winzigen Himmelsregion. Damit nahmen sie ein Lichtspektrum des Gebietes in einer rund 530 Millionen Lichtjahre entfernten Spiralgalaxie auf.

Von da an war klar: Bei der Sichtung handelt es sich um eine jener seltenen Supernovae, die von einem Gammastrahlenausbruch eingeläutet wurde. Astrophysiker vermuten, dass bei den außergewöhnlichen Ereignissen Magnetfelder eine Schlüsselrolle spielen. Wenn der Kern eines Sterns bei einer Supernova kollabiert, verdichtet sich nicht nur die Materie, sondern auch die Magnetfelder. Neutronensterne haben deshalb milliardenfach stärkere Magnetfelder als ihre Vorläufer.

Und noch etwas nimmt beim Kollaps zu: die Rotationsrate. Das Ergebnis ist ein extrem schnell rotierendes Objekt, das extrem starke Magnetfelder um sich herumschleudert. Oberhalb der Pole bilden sich gewissermaßen Schornsteine, durch die Materie aus dem Inferno entkommen kann – so sieht es zumindest ein populäres Szenario vor.

Zwei gegenläufige Bündel, so genannte Jets, schießen demnach in den ersten Sekunden nach dem Kollaps in Richtung Weltall. In ihnen werden geladene Teilchen fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Die Jets durchstoßen praktisch gleichzeitig mit der Schockwelle der Supernova-Explosion die umgebenden Sternhüllen. Wo das Material der Jets auf umgebendes, langsamer expandierendes Gas trifft, entsteht Gammastrahlung, die man auf der Erde als GRB sieht.

Folgt auf den Jet ein Kokon?

Schockwelle und Jet – kann das wirklich alles sein? Seit Längerem diskutieren Fachleute über einen dritten Protagonisten, der während einer Kernkollaps-Supernova gewissermaßen eine Brücke zwischen den beiden bekannten Phänomenen schlagen würde: Dieser Kokon könnte auch erklären, wieso nur wenige der Sternexplosionen mit einem Gammastrahlenausbruch einhergehen.

Einer populären Theorie zufolge entstehen Kokons, wenn sich die extrem schmalen Jet-Strahlenbündel einen Weg durch die umgebende Sternmaterie bahnen. Durch Kollisionen mit Atomkernen verlieren die Teilchen in den Jets Energie, erhitzen dabei aber die Materie des sterbenden Sterns. Rund um den gebündelten Jet entsteht für kurze Zeit eine Wolke aus extrem heißer Materie, die ebenfalls ins Freie drängt.

Simulationen zufolge vermag der Kokon Sternhüllen auch dann zu durchdringen, wenn dem Jet auf dem Weg zur Oberfläche die Puste ausgeht. Das wäre dann die Erklärung dafür, dass nur manche Hypernovae auch einen Gammastrahlenausbruch hervorbringen: Nur wenn die Jets mit sehr viel Energie versorgt werden, können sie die Sternhülle komplett durchdringen und ihren Weg ins Weltall in Form stark fokussierter Gammastrahlung fortsetzen. Reicht die Energie dafür nicht aus, dann dringt nur der deutlich breitere und diffusere Kokon hervor – der aber weniger stark strahlt als ein ins Freie schießender Jet.

Jet und Kokon | So stellen sich Forscher den Ablauf einer Kernkollaps-Supernova vor: Aus dem kollabierenden Stern schießen zwei schmale Strahlenbündel hervor, die jedoch auf ihrem Weg ins Freie von Wolken aus heißer Materie begleitet werden, so genannten Kokons.

Stimmt diese Theorie, dann sollte man die Kokons bei einer deutlich größeren Zahl von leuchtkräftigen Supernovae beobachten können als Jets und Gammastrahlenausbrüche. Das Problem: Bei Sternexplosionen, bei denen es ein GRB zur Erde schafft, kann man das schwache Leuchten des Kokons nur mit viel Glück beobachten. Zeigt der Jet Richtung Erde, überstrahlt der viel energiereichere GRB die zarten Absorptionssignale, die der Kokon dem Lichtspektrum des explodierenden Sterns aufprägen sollte.

Und ohne GRB werden Supernovae meist zu spät entdeckt: So zeigen Simulationen von Ehud Nakar und Ore Gottlieb von der Universität von Tel Aviv in Israel, dass die Spuren des Kokons im Spektrum der Supernova bereits ein paar Tage nach Einsetzen der Explosion verblassen müssten.

Doppelt Glück bei SN 2017iuk

Das Team um Izzo will bei SN 2017iuk nun doppelt Glück gehabt haben: Der GRB erlaubte eine rasche Entdeckung der Supernova, war aber eher schwach, so dass er die Beobachtungen nicht zu sehr beeinträchtigte. Wie die Forscher in »Nature« berichten, konnten sie deshalb im Lichtspektrum von SN 2017iuk erstmals Spuren eines Kokons aufspüren.

Demnach entwich das schwache Gammastrahlensignal, das der Swift-Satellit aufgefangen hat, gerade in dem Moment, als die breit gefächerte Gaswolke durch die Sternhüllen des sterbenden Sterns brach. Anschließend zeigten sich aussagekräftige Absorptionslinien im Spektrum, die aus Sicht von Izzo und Kollegen durch Kokonmaterial verursacht wurden.

Auch die aus dem Spektrum ersichtliche Expansionsgeschwindigkeit der Materie – 105 000 Kilometer pro Sekunde statt der sonst üblichen 40 bis 50 000 – passt zu der Theorie: Das Kokonmaterial expandiert auch in den Simulationen stets schneller als die normale Supernova-Schockwelle. Dazu kommt die Präsenz schwerer Elemente wie Eisen im Lichtspektrum. Sie stammen den Astrophysikern zufolge aus dem Kernbereich des Sterns und werden mit dem Kokon an die Oberfläche gebracht.

Ersticken viele Jets im Sterninneren?

Warum aber erreichen nun manche Jets die Oberfläche und manche nicht? »Das Schicksal des Jets hängt davon ab, ob ihn die zentrale Energiequelle lange genug versorgt«, sagt Ore Gottlieb auf Nachfrage. Die zentrale Energiequelle ist der kollabierende Sternkern und sein Magnetfeld. Was »lange genug« bedeutet, hänge von den spezifischen Eigenschaften des Sterns und des Jets ab, führt Gottlieb weiter aus.

Wenn der Jet zum Beispiel vergleichsweise wenig Energie mit sich führe, einen großen Öffnungswinkel habe oder aus einem besonders massereichen Stern hervorgehe, benötige er mehr Zeit, um die Sternhüllen zu durchdringen. »Er muss dann entsprechend länger mit Energie versorgt werden, damit diese ungünstigen Ausgangsbedingungen kompensiert werden.« Geschehe das nicht, breche die Energiezufuhr ab, bevor der Jet fast Lichtgeschwindigkeit erreicht hat – in diesem Fall »erstickt« er innerhalb des Sterns und dringt nicht ins umliegende Weltall vor.

Wird also jede Kernkollaps-Supernova von einem Jet begleitet, der es jedoch oft einfach nicht ins Freie schafft? Das sei keineswegs sicher, sagt der Supernova-Experte Hans-Thomas Janka vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching, der nicht an der Studie beteiligt war: »Es könnte auch ein anderer Mechanismus ohne Jets solche Hypernovae ohne GRB verursachen.« Die in »Nature« erschienene Arbeit lasse einen endgültigen Schluss hier einfach noch nicht zu. »Was nach wie vor fehlt, ist der eindeutige Nachweis von ausbrechenden Jet-Kokons ohne Jet.«

Um die Zweifel zu zerstreuen, müssen Astronomen noch mehr Kokons bei anderen Supernovae nachweisen, speziell bei solchen, die definitiv keinen GRB und damit keinen ausbrechenden Jet zeigen. Gut möglich, dass dies in naher Zukunft gelingt. Die derzeit geplante und teilweise in Bau befindliche Generation großer Teleskope mit weitem Gesichtsfeld wird in einigen Jahren den Himmel großflächig nach Supernovae absuchen. Viele Sternexplosionen werden dann innerhalb weniger Stunden nach ihrem erstmaligen Aufleuchten erfasst werden – schnell genug, um nach den flüchtigen Anzeichen ihrer Kokons zu suchen.

Bei einem anderen seltenen Himmelsphänomen könnten die ultraheißen Materiewolken ebenso eine Rolle spielen: Beim Zusammenstoß zweier Neutronensterne kommt es auch zu einem (deutlich kürzeren) Gammastrahlenausbruch. Manche Forscher spekulieren, dass sich hier ebenfalls ein Kokon bilden könnte. Klarheit werden auch in diesem Fall erst neue Daten bringen, wie sie Astrophysiker in den kommenden Jahren erwarten.

Gelungener Gammastrahlenausbruch nach Kernkollaps-Supernova

Hat ein Teilchenjet bei einer Kernkollaps-Supernova genug Energie, gelangt er problemlos ins Freie – und setzt in einem schmalen Kegel für kurze Zeit Gammastrahlung frei, die man von der Erde aus mit speziellen Teleskopen beobachten kann.

Gescheiterter Gammastrahlenausbruch nach Kernkollaps-Supernova

Wird der Jet nach dem Kernkollaps nicht weiter mit Energie versorgt, erstickt er noch im Sterninnern. In diesem Fall gelangt nur ein Kokon aus heißer Sternmaterie ins Freie.

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