News: Die gläserne Droge
In den verschiedenen Anbaugebieten unterscheiden sich Böden und klimatische Verhältnisse. Beim Aufbau der organischen Substanzen kommt es daher zur Fraktionierung verschiedener Isotope, also unterschiedlich schwerer Atomarten eines Elementes. Dabei wird beispielsweise das Verhältnis des schweren Kohlenstoffatoms 13C zum leichten 12C relativ zu einem Standard durch den delta13C-Wert ausgedrückt. Analog dazu bezeichnet der delta15N-Wert das auf einen Standard bezogene Verhältnis der beiden Stickstoffatome 15N zu 14N. Derlei Isotopenfraktionierungen finden in der Wissenschaft vielfältige Verwendung. Mit ihnen lassen sich Wanderungsbewegungen von Schmetterlingen genauso rekonstruieren wie die Temperaturen während der letzten Eiszeit – und eben auch die Herkunft des betörenden "Schnees".
Die Forscher sammelten in den Andenregionen Boliviens, Kolumbiens und Perus insgesamt 200 Kokablätter und bestimmten an ihnen die delta13C- und delta15N-Werte. Anschließend extrahierten sie die Blätter und stellten Kokain mit einer Reinheit von 98 Prozent her. Der Vergleich zeigte, dass die Isotopensignaturen im Endprodukt in hohem Maße mit denen in den Blättern übereinstimmten und auf diese Weise eine sehr präzise räumliche Zuordnung erlaubten. Die Wissenschaftler konnten so 90 Prozent der 200 Kokablätter ihren Ursprungsorten zuordnen (Nature vom 16. November 2000).
In der Vergangenheit gab es eine ganze Reihe von Ansätzen, die Herkunft einer Kokainprobe zu bestimmen, wobei insbesondere die Verteilungsmuster verschiedener Alkaloide eine Rolle spielten. Da die verschiedenen Stadien der Kokainproduktion aber oft in mehreren Regionen erfolgt, werden einzelne Merkmale immer wieder überprägt. Die Isotopensignale haben ihren Ursprung hingegen allein in der Pflanze selbst, sie bleiben im Laufe der Raffinierung also erhalten. Erst wenn das Pulver in der Nase eines Konsumenten verschwindet, können auch die Forscher nichts mehr ausrichten. Denn in den Haaren sind auch die Isotopenverhältnisse nicht mehr auffindbar.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 21.7.1999
"Den Teufelskreis durchbrechen"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 12.8.1998
"Antiepileptikum gegen Kokainrausch"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 4/97, Seite 56
"Katalytische Antikörper gegen Kokainsucht"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.