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News: Den richtigen Abstand, bitte!

Auch Metallatome sind irgendwie nur Menschen und haben ihre besonderen Vorlieben. So dulden sie auf einer Oberfläche sitzend nur Nachbaratome, die einen ganz bestimmten Abstand einhalten. Die zuständigen Abstoßungs- und Anziehungskräfte werden von Elektronenwellen vermittelt und sind so schwach, dass sie sich erst jetzt experimentell nachweisen ließen. Wie kleine Sandburgen am Strand verraten die Bilder, welches Revier zu welchem Atom gehört.
Richtig schön glatt müssen die Metallproben sein, wenn Gerhard Meyer von der Freien Universität Berlin und seine Mitarbeiter die Spitze ihres Rastertunnelmikroskops über die Oberfläche gleiten lassen. Nur ein paar vereinzelten Kupferatomen ist es erlaubt, sich als kleine Hügelchen darauf zu bewegen und sich an einem geeigneten Platz niederzulassen. Welche Orte das sind und was an ihnen so besonders ist, das wollen die Physiker mit ihren Experimenten herausbekommen. Und so suchen sie 3400-mal die Oberfläche nach den aufsitzenden Atomen ab, unterbrochen von 30-sekündigen Pausen, in denen sich die Darsteller bei Temperaturen zwischen 9 und 21 Kelvin neu arrangieren können. Eine Auftragung der Abstände zwischen jeweils zwei Atomen zeigt dann, "dass bestimmte Distanzen bevorzugt werden", sagt Meyer (Physical Review Letters vom 2. Oktober 2000).

Bereits 1967 hatten Wissenschaftler berechnet, dass die Elektronen in einem Metall so genannte indirekte Wechselwirkungen hervorrufen sollten zwischen Atomen, die zwar auf der Oberfläche sitzen, aber nicht zum Kristallverband gehören. Diese Kraft, so fanden später Walter Kohn von der University of California in Santa Barbara und K.H. Lau heraus, fällt nur mit dem Quadrat des Abstandes zwischen den Atomen und hat damit eine ungewöhnlich große Reichweite. Außerdem sollte sie oszillieren und zwar mit einer Periode, die von der Wellenlänge der Oberflächenelektronen abhängt. Zusammengenommen müsste sich eine Potentialfunktion ergeben, die aussieht wie ein Schnappschuss von einem Teich, in den jemand Steine geworfen hat: Um die Positionen der aufsitzenden Atome existiert ein Muster von ringförmigen und überlagerten Wellen. In den Minima ist es energetisch günstig für andere Atome, sich aufzuhalten, die Hügel sind dafür jedoch weniger geeignet.

Lange hat es gedauert, bis Meyers Team diese Kräfte nun endlich direkt messen konnte. Weniger als ein Millielektronenvolt Energie steckt in der Wechselwirkung zwischen zwei Atomen auf der Metalloberfläche – zu wenig für die meisten Experimente. Doch die vielen Aufnahmen mit dem Tunnelmikroskop offenbarten schließlich die oszillierende Potentialfunktion mit einer Periode von 1,5 Nanometern und einem quadratischen Abfall – ganz wie vorhergesagt.

Eine Bestätigung der Theorie ist schon etwas Schönes. In einer Zeit, in der Wissenschaftler und Techniker bereits winzigste Arbeitsgeräte planen, die nur noch aus wenigen Atomen bestehen sollen, kann es jedoch bald auch aus praktischen Gründen wichtig sein, die Vorlieben dieser Atome zu kennen. Denn sonst läuft nachher gar nichts, und alle wundern sich.

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