Hyperschnellläufer: Der schnellste Stern im All
Sterne sind normalerweise in Galaxien eingebunden, genau wie Planeten im Allgemeinen Sterne umkreisen. Doch manche Planeten erreichen durch Kollision oder Gravitationsbeschleunigung so hohe Geschwindigkeiten, dass sie ihr Sonnensystem verlassen und als rogue planets alleine weiterziehen. Und tatsächlich kann das Entsprechende auch mit Sternen geschehen. Als Hyperschnellläufer, englisch hyper velocity stars, haben sie genug Energie, um ihre Ursprungsgalaxie hinter sich zu lassen. Astronomen kennen rund 30 solcher Sterne, die aus unserer Milchstraße entkommen sind. Über die Dopplerverschiebung ihres Lichts lässt sich messen, dass sie sich mit Geschwindigkeiten von bis zu 500 Kilometern pro Sekunde bewegen. Nun haben Wissenschaftler den ersten Hypergeschwindigkeitsstern entdeckt, der aus einer fremden Galaxie stammt.
Dieser Fund ist erstaunlich, denn in der Entfernung anderer Galaxien ist es beinahe unmöglich, einzelne Sterne zu sehen. Wissenschaftler um Peter-Christian Zinn von der Ruhr-Universität Bochum haben dennoch einen solchen Stern gefunden – und zwar bei seiner finalen Explosion als helle Supernova.
Das eigentliche Forschungsgebiet der Gruppe sind kaum zu entdeckende, lichtschwache Galaxien, auf Englisch low surface brightness galaxies. Auch um diese aufzuspüren, sind Supernovae hilfreich. Doch die Wissenschaftler fanden fünf Supernova-Explosionen, in deren Umfeld sich keine solche dunkle Galaxie entdecken ließ. Am Calar-Alto-Observatorium im spanischen Andalusien beobachteten sie die fraglichen Gebiete je zwei Stunden lang und konnten so – zumindest oberhalb der Erfassungsgrenze von 27 Magnituden pro Quadratbogensekunde – lichtschwache Galaxien ausschließen.
Es gäbe jedoch noch weitere Erklärungen für solche einsamen Sterne. Eine nahe Galaxie könnte sich sehr viel weiter erstrecken, als dies im sichtbaren Spektralbereich bisher bemerkt wurde. Tatsächlich war dies in einer der fünf untersuchten Supernovae der Fall: Dort fanden Zinn und Koautoren Ausläufer der Galaxie NGC 1058, die nur im fernen Ultraviolett zu sehen waren. Für die anderen Vorgängersterne der Supernova-Explosionen ließe sich womöglich annehmen, dass Sterne auch außerhalb von Galaxien entstehen können. Da sie aus Staub- und Gaswolken hervorgehen, wird diese These allerdings bisher verworfen.
Über dieses Ausschlussprinzip deklarierten die Wissenschaftler die vier verbleibenden Supernovae zum Endprodukt von hyperschnellen Sternen. Sie suchten im Umkreis nach der nächstgelegenen Galaxie, um die minimal zurückgelegte Distanz zu bestimmen. Zudem weiß man, dass nur Sterne mit mindestens achtfacher Sonnenmasse als Supernova explodieren. Dies entspricht einer Lebensdauer von maximal 30 Millionen Jahren. Aus diesen Zeit- und Raumangaben berechneten die Forscher das Tempo, mit der sich ein einsamer Stern von seiner vermutlichen Ursprungsgalaxie entfernt hatte. Für den Vorgängerstern der Supernova SN 2006bx ergab sich dabei eine Rekordgeschwindigkeit von mindestens 850 Kilometern pro Sekunde, mit der er von seiner Wirtsgalaxie UGC 5434 fortgerast war. Obwohl sich durch die Überlegungen nur eine untere Grenze für seine Geschwindigkeit ergibt, ist dies der mit Abstand schnellste Stern, der je entdeckt wurde.
Als Ursache für solche Sterngeschwindigkeiten nehmen Astronomen allgemein die Beschleunigung beim Vorbeiflug an einem Schwarzen Loch an. Der gleiche Effekt wird ausgenutzt, wenn Raumschiffe an den Planeten unseres Sonnensystems Schwung holen. Aufgrund von Daten des Sloan Digital Sky Survey berechneten Zinn und seine Koautoren die Masse des zentralen Schwarzen Lochs der Galaxie UGC 5434 zu 700 000 Sonnenmassen. So hoch dies klingt – es ist deutlich weniger als die zwei Millionen Sonnenmassen des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße. Und doch reicht diese Masse im Innern von UGC 5434 aus, um die Geschwindigkeit des einsamen Sterns zu erklären; selbst weitaus höhere Geschwindigkeiten ließen sich mit einem Schwarzen Loch dieser Größe prinzipiell erreichen.
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