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Astronomie: Das Universum im Röntgenlicht

Das Chandra-Weltraumteleskop ist seit zwei Jahrzehnten in der Erdumlaufbahn. Von dort aus liefert es faszinierende Aufnahmen von Galaxien, Sternen und Planeten im Röntgenlicht.
Diese Aufnahme des Röntgenteleskops Chandra zeigt die Überbleibsel der Supernova, die Tycho Brahe im November 1572 beobachtet hat. Der blaue Rand in diesem Falschfarbenbild besteht aus der Strahlung hochenergetischer Elektronen, die eine Millionen Grad heiße Plasmawolke umhüllen.

Röntgenstrahlung ist der beste Weg, um den energiereichsten Prozessen im All nachzuspüren, von extrem massereichen Schwarzen Löchern bis zu den Überresten von Supernovae. Seit 1999 betreibt die US-Raumfahrtbehörde NASA das Weltraumobservatorium Chandra eigens zu diesem Zweck. Es kann mit seinem Detektor Photonen aus einem breiten Spektrum des Röntgenlichts in einer zuvor unerreichten Bildqualität aufzeichnen. Das hat revolutionäre Einsichten in einige der größten Mysterien des Kosmos geliefert.

Stellarer Trümmerhaufen | Tief im Herzen des so genannten Krebsnebels befindet sich ein Neutronenstern – der Überrest einer gewaltigen Explosion, die sich im Jahr 1054 als Supernova zeigte. Die Aufnahme umfasst verschiedene Wellenlängen im Röntgenlicht (violett), Ultraviolett (blau), sichtbaren Licht (grün), Infrarot (gelb) und Radiobereich (rot). Der schnell rotierende Neutronenstern beschleunigt mit seinem intensiven Magnetfeld geladene Teilchen in seinem Umfeld stark, wodurch sie intensive Röntgenstrahlung aussenden.
Auf den Spuren der Dunklen Materie | Eines der bekanntesten Bilder auf Basis von Chandra-Daten ist die Aufnahme des »Bullet-Cluster«, zweier sich durchdringender Galaxienhaufen. Das Bild kombiniert verschiedene Wellenlängenbereiche, wobei heißes Gas im Röntgenlicht strahlt (pink). Die Art, wie die Gravitation im Bullet-Cluster die scheinbare Form der Galaxien im Hintergrund beeinflusst, während sich deren Licht auf zu uns bewegt, bringt Astronomen auf die Spur der unsichtbaren Dunklen Materie (blau). Die Trennung von heißer und Dunkler Materie lässt sich so deuten, dass diese mysteriöse Substanz mit nichts stark wechselwirkt und deshalb alles mühelos durchdringt, während sich das sichtbare Gas bei der Kollision ausbremst.
Überraschender Jet | Eines der ersten Beobachtungsziele für Chandra war der Quasar PKS 0637-752, den die Autorin bereits ein Jahrzehnt zuvor anhand von Daten des Einstein-Observatoriums der NASA untersucht hatte. Im Zentrum der Galaxie befindet sich ein supermassereiches Schwarzes Loch, das seiner Umgebung Unmengen an Materie entzieht. Während diese hineinstürzt, heizt sie sich enorm auf und wird heller als alle 100 Milliarden Sterne der Galaxie zusammen.

Das Teleskop war konstruiert worden, um wichtige Fragen in der Röntgenastronomie zu klären, etwa die nach den genauen Ursprungsorten von energiereicher Strahlung aus allen Richtungen des Himmels, dem so genannten Röntgenhintergrund. Darüber hinaus sollte es sozusagen ein Generalobservatorium für verschiedenste Zwecke werden, bei dem sich Arbeitsgruppen rund um die Welt jährlich mit ihren Projekten um Beobachtungszeit bewerben können. Selbst nach zwei Jahrzehnten Betrieb gehen heute immer noch jedes Jahr rund 500 bis 650 Anträge ein, die insgesamt 5,5-mal so viel Messzeit beanspruchen würden, wie wir am Chandra X-ray Center anzubieten haben.

Tanz der Sterne | Die auch Whirlpool genannte Galaxie M51 offenbart eine deutlich ausgeprägte Spiralstruktur. Aufnahmen im Röntgenbereich enthüllen mehr als 400 Röntgenquellen, die meisten davon in Gebieten ungewöhnlich starker Sternentstehung. Vermutlich schleudert die Wechselwirkung von M51 mit ihrem Begleiter (oben im Bild) dort Materie besonders intensiv aufeinander. Strahlungspulse aus einem der zahlreichen Doppelsternsysteme deuten auf einen kompakten Neutronenstern hin, der seinem Nachbarn viel Materie entzieht. Das große Bild kombiniert Chandra-Aufnahmen im Röntgenlicht (nächstes Bild) mit Bildern des Hubble-Weltraumteleskops in sichtbaren Wellenlängen (übernächstes Bild).
M51 im Röntgenlicht
M51 im sichtbaren Licht

Entsprechend reich war die wissenschaftliche Ausbeute. Bald waren tausende supermassereiche Schwarze Löcher in den Zentren anderer Galaxien als Quellen des Röntgenhintergrunds identifiziert. Zugleich offenbarten sich bei zahlreichen Objekten am Himmel neue, rätselhafte Vorgänge. Schwarze Löcher, die intensiv strahlende Jets ausstoßen, während sie sich Materie einverleiben; ein heller Schein in Jupiters Atmosphäre; Blitze von kollidierenden Neutronensternen, die wiederum zuvor mit Hilfe von Gravitationswellendetektoren aufgespürt wurden; dazu besondere Schwarze Löcher, die als ultraleuchtkräftige Röntgenquellen fungieren. Beobachtungen mit Chandra führen eine weltweite Gemeinschaft von mehr als 4000 Wissenschaftlern zusammen und haben bisher für mehr als 8000 Veröffentlichungen gesorgt.

Weltraumteleskope: Über der Erde

Veröffentlicht am: 08.03.2020

Laufzeit: 0:08:29

Sprache: deutsch

Hyperraum TV ist ein von der Medienwissenschaftlerin und Wissenschaftshistorikerin Susanne Päch betriebener Spartensender für Wissenschaft und Technologie.
Jupiters Nordpol im Röntgenlicht
Leuchtender Riesenplanet | Auch in unser Sonnensystem bietet Chandra neue Einblicke. Sowohl der Nordpol (oberes Bild) als auch der Südpol (dieses Bild) des Jupiters senden Röntgenstrahlung aus. Dabei lenken Magnetfelder geladene Teilchen aus den Äquatorregionen zu den Polen. Zusammen mit der Raumsonde Juno, die Jupiter umkreist, sollen eingehendere Untersuchungen mit Chandra den Entstehungsmechanismus aufklären. Dazu hat die Autorin einen Teil des Kontingents an Beobachtungszeit verwendet, das ihr als Direktorin zur freien Verteilung zur Verfügung steht.

Ich kam drei Jahre vor dem Start ins Missionsteam, habe die zugehörige Website mit aufgebaut, Informationen für die Nutzer zusammengestellt, die ersten Anträge mit begutachtet und das Teleskop während der Vorbereitungen kalibriert. Die Arbeitsfülle während all dieser Tätigkeiten war enorm und trotzdem nichts im Vergleich zu dem, was in den Monaten nach dem erfolgreichen Start folgte. Nun hat Chandra sein 20-jähriges Dienstjubiläum hinter sich, und ich bin inzwischen Direktorin des Chandra X-ray Center, das für den Betrieb des Teleskops zuständig ist. Wir erwarten, dass es – gerade auch im Zusammenspiel mit neuen Observatorien wie dem Event Horizon Telescope und dem James Webb Space Telescope – noch viele weitere Jahre neue Erkenntnisse über die gewaltigsten Vorgänge im Universum liefern wird.

Stellare Kinderstube | Verborgen in einem kosmischen Nebel im Schwert des Orion befinden sich mehr als 1400 junge Sterne (blau und orange). Mit Teleskopen, die nur sichtbares Licht einfangen, sind sie nicht zu erkennen. Aber die Röntgenstrahlung durchdringt den dichten Schleier aus Gas und Staub und enthüllt die Objekte für Chandra. Gerade entstehende Sterne leuchten in diesem Wellenlängenbereich besonders intensiv, da sie viel Materie aus ihrer Umgebung anziehen, in ihren starken Magnetfeldern beschleunigen und wieder herausschleudern.
Erstes Licht | Das erste Bild, das mit Chandra im Augenblick der offiziellen Inbetriebnahme der Kamera (»first light«) aufgenommen wurde, zeigte den Supernova-Überrest Cassiopeia A. Dank der hohen Auflösung des Weltraumteleskops ließ sich ein von Astronomen schon lange dort vermuteter Neutronenstern in der Mitte erkennen. Er blieb zurück, nachdem ein viel größerer Stern explodiert war. Auf der hier gezeigten Aufnahme sind Messungen aus dem Verlauf mehrerer Jahre kombiniert. Sie verbinden Aufzeichnungen verschiedener Wellenlängen, die Chandra detektieren kann und die Rückschlüsse auf chemische Elemente zulassen: Rot steht für Silizium, Gelb für Schwefel, Grün für Kalzium und Violett für Eisen. Der blaue Ring um das Gebilde zeigt energiereiche Teilchen, die von der ersten Schockwelle beschleunigt wurden – ebenfalls eine Entdeckung, die Chandra ermöglicht hat.

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