Naturschutz: Der letzte Wald
Indonesiens Wald stirbt auch für deutsches Druckerpapier und Margarine. Vor Ort verstärkt sich nun der Widerstand gegen den Raubbau.
Eine endlose LKW-Kolonne rollt über die staubigen Pisten der Plantage des Papierkonzerns Asia Pulp & Paper (APP), einem der größten Papierproduzenten der Welt. Ein Laster nach dem anderen transportiert den in zwei Meter lange Stücke zersägten Regenwald der Provinz Jambi auf Sumatra ab. Auf einer 75 Kilometer langen Privatpiste, die nur an paar Stellen öffentliche Straßen kreuzt, fahren die Holztransporter verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit zu ihrem Ziel: der Papierfabrik Lontar Papyrus, einem Unternehmen der APP-Gruppe.
Einer der letzten Reste des verbliebenen Tieflandregenwaldes der indonesischen Insel befindet sich ebenfalls in Jambi im Umfeld des Nationalparks Bukit Tigapuluh. "Neunzig Prozent der Regenwälder Sumatras sind bereits abgeholzt worden", sagt Didy Wurjanto. Wurjanto ist ein so engagierter Umweltschützer, dass er kürzlich von Jambis Provinzregierung vom Leiter der Forstbehörde zum Vorsitzenden des Amtes für Tourismus und Kultur degradiert wurde. Immerhin: Anfang November erfuhr er Verstärkung durch den "Inglorious Basterds"-Star Melanie Laurent, die auf einer von Greenpeace organisierten Tour zum Orang-Utan-Auswilderungszentrum der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) am Rande des Nationalparks fuhr, um sich selbst ein Bild von der Situation zu machen.
Der Weg zu den Orang-Utans führt durch eine große Eukalyptusplantage von APP. Kris, ein Mitarbeiter des Forstamtes von Jambi, warnt: "Lasst eure Kameras nicht sehen. Hier sind überall Aufpasser, die Filmen und Fotografieren nicht zulassen." Es bleibt offen, was passiert, wenn eine Kamera entdeckt würde. Die Eindringlichkeit seiner Mahnung lässt jedoch keinen Zweifel, dass es nichts Gutes sein würde. Am Waldrand, fast am Ende der 35 Kilometer langen APP-Plantagenpiste, lebt unter einer zwischen Bäumen aufgespannten blauen Plastikplane eine Familie vom Stamm der Orang Rimba. Allen Warnungen zum Trotz hält der Wagen von Laurent, die Kameraleute springen heraus, um die indigenen Menschen zu filmen. Einer der Eingeborenen reagiert aggressiv. Über einen Dolmetscher lässt er die Eindringlinge wissen, dass er und seine Familie nicht gefilmt werden wollen. Widerwillig fügt sich das TV-Team.
Zunächst erschien den Orang Rimba die Straße durch ihren Wald als Fortschritt. Früher gingen sie vielleicht einmal im Monat in die Dörfer und verkauften auf dem Markt Rattan. Heute kommen die Händler zu ihnen, und sie können mehr verkaufen. Doch Kehrseite der Medaille ist: Sie ernten das Rattan aus einem immer kleiner werdenden Gebiet. Zudem konkurrieren die Orang Rimba im schrumpfenden Wald mit anderen Stämmen um die immer knapper werdenden Lebensgrundlagen. Peter Pratje, Leiter der Orang-Utan-Auswilderungsstation, beschreibt die gespannte Situation: "Vor ein paar Jahren kam es fast zu einem Krieg zwischen den Orang Rimba und den Talang Mamak."
Krieg zwischen Mensch und Tier
In Jambi ist aber auch ein Krieg zwischen Mensch und Tier ausgebrochen: Auf der Suche nach Nahrung kommen Elefanten und Tiger immer häufiger zu menschlichen Siedlungen. In Jambi hatte im März ein Tiger zwei Menschen getötet, und vor wenigen Monaten trampelte eine Elefantenherde in einem Dorf mehrere Häuser nieder, wodurch ein Mensch starb. Um sich und ihre Felder zu schützen, vergifteten die Dörfler anschließend fünf Elefanten.
Der Wildbiologe fürchtet, dass APP nicht aufgeben wird. Deshalb will er jetzt zusammen mit anderen Organisationen die Bevölkerung in Jambi, die Provinzregierung und auch die indonesische Regierung davon überzeugen, dass es nachhaltige wirtschaftliche Alternativen zur Holzindustrie gibt. Die Umweltschützer haben Pläne zur Dorfentwicklung erarbeitet, Projekte zur Unterstützung der indigenen Völker wie der Orang Simba und der Talang Mamak gestartet. Zusammen mit Wurjanto, der auch in seiner neuen Funktion als Tourismuschef dem Umwelt- und Naturschutz Prioriät einräumt, entwickelt Pratje Konzepte für einen Ökotourismus in Jambi.
Eine der Maßnahmen soll der Erhalt der letzten verbliebenen Regenwälder sein, die als Kohlenstoffsenke eine wichtige Bedeutung haben. Dazu wird in den Klimaverhandlungen zäh um "Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation" (REDD) gerungen. Einer der wesentlichen Knackpunkte ist Frage: Was zählt als Wald und vor allem als Klimaschutz? Nur ursprünglicher Wald oder auch Plantagen, wie es die Industrie will? Für Pratje ist die Antwort eindeutig: "Das Potenzial als CO2-Senke pro Hektar ist in einem natürlichen Waldökosystem zehn Mal so hoch wie in einem Forst. Außerdem werden die Plantagen im Rotationsverfahren abgeholzt, wobei wieder Kohlendioxid freigesetzt wird."
Letzte Hoffnung Kopenhagen?
Es ist derzeit jedoch offen, ob die Weltgemeinschaft in Kopenhagen einen verbindlichen internationalen Klimavertrag verabschiedet. Aber selbst wenn, weiß bislang niemand, wie REDD und all die anderen in der Theorie so wunderbaren Systeme zur Klimarettung in der Praxis funktionieren. Um das herauszufinden wollen die Australier mit 200 Millionen Dollar Pilotprojekte auf Borneo und vielleicht eben in Jambi finanzieren.
Die ganze wilde Schönheit des Urwalds offenbart sich auf den letzten zwölf Kilometern zur Orang-Utan-Auswilderungsstation. Die Fahrt durch den dichten Dschungel, in dem Elefanten, Tapire, Malaienbären und die letzten Sumatratiger leben, ist abenteuerlich. Makaken tollen am Rand des kaum sichtbaren Wegs, bunte Schmetterlinge flattern zwischen sattgrünen Farnen und dichtem Bambusdickicht. Auf dem vom Monsunregen aufgeweichten Forstweg kommen die Jeeps immer wieder ins Schlingern, die beiden Baumstämme als "Brücke" über einen Bach sind so glitschig und morsch, dass der Fahrer Laurent und ihren Tross bittet, auszusteigen. "Sicherheit hat Vorrang", sagt er mit einem freundlichen Lächeln.
Pratje weiß: "Am Anfang stürzen sie oft ab, weil sie in Gefangenschaft nicht einschätzen lernten, ob ein Ast stark genug ist ihr Gewicht zu tragen." Melanie Laurent schießt im Orang-Utan-Camp viele Fotos für eine Ausstellung in Paris. "Es tut gut zu sehen, dass es noch Menschen gibt, die sich um den Wald und seine Bewohner kümmern", sagt der Filmstar und fügt hinzu: "Ich will mit meinen Bildern die Wahrheit zeigen. Alle Menschen können etwas tun. Wir können zum Beispiel darauf achten, keine Kosmetika auf Palmölbasis oder Produkte aus indonesischem Holz zu kaufen."
APP, dem Kritiker illegale Holzeinschläge in Indonesien, Kambodscha und China vorwerfen, ist – so scheint es – unersättlich. Auf 700 000 Hektar, der Hälfte der wirtschaftlichen Produktionsfläche in Jambi, hat der Konzern bereits alten Regenwald durch Monokulturen ersetzt. Wo einst ein mit großer Artenvielfalt gesegneter Dschungel wuchs, stehen heute Monokulturen aus Ölpalmen, Eukalyptus und Akazien – Letztere gehören zu den bei Papierproduzenten beliebten Holzarten, weil sie schnell wachsen und bald für die Produktion gefällt werden können.
Einer der letzten Reste des verbliebenen Tieflandregenwaldes der indonesischen Insel befindet sich ebenfalls in Jambi im Umfeld des Nationalparks Bukit Tigapuluh. "Neunzig Prozent der Regenwälder Sumatras sind bereits abgeholzt worden", sagt Didy Wurjanto. Wurjanto ist ein so engagierter Umweltschützer, dass er kürzlich von Jambis Provinzregierung vom Leiter der Forstbehörde zum Vorsitzenden des Amtes für Tourismus und Kultur degradiert wurde. Immerhin: Anfang November erfuhr er Verstärkung durch den "Inglorious Basterds"-Star Melanie Laurent, die auf einer von Greenpeace organisierten Tour zum Orang-Utan-Auswilderungszentrum der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) am Rande des Nationalparks fuhr, um sich selbst ein Bild von der Situation zu machen.
Vertreibung der Ureinwohner
Der Weg zu den Orang-Utans führt durch eine große Eukalyptusplantage von APP. Kris, ein Mitarbeiter des Forstamtes von Jambi, warnt: "Lasst eure Kameras nicht sehen. Hier sind überall Aufpasser, die Filmen und Fotografieren nicht zulassen." Es bleibt offen, was passiert, wenn eine Kamera entdeckt würde. Die Eindringlichkeit seiner Mahnung lässt jedoch keinen Zweifel, dass es nichts Gutes sein würde. Am Waldrand, fast am Ende der 35 Kilometer langen APP-Plantagenpiste, lebt unter einer zwischen Bäumen aufgespannten blauen Plastikplane eine Familie vom Stamm der Orang Rimba. Allen Warnungen zum Trotz hält der Wagen von Laurent, die Kameraleute springen heraus, um die indigenen Menschen zu filmen. Einer der Eingeborenen reagiert aggressiv. Über einen Dolmetscher lässt er die Eindringlinge wissen, dass er und seine Familie nicht gefilmt werden wollen. Widerwillig fügt sich das TV-Team.
Allerdings haben die Orang Rimba allen Grund, Menschen aus der Welt außerhalb ihres Waldes, in dem sie seit Jahrhunderten leben, mit großer Vorsicht zu begegnen. Der Wald war ihr Eigentum und ihre Heimat. Jetzt müssen sie erleben, wie ihr Wald verschwindet, abgeholzt und abtransportiert wird. Mit dem Wald verschwinden Tiere und Pflanzen, die einstmals ihre Lebensgrundlage waren. Diky, ein Mitarbeiter der indonesischen Umweltorganisation WARSI – sie unterstützt die Ureinwohner mit Gesundheits- und Ausbildungsprojekten – sagt: "Sie haben gerade erst mit dem Ackerbau begonnen als Folge des Verlusts ihrer Wälder."
Zunächst erschien den Orang Rimba die Straße durch ihren Wald als Fortschritt. Früher gingen sie vielleicht einmal im Monat in die Dörfer und verkauften auf dem Markt Rattan. Heute kommen die Händler zu ihnen, und sie können mehr verkaufen. Doch Kehrseite der Medaille ist: Sie ernten das Rattan aus einem immer kleiner werdenden Gebiet. Zudem konkurrieren die Orang Rimba im schrumpfenden Wald mit anderen Stämmen um die immer knapper werdenden Lebensgrundlagen. Peter Pratje, Leiter der Orang-Utan-Auswilderungsstation, beschreibt die gespannte Situation: "Vor ein paar Jahren kam es fast zu einem Krieg zwischen den Orang Rimba und den Talang Mamak."
Krieg zwischen Mensch und Tier
In Jambi ist aber auch ein Krieg zwischen Mensch und Tier ausgebrochen: Auf der Suche nach Nahrung kommen Elefanten und Tiger immer häufiger zu menschlichen Siedlungen. In Jambi hatte im März ein Tiger zwei Menschen getötet, und vor wenigen Monaten trampelte eine Elefantenherde in einem Dorf mehrere Häuser nieder, wodurch ein Mensch starb. Um sich und ihre Felder zu schützen, vergifteten die Dörfler anschließend fünf Elefanten.
Auch auf die 150 000 Hektar des Waldgebiets mit der Orang-Utan-Station am Rande des ähnlich großen Bukit-Tigapuluh-Nationalparks hat APP nun ein begehrliches Auge geworfen. Vielleicht beeindruckt vom Echo der internationalen Medienkampagne des Rainforest Networks und anderer internationaler Umweltorganisationen gegen die Umwandlung des Walds zur kommerziellen Nutzung hat nach Informationen von Didy Wurjanto das Forstministerium in Jakarta überraschend APP die rote Karte gezeigt. Allerdings ist die Entscheidung noch nicht offiziell bekannt gegeben worden. "Das wäre das erste Mal, dass eine Konzession zur Konvertierung von Regenwald zu Plantagen zum Schutz von Orang-Utans abgelehnt würde", hofft Pratje, der schon 108 der roten Primaten erfolgreich ausgewildert hat. Denn schon lange ist es her, dass Sumatra neben Borneo das große Habitat der Menschenaffen war: Die Abholzung hat ihren Lebensraum fast völlig vernichtet, und es leben heute nur noch etwa 6000 Orang-Utans in den verbliebenen Wäldern.
Der Wildbiologe fürchtet, dass APP nicht aufgeben wird. Deshalb will er jetzt zusammen mit anderen Organisationen die Bevölkerung in Jambi, die Provinzregierung und auch die indonesische Regierung davon überzeugen, dass es nachhaltige wirtschaftliche Alternativen zur Holzindustrie gibt. Die Umweltschützer haben Pläne zur Dorfentwicklung erarbeitet, Projekte zur Unterstützung der indigenen Völker wie der Orang Simba und der Talang Mamak gestartet. Zusammen mit Wurjanto, der auch in seiner neuen Funktion als Tourismuschef dem Umwelt- und Naturschutz Prioriät einräumt, entwickelt Pratje Konzepte für einen Ökotourismus in Jambi.
Das Geld für nachhaltige Alternativen könnte zunächst aus einem Klimafonds kommen, den die australische Regierung auflegen möchte, und später dann aus den Milliarden, um die derzeit in den internationalen Klimaverhandlungen hart gerungen wird: Milliarden, die es den Entwicklungsländern ermöglichen sollen, ihre Wirtschaft und Gesellschaft an die Folgen des Klimawandels anzupassen.
Eine der Maßnahmen soll der Erhalt der letzten verbliebenen Regenwälder sein, die als Kohlenstoffsenke eine wichtige Bedeutung haben. Dazu wird in den Klimaverhandlungen zäh um "Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation" (REDD) gerungen. Einer der wesentlichen Knackpunkte ist Frage: Was zählt als Wald und vor allem als Klimaschutz? Nur ursprünglicher Wald oder auch Plantagen, wie es die Industrie will? Für Pratje ist die Antwort eindeutig: "Das Potenzial als CO2-Senke pro Hektar ist in einem natürlichen Waldökosystem zehn Mal so hoch wie in einem Forst. Außerdem werden die Plantagen im Rotationsverfahren abgeholzt, wobei wieder Kohlendioxid freigesetzt wird."
Letzte Hoffnung Kopenhagen?
Es ist derzeit jedoch offen, ob die Weltgemeinschaft in Kopenhagen einen verbindlichen internationalen Klimavertrag verabschiedet. Aber selbst wenn, weiß bislang niemand, wie REDD und all die anderen in der Theorie so wunderbaren Systeme zur Klimarettung in der Praxis funktionieren. Um das herauszufinden wollen die Australier mit 200 Millionen Dollar Pilotprojekte auf Borneo und vielleicht eben in Jambi finanzieren.
Die ganze wilde Schönheit des Urwalds offenbart sich auf den letzten zwölf Kilometern zur Orang-Utan-Auswilderungsstation. Die Fahrt durch den dichten Dschungel, in dem Elefanten, Tapire, Malaienbären und die letzten Sumatratiger leben, ist abenteuerlich. Makaken tollen am Rand des kaum sichtbaren Wegs, bunte Schmetterlinge flattern zwischen sattgrünen Farnen und dichtem Bambusdickicht. Auf dem vom Monsunregen aufgeweichten Forstweg kommen die Jeeps immer wieder ins Schlingern, die beiden Baumstämme als "Brücke" über einen Bach sind so glitschig und morsch, dass der Fahrer Laurent und ihren Tross bittet, auszusteigen. "Sicherheit hat Vorrang", sagt er mit einem freundlichen Lächeln.
Wagen und Passagiere sind über und über mit gelblichem Schlamm bespritzt, als sie nach einer Stunde endlich die einzige Orang-Utan-Auswilderungsstation in Indonesien erreichen. Pratje und seine Mitarbeiter holen Pinki, Violett und Onki zum "Unterricht" aus dem riesigen Käfig und lassen sie in der "Dschungelschule" im dichten Grün des letzten Tieflandregenwalds Sumatras toben. Vor der Auswilderung müssen die als Haus- oder Spaßtiere auf den Märkten Sumatras in Gefangenschaft groß gewordenen Affen alles für das Leben in der Natur lernen. Sogar das Klettern.
Pratje weiß: "Am Anfang stürzen sie oft ab, weil sie in Gefangenschaft nicht einschätzen lernten, ob ein Ast stark genug ist ihr Gewicht zu tragen." Melanie Laurent schießt im Orang-Utan-Camp viele Fotos für eine Ausstellung in Paris. "Es tut gut zu sehen, dass es noch Menschen gibt, die sich um den Wald und seine Bewohner kümmern", sagt der Filmstar und fügt hinzu: "Ich will mit meinen Bildern die Wahrheit zeigen. Alle Menschen können etwas tun. Wir können zum Beispiel darauf achten, keine Kosmetika auf Palmölbasis oder Produkte aus indonesischem Holz zu kaufen."
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