News: Die Evolution der Roboter
Der Antwort auf diese Frage haben sich Hod Lipson und Jordan Pollack von der Brandeis University in Waltham, Massachusetts, in zwei Schritten genähert. Zuerst führten sie spezielle Computersimulationen, eine so genannte evolutionary computation, durch. Für ihre künstlichen "Lebewesen" standen einfache Bauteile zur Verfügung: Stäbe, Kugelgelenke, Stellglieder und künstliche Neuronen zur Steuerung, die beliebige Fachwerkstrukturen bilden konnten. Die Forscher begannen mit einer Population von 200 Robotern, die null Teile enthielten. Sie brachten Sprösslinge hervor, indem sie einzelne Bauteile hinzufügten, wegnahmen oder änderten. Ein typischer simulierter Evolutionsprozess dauerte 300 bis 600 Generationen. Dabei "traten verschiedenartige Entwicklungsmuster auf, von denen einige an natürliche Stammbäume erinnern", schreiben die Wissenschaftler (Nature vom 31. August 2000). Auch hier sortierte die Selektion also unbrauchbare und lebensuntüchtige Modelle heraus.
Ein paar der erfolgreichsten Roboter durften sich im zweiten Teil der Versuche zu realen Modellen entwickeln. Aus Strichen und Punkten entstanden so echte Maschinen, dreidimensional und zum Anfassen. Auch das verlief automatisch mittels der rapid prototyping technology, einem kommerziellen Verfahren. Dabei benutzen dreidimensionale Druckmaschinen einen durch die Temperatur kontrollierbaren Kopf, der Thermokunststoff Schicht für Schicht extrudiert, also eine zweidimensionale Struktur so oft kopiert und aneinander setzt, bis ein dreidimensionales Gebilde entstanden ist. Aus einem Kreis zum Beispiel entsteht ein runder Stab. So "haben wir menschliches Eingreifen sorgfältig auf das Nötigste beschränkt", betonen Pollack und Lipson. Denn "um künstliches Leben zu erzeugen, müssen die Roboter völlig unabhängig sein, nicht nur auf der Ebene der Antriebskraft und des Verhaltens, sondern auch bei der Gestaltung und Herstellung. Nur dann können wir erwarten, dass synthetische Kreaturen ihr eigene Evolution aufrecht erhalten."
Diese Arbeit ist der erste Ansatz, Roboter zu schaffen, deren Körper und "Gehirne" sich gemeinsam entwickeln. Bisher war das ganz anders: "Robotertechnik beschränkt sich meist darauf, animierten Puppen ein Gehirn zu verpassen", stellt Pollack fest. "Doch das ist verlorene Liebesmühe." Auch wenn es noch ein weiter Weg sein mag, bis diese Maschinen selbstständig in der realen Welt existieren können, so "könnte man sagen, dass diese Maschinen sich ohne menschliches Zutun entwickelt haben", erläutert Rodney Brooks vom Artificial Intelligence Lab des Massachusetts Institute of Technology (MIT). Das ist ein seit langem erwarteter und notwendiger Schritt in Richtung des Traums sich selbst entwickelnder Maschinen", kommentiert Brooks.
Obwohl die Forscher ihre eigenen Lebewesen entwickeln wollen, haben sie eine Idee der Wissenschaftler übernommen, die im SETI-Projekt nach außerirdischem Leben suchen. Diese ersannen das Projekt SETI@home, bei dem sich alle, die helfen wollen, einen Bildschirmschoner herunterladen, der aber mehr erzeugt als hübsche Bilder: Ist der Computer mit dem Internet verbunden, startet im Hintergrund automatisch ein Rechenprogramm, das einen Teil der enormen Datenmenge auswertet. So kann jeder seinen Teil zur Suche beitragen. Golem@Home funktioniert im Prinzip genauso, nur entwickelt das Programm ständig neue Lebensformen. Einige von ihnen erscheinen als Animation auf dem Bildschirm. Viel Einfluss hat man aber nicht auf die Sprösslinge, denn der Sinn des Experiments liegt unter anderem darin zu beobachten, wie sich die Kreaturen von sich aus entwickeln. Aber die Größe der Population lässt sich bestimmen oder deren Lebensraum gestalten. Einzelne Roboter können auch zu anderen Rechnern wandern und dort ihr Glück versuchen. Bis sie allerdings den Sprung aus dem Bildschirm in die Wohnungen schaffen, dürfte noch ein geraumes Weilchen vergehen.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 23.7.2000
"Fleischfresser auf Rädern" - Spektrum Ticker vom 5.8.1998
"Als die Maschinen laufen lernten"
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