Paläanthropologie: Das Wandern war des Menschen Lust
Die Wurzeln der Menschheit liegen in Afrika. Von dort hat sich vor rund zwei Millionen Jahren zunächst der Homo erectus über Europa und Asien ausgebreitet. Später – vor etwa 200 000 Jahren – entwickelte sich auf dem Schwarzen Kontinent auch der moderne Homo sapiens und besiedelte nach und nach die übrige Welt. Doch wie das im Einzelnen geschah, liegt noch weitgehend im Dunkeln, weil kein genetisches Material zur Verfügung steht, mit dem es gelingen könnte, die Wanderbewegungen zu rekonstruieren. Alles was es gibt, sind spärlich gesäte Fossilienfunde aus verschiedensten Epochen.
Deshalb haben Forscher um den Anthropologen Gerhard Weber von der Universität Wien nun aus der Not eine Tugend gemacht und erhaltene Schädelknochen verschiedenster Frühmenschen auf morphologische Merkmale hin analysiert, um daraus Verwandtschaftsbeziehungen abzuleiten. Mit einem Computertomographen scannten sie rund 200 Schädel und versahen ihre virtuellen Ebenbilder mit jeweils rund 500 repräsentativen Messpunkten. Dies erlaubte in Verbindung mit komplexen mathematischen Methoden einen exakten anatomischen Vergleich der Funde.
Dem überraschenden Ergebnis zufolge zeichneten sich die frühen modernen Menschen durch eine besonders große Variabilität in ihren Schädelformen aus. Zugleich ähneln sie den heute lebenden Menschen stärker als beispielsweise dem Neandertaler oder anderen archaischen Gruppen. Daraus schließen die Wiener Forscher, dass die Besiedlung Eurasiens durch verschiedene Populationen in mehreren Migrationswellen erfolgte. Bevor der Homo sapiens aus Afrika aufbrach, hatte er sich dort offenbar schon in diverse räumlich getrennte Fraktionen aufgespalten. Diese erreichten Eurasien vermutlich auch auf unterschiedlichen Wegen.
Diese Erkenntnis widerspricht der bisherigen Ansicht, dass es nur eine Auswanderungswelle gab. Die Besiedlung der Erde durch den Menschen verlief anscheinend ungleichförmiger und dynamischer als bisher gedacht.
Christian Tack
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