News: Die Gedächtnispille
Was dem Menschen mal helfen soll, bringt schon jetzt Mäuse in Form. Denn ein Forschungsteam des Howard Hughes Medical Institute hat die Nager mit einem zusätzlichen Gen ausgestattet, das durch die Gabe eines Antibiotikums aktiviert werden kann. Nehmen die Tiere das Antibiotikum Doxycyclin auf, produzieren sie durch das eingefügte Gen einen Hemmstoff für das Enzym Calcineurin. Dieses Enzym wiederum reguliert negativ wichtige neuronale Zellfunktionen, unter anderem die so genannte Langzeitpotenzierung (LTP), die Verbindungen zwischen einzelnen Nervenzellen erhöht und somit ein wichtiger Speicherweg im Gehirn ist.
Doch wie meistens in der Biochemie reguliert nicht ein Protein allein einen Mechanismus, sondern andere sind ebenfalls daran beteiligt. So auch hier, wo ein anderes Enzym – die PKA – seinen Gegenpart übernimmt. Wird nun bei den Gen-Mäusen Calcineurin gehemmt, steigt dadurch die Gedächtnisleistung an. So zeigten die lebenden Tiere bessere Ergebnisse in Verhaltenstests als ihre normalen Artgenossen. So konnten sie sich besser erinnern, wenn bekannte Objekte in eine neue Umgebung wanderten oder wenn sie durch neue Objekte ersetzt wurden.
Doch genauso, wie die Tiere zu ihrem verbesserten Gedächtnis kamen, so konnten sie es auch wieder verlieren, denn der Prozess ist reversibel. Gab es kein Antibiotikum mehr im Futter, verhielten sich die Mäuse wie zuvor – als hätten sie sich nie besser erinnert. Das Mausmodell bietet somit nach Ansicht des Forschungsleiters Eric Kandel wichtige Einblicke auf die ausgeklügelte molekulare Balance aus Aktivierung und Hemmung, durch die die Gedächtnisleistung erbracht wird. So ist nicht nur die positive Regulierung zur Speicherung verantwortlich, sondern auch negative Zwänge wirken sich aus. Damit bestätigen die Ergebnisse eine alte Binsenweisheit: Nur die wichtigen Dinge merkt man sich. Und um die anderen zu vergessen, ist die hemmende Seite unverzichtbar.
Einen schlechten Einfluss auf andere Bereiche scheint der Eingriff ins Gedächtnis kaum auszuüben. So rochen, schmeckten und sahen die Nager wie sonst auch. Aber einen Haken scheint die Sache doch zu haben: Calcineurin kommt nicht nur im Gehirn vor, sondern spielt auch eine wichtige Rolle im Immunsystem. Die möglichen Medikamente, die sich aus diesen Forschungsergebnissen ableiten lassen könnten, müssten somit sehr spezifisch sein.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.