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Erstbesiedlung der Anden: Das Leben hoch am Limit

Vor 12 000 Jahren waren die Menschen gerade erst in Südamerika angelangt, schon zog es sie in die lebensfeindlichen Höhenlagen der Anden. Was sie an so abgelegenen Orten wie der Cuncaicha-Höhle zu finden hofften, erforscht der Archäologe Kurt Rademaker.

Hoch in den Anden steht Kurt Rademaker an einem Höhleneingang und lässt seinen Blick über das Plateau unter ihm schweifen. In einer Höhe von 4500 Metern gibt es keine Bäume mehr: nur braune Erde gesprenkelt mit trockenen Grasbüscheln, grünen Polsterpflanzen und ein paar Vikunjas, die an einem Bach grasen.

Die Landschaft wirkt trostlos, aber Rademaker sieht sie anders. Er sieht sie mit den Augen der Menschen, die hier unter dem Cuncaicha-Felsüberhang vor etwa 12 400 Jahren Feuer machten. Diese Jäger und Sammler gehörten zu den frühesten Bewohnern Südamerikas. Sie hatten sich eine extreme Gegend ausgesucht, kein Lagerplatz aus dem eiszeitlichen Südamerika liegt höher. Trotzdem war es eine attraktive Gegend für die Menschen damals, meint Rademaker, Archäologe von der University of Maine in Orono – nicht einmal die dünne Luft und die nächtlichen Minusgrade in der Ebene konnten das ändern.

Der Cuncaicha-Felsüberhang | Der Unterschlupf, in der Fachsprache auch Abri genannt, befindet sich in den Höhenlagen der peruanischen Anden. Als die ersten Menschen nach Südamerika vordrangen, schlugen auch einige von ihnen hier ihr Lager auf.

"In der Senke gibt es frisches Wasser, Lamas, Steine zur Herstellung von Werkzeugen, Brennmaterial und Felsenhöhlen, in denen man sich niederlassen kann", sagt er. "Eigentlich gibt es hier alles, was man zum Leben braucht. Es ist eines der prächtigsten Talbecken, die ich je gesehen habe, und vermutlich war es das auch schon damals."

Rademaker gehört zur wachsenden Zahl junger Archäologen, die sich mit der frühzeitlichen Besiedelung Südamerikas beschäftigen. Ihm zufolge wanderten die Menschen hier bereits deutlich früher ein als bisher gedacht. Am Ende des Pleistozäns, also in der Zeit, als die letzte Eiszeit langsam abflaute, passten sie sich wohl schnell an die extremen Bedingungen an – die trockene Küste im Westen, den Amazonas-Urwald im Osten und die frostigen Höhenzüge der Anden entlang des Kontinents.

Durch die Zusammenarbeit der Archäologen mit Geologen, Klimaforschern und Wissenschaftlern anderer Fachgebiete entsteht langsam ein umfassenderes Bild der damaligen Ausbreitungswege der Menschen. So fanden die Forscher auch weitere frühzeitliche Siedlungsstätten und warfen die alten Dogmen völlig über Bord.

Überraschend früh drangen Menschen in den Andenraum vor

"Dank neuster Methoden kann die Archäologie in Südamerika inzwischen viel wissenschaftlicher arbeiten. Außerdem haben die jungen Forscher untereinander ein zunehmend kollegiales Verhältnis", fügt Rademaker hinzu. "Wir sind alle ganz begeistert von den technischen Neuerungen, die in immer kürzeren Abständen aufkommen". Aber es ist ein Wettrennen gegen die Zeit: Die südamerikanischen Länder weiten Berg- und Straßenbau massiv aus, diese und ähnliche Aktivitäten sorgen dafür, dass immer mehr archäologisches Beweismaterial an viel versprechenden Standorten vernichtet wird.

Kurt Rademaker | Der Forscher hat bei seinen Ausgrabungen Hinweise auf Werkzeugherstellung gefunden. Die Anzeichen menschlicher Anwesenheit reichen 12 400 Jahre zurück.

Über Jahrzehnte hinweg war die Forschung über die Besiedelung Amerikas ein Reizthema. Eine der erbittertsten Auseinandersetzungen betraf das südchilenische Monte Verde. In den 1970er und 1980er Jahren wurde diese Siedlungsstätte von dem Archäologen Tom Dillehay ausgegraben, der inzwischen an der Vanderbilt University in Nashville in Tennessee arbeitet. Er fand dort Spuren menschlicher Siedlungen [1], deren Alter er auf etwa 14 500 Jahre datierte. Damit stellte er sich gegen die Meinung führender Archäologen, deren Standpunkt es war, dass die ursprünglich aus Sibirien stammenden Einwanderer erst vor frühestens 13 000 Jahren über Nordamerika hinaus nach Südamerika gelangten. Das war die Zeit der Clovis-Kultur – ein Volk von Großwildjägern, deren charakteristische Steinspitzen man heute über die gesamte USA verteilt findet. Die Clovis-Jäger hielt man bisher für die ersten Menschen in Nordamerika. Deshalb wollten viele Archäologen einfach nicht glauben, dass die Fundstelle in Monte Verde noch älter sein könnte.

Der Widerstand bröckelte aber im Lauf der letzten sechs Jahre, als auch in Nordamerika überzeugende Belege für Prä-Clovis-Siedlungen ans Licht kamen. Zwischenzeitlich hatten südamerikanische Archäologen – die schon immer weniger skeptisch waren als ihre nordamerikanischen Kollegen – weitere Siedlungen gefunden und auf ein Alter von etwa 14 000 bis 12 000 Jahren datiert. Diese Funde sprechen auch dafür, dass Jäger und Sammler bereits in Südamerika lebten, als der Aufstieg der nördlichen Clovis-Kultur noch in vollem Gange war.

Seitdem diese Kontroverse weitestgehend beigelegt ist, kommen Wissenschaftler immer besser voran mit der Frage, wann und wie die Besiedelung Südamerikas stattgefunden hat.

Auf der Spur der Obsidianwerkzeuge

Rademakers Funde in den Anden beantworten aber nicht nur Fragen, sondern werfen auch neue auf. Er begann seine Expedition an Perus trockener Küste in Quebrada Jaguay, etwa 150 Kilometer entfernt von der Höhle in den Anden. An diesem Ort arbeitete Daniel Sandweiss, ein Anthropologe von der University of Maine und Rademakers einstiger Doktorvater. Er grub eine Fundstelle aus, die aus einer Zeit vor etwa 13 000 bis 11 000 Jahren stammen soll, also noch vor das Ende der letzten Eiszeit datiert. Sandweiss legte hier die Überreste von Mahlzeiten aus Meeresfrüchten frei. Außerdem fand er Abschläge aus Obsidian, einem vulkanischen Glas, das die Menschen zur Herstellung von Steinwerkzeug nutzten[2]. Da es aber gar keine Obsidianvorkommen entlang der Küste gibt, muss das Material zwangsläufig von Lagerstätten hoch in den Anden stammen.

Im Jahr 2004 reiste Rademaker in die Berge und fand am Mount Condorsayana große Aufschlussareale von Obsidian[3]. Während der folgenden drei Jahre erforschte er diesen so genannten Alca-Obsidian gemeinsam mit dem Geologen Gordon Bromley von der University of Maine und suchte nach Hinweisen aus der letzten Eiszeit.

Attraktives Ödland | Die Landschaft um Cuncaicha sieht wenig einladend aus. Doch sie bietet Ressourcen, die den Aufenthalt für die Jäger und Sammler lohnend machten.

Die Exkursionen bescherten Rademaker die ersten Eindrücke vom Pucuncho-Becken, jenem hoch gelegenen Feuchtgebiet mit einem Fluss, zahllosen Vikunjas, Lamas und Alpakas und einem reichlichen Bestand an Polsterpflanzen. Diese sind sehr harzreich und gut brennbar, wie die Forscher herausfanden. Das Tal war auch übersät mit Steinspitzen und Abschlägen der frühzeitlichen Werkzeugmacher. Als Rademaker eines Tages den Fluss entlangwanderte, streifte sein Blick den Berg zu seiner Linken hinauf, und er sah genau in eine gähnende Leere: den Cuncaicha-Felsüberhang mit seiner großen Höhle. Im Jahr 2007 begann er hier mit den Ausgrabungen. "Das war das erste Mal, dass wir eine so alte Siedlungsstätte im Andenhochland fanden", sagt er.

Forschen und Leben unter Sauerstoffmangel

Es ist gerade August. Rademaker bindet sich ein Halstuch vor Mund und Nase und fängt an, eimerweise Geröll in eine leere Grube zu schaufeln. Dabei rutschen seine Hemdsärmel nach oben und gewähren einen flüchtigen Blick auf minutiös eintätowierte Hominidenschädel – vom Australopithecus afarensis in der Nähe seines Handgelenks bis zum Homo sapiens auf seiner Schulter. Die diesjährige Grabungskampagne ist schon weit fortgeschritten: Seine Arbeitshosen hängen teilweise in Fetzen und der linke Wanderschuh hält seine Form nur dank einer dicken Schicht Klebeband.

Ein beißender Wind peitscht über das Pucuncho-Plateau. Einigen von Rademakers Mitarbeitern macht die dünne Luft zu schaffen. Ihm ist wichtig, dass sich seine Leute nicht nur auf die Kälte gut vorbereiten, sondern auch auf die Höhe. Schrittweise sollen sie sich an den Sauerstoffmangel hier oben gewöhnen.

Der Kampf mit den klimatischen Bedingungen hielt die Wissenschaftler nicht davon ab, erste Beweise gegen die gängige Lehrmeinung zu sammeln, dass nämlich die Berge zu hoch, zu kalt und zu unwirtlich für eine frühe menschliche Besiedelung gewesen seien. Laut Bromleys Ergebnissen waren die Gletscher am Ende der letzten Eiszeit nur auf einige Täler begrenzt, Pucuncho und andere Gebiete lagen hingegen frei. Paläoklimatische Daten weisen auch darauf hin, dass die Umgebung damals feuchter war als heute, so dass es vielleicht sogar mehr Pflanzen und Tiere gab, die den Einwanderern zur Verfügung standen, meint Rademaker.

"Die Paläoindianer überlebten am Ende der Eiszeit in einem der extremsten Gebiete der Erde – und zwar offenbar sehr erfolgreich", sagt er begeistert. "Das sagt uns, dass sie praktisch überall durchkamen."

Die Eroberung eines Kontinents | Die Erforschung eiszeitlicher Fundstätten (grüner Punkt) in Südamerika zeigt, dass sich die Menschen auf unterschiedlichste Lebensbedingungen einstellen konnten.

In den frühesten Sedimentschichten des Cuncaicha-Felsüberhangs findet man viele Tierknochen, vor allem von Hirschen und Vikunjas, so dass die Menschen sicherlich ausreichend Wildtiere auf dem Plateau vorfanden. Zudem waren einige ihrer Werkzeuge aus Gesteinsarten gefertigt, die in der Gegend eigentlich gar nicht vorkommen. Entweder hatten einige Bewohner der Höhle Material aus anderen Regionen mitgebracht, oder sie hatten es mit umherziehenden Gruppen getauscht. Manche Werkzeuge weisen auch Spuren von Pflanzenstärke auf, was die Forscher nun näher untersuchen wollen. Vielleicht können sie damit herausfinden, wovon sich die Menschen ernährten und ob sie Knollen oder andere Pflanzen anbauten.

In der Höhle fanden die Wissenschaftler auch ein Stück eines menschlichen Schädels. Es enthielt keine DNA mehr, und das Alter ist noch unklar. Aber vielleicht gibt es hier ja noch mehr menschliche Überreste.

Archäologen entdecken schwunghaften Fernhandel

Weiter südlich entlang der chilenischen Küste hat César Méndez ähnliche Hinweise auf Siedlungsstätten des späten Pleistozäns gesucht und gefunden. Der Anthropologe von der Universität Chile in Santiago grub 2004 zusammen mit seinen Kollegen ein frühzeitliches Lager aus, welches sie auf ein Alter von etwa 13 000 Jahren datierten [4].

Einige Steinwerkzeuge aus der Siedlung Quebrada Santa Julia waren aus durchsichtigem Quarz gefertigt, der aber an der Küste gar nicht vorkommt. Wie Rademaker entwarf auch Méndez mögliche Wanderrouten zu bekannten Quarzlagerstätten im Binnenland. Entlang der Routen hatten sie Bodenproben entnommen und eine Stelle gefunden, an der durchsichtiger Quarz offen lag. Und genau dort hatten auch vor 12 600 und vor 11 400 Jahren Menschen gelebt und ihn abgebaut. Die Ähnlichkeit in Alter und Herstellungsprozess zu den Werkzeugen von Quebrada Santa Julia legt nahe, dass die an der Küste aufgefundenen Werkzeuge von dieser Abbaustelle im Gebirge stammten.

Polsterpflanzen | Die grünen Polsterpflanzen eignen sich als Brennmaterial, und Bäche sorgen für Trinkwasser. Zudem war das Plateau am Ende der Eiszeit eisfrei.

"Die Funde zeigen, dass die Menschen hier vor mindestens 12 000 Jahren bereits Verbindungen zu anderen Menschen hatten, dass sie sich gut auskannten und zwischen Küste und Binnenland hin- und herwanderten", folgert Méndez.

Aus Siedlungsstätten wie Quebrada Jaguay und Quebrada Santa Julia lässt sich schließen, dass frühzeitliche Jäger und Sammler in Südamerika die Küste entlangzogen und sich dabei aus dem reichen Bestand an Fischen, Muscheln und Pflanzen des Schwemmlandes und der Flussdeltas bedienten, sagt Dillehay. Weitere Hinweise dafür gibt es unterhalb von Huaca Prieta, einem 32 Meter hohen Hügel an der Küste Nordperus.

Der Hügel wurde schon in den 1940er Jahren freigelegt. Dillehay grub aber noch tiefer und fand im Jahr 2010 Spuren von Eiszeitsiedlungen. Nach Untersuchungen mit der Radiokarbonmethode [5] lebten hier schon vor sage und schreibe 14 200 Jahren Menschen, als die Gegend noch von Feuchtgebieten umgeben war.

Meeresspiegelanstieg verwischte die Überreste der Küstenbewohner

Sollten frühzeitliche Bewohner tatsächlich an der Küste entlanggezogen sein, wurden die besten Beweise dafür wohl längst vom Ozean verschluckt. Am Ende des Pleistozäns bewirkte das Abschmelzen der Gletscher einen Anstieg des Meeresspiegels um 70 Meter, was vermutlich zur Überflutung eines Großteils des ursprünglichen Küstenverlaufs führte. Dabei wurden die Regionen des östlichen Südamerikas wahrscheinlich am stärksten betroffen, weil das Land dort relativ flach ist und das Meer tief in das Land eindringen konnte.

So gehen Archäologen davon aus, dass im Grenzgebiet zwischen Uruguay und Argentinien, in einem breiten Delta an der Mündung des Flusses Uruguay, frühzeitliche Menschen gejagt und gesiedelt haben. Aber all diese Siedlungsstätten sind untergegangen, als das Meer 120 Kilometer weit vorrückte, sagt Rafael Suárez, ein Archäologe von der Universität in Montevideo.

Suárez hat Beweise für diese These flussaufwärts gesucht und konnte einige Siedlungsstätten auf ein Alter von 12 900 bis 10 200 Jahre datieren. Werkzeuge, die an einer Stätte namens Pay Paso gefunden wurden, bestanden aus durchscheinendem Achat, der offensichtlich aus einem 150 Kilometer entfernten Steinbruch in der Nähe der brasilianischen Grenze stammt. Andere Werkzeuge aus Uruguay wurden 500 Kilometer südlich in der argentinischen Provinz Buenos Aires [6] gefunden, bemerkt Nora Flegenheimer, die als Archäologin im Nationalen Wissenschafts- und Technologierat (CONICET) in Nocochea in Argentinien arbeitet. Solche Funde weisen auf ausgedehnte Handels- und Migrationsrouten im östlichen Südamerika hin.

Miller und Rademaker | Christopher Miller (links) und Rademaker erkunden bei einer Tour im August weitere Fundstellen in der Pucuncho-Ebene.

Manche Archäologen fragen sich auch, ob die frühen Besiedler des Kontinents möglicherweise sogar die Anden überquerten. Der Bolivianer José Capriles von der Universität Tarapacá in Arica in Chile warf diese Frage auf, nachdem er 12 800 Jahre alte Artefakte in der Cueva Bautista, einer Felsenhöhle 3 930 Meter über dem Meeresspiegel im südwestlichen Bolivien entdeckt hatte. Er weiß auch, dass eine ähnlich alte Siedlung auf derselben geografischen Breite in Chile am Westhang der Anden existierte. In künftigen Forschungsarbeiten sollen Werkzeuge beider Fundstellen untersucht werden, um herauszufinden, ob die Menschen tatsächlich von einer Seite zur anderen zogen oder ein Netz von Handelsstraßen anlegten.

Einige der besten Indizien für pleistozäne Siedlungen in Südamerika werden jedoch vermutlich bald verschwunden sein. Der Grund dafür ist die rapide Ausbreitung der industriellen Landwirtschaft, des Straßenbaus und weiterer Errungenschaften des Fortschritts. Diese menschengemachten Bedrohungen kommen zu den natürlichen Vorgängen wie Winderosion und Veränderungen im Flussverlauf hinzu und formen beständig die Landschaft um.

Landentwicklung macht Forschern zu schaffen

Im vergangenen Dezember mussten Suárez und sein Team aus einer Siedlungsstätte in Uruguay sogar von der Marine evakuiert werden, weil der Wasserpegel im See hinter einer benachbarten Wasserkrafttalsperre auf Grund eines Hochwassers bedrohlich anstieg. Problematisch ist auch der geplante Staudamm im Ocona-Tal in Peru – hier verlief laut Rademaker vielleicht eine frühe Route von der Küste zu den Anden.

Im Hochland kann die Expansion der Bergbauindustrie Fluch und Segen zugleich sein. So entdeckten Archäologen nur durch Zufall die Cueva Bautista in Bolivien, als sie im Zuge der Planung einer Minenzufahrtsstraße eine Geländebegehung durchführten. In der Regel stellt der Tagebau jedoch eher eine Bedrohung für die Fundstätten dar, sagt Capriles.

Bevor Erschließungs- und Infrastrukturprojekte genehmigt werden, müssen zwar archäologische Gutachten erstellt werden. Aber die beauftragten Unternehmen erkennen nicht immer die feinen Spuren einer frühen menschlichen Besiedelung, betonen die Wissenschaftler. Und selbst wenn dabei wichtige archäologische Beweisstücke entdeckt werden, lässt man in einem Entwicklungsland nur ungern zu, dass die Vergangenheit der Zukunft im Weg steht.

"Ich habe noch nirgends eine so heillose Zerstörung erlebt wie in Peru", sagt Dillehay. Er sah mit eigenen Augen, wie Bulldozer alte Siedlungen planierten und Landbesitzer Beweismaterial vernichteten, nur damit ihre Bauarbeiten nicht verzögert wurden.

Neue Höhlen aufgetaucht | Rademaker und Kollegen druchstreiften die Gegend auf der Suche nach weiteren Orten, an denen die Jäger und Sammler campiert haben könnten. So stießen sie im vergangenen Jahr auf diesen und weitere Felsüberhänge.

Rademakers Forschungsgelände in den peruanischen Anden scheint aber im Moment noch gegen solche Aktivitäten gefeit zu sein. In den letzten zehn Jahren haben er und seine Kollegen die Region ausführlich zu Fuß erkundet. Sie wollten herausfinden, ob die Siedler am Cuncaicha-Felsüberhang ihre ausgefallenen Werkzeuge durch Handel erwarben und ob sie das ganze Jahr dort lebten. Die Antwort auf diese Fragen verbirgt sich möglicherweise in noch unerforschten Siedlungsplätzen in dem Gebiet zwischen der Höhle und der Küste. Rademaker erkundet deshalb schon einmal mögliche Wegverläufe und kartiert solche Routen, die am wenigsten an den Kräften zehren, aber doch eine gute Wasser- und Nahrungsversorgung gewährleisteten.

Trekkingtour im Dienst der Wissenschaft

Die Wissenschaftler sind mit Rucksack bepackt dem Verlauf dutzender Bäche und Flüsse gefolgt und mussten manchmal steile Klippen besteigen, um Überschwemmungen zu umgehen. Dabei waren sie ständig auf der Suche nach Felsspalten, die früher als Unterschlupf gedient haben könnten. Frühzeitliche Siedler kundschafteten eine unbekannte Landschaft wahrscheinlich auf dieselbe Weise und mit gleichen Zielen aus.

Rademaker untersuchte in diesem Jahr vier Felshöhlen, die aber alle erst vor kürzerer Zeit besiedelt waren, das heißt vor 4000 bis 6000 Jahren. Trotzdem ist er davon überzeugt, dass es mehrere spätpleistozäne Siedlungsstätten in den Anden gibt. Die Siedler mussten weitere passende Plätze wie das Pucuncho-Becken und den Cuncaicha-Felsüberhang ausfindig gemacht haben. Vielleicht folgten sie auch den Flussläufen auf dem Weg vom Hochland zur Küste. Oder sie nutzen die Wege der wilden Guanaco-Herden, der Lamas, die auch heute noch entlang der Andenausläufer in Küstennähe hinabsteigen.

Jede Exkursion beschert dem Team neue Möglichkeiten. "Eines Nachts habe ich einen Spaziergang gemacht und bin prompt wieder auf eine Flussmündung gestoßen und eine Höhle noch dazu", sagt er begeistert, "es ist noch lange kein Ende in Sicht".

Dieser Artikel erschien unter dem Titel "The first South Americans: Extreme living" in Nature 514, S.24–26, 2014

  • Quellen
[1] Dillehay, T. D. et al. Science 320, S. 784–786, 2008
[2] Sandweiss, D. H. et al. Science 281, S. 1830–1832, 1998
[3] Rademaker, K. et al. Geology 41, S. 779–782, 2013
[4] Méndez, C., Jackson, D., Seguel, R. & Nuevo Delaunay, A. Curr. Res. Pleistocene 27, S. 19–21, 2010
[5] Dillehay. T. D. et al. Quat. Res. 77, S. 418–423, 2012
[6] Flegenheimer, N., Bayón, C., Valente, M., Baeza, J. & Femenías, J. Quat. Int. 109–110, 49–64, 2003

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