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spektrumdirekt fragt nach: Die Imker verschwinden

Frühling am Oberrhein, die Obstbäume und der Flieder blühen - doch kaum eine Biene ist zu sehen. Nachwehen des vergangenen harten Winters oder Opfer des berüchtigten Bienensterbens? Und was bedeutet ein Ausfallen der emsigen Honigsammler für die diesjährigen Ernten? spektrumdirekt sprach mit dem Würzburger Bienenforscher Jürgen Tautz über Ursachen und Folgen.
Biene
spektrumdirekt: Guten Tag Herr Tautz, es ist Frühling, die Kirschen und der Flieder blühen, doch zumindest hier im Rhein-Neckar-Raum sieht man kaum eine Biene fliegen. Wo sind die Insekten abgeblieben? Hat der harte Winter seinen Tribut gefordert?

Jürgen Tautz: Dieses Jahr wurden hier zu Lande eigentlich wenig Schwierigkeiten mit den Bienenvölkern beobachtet. Trotz des harten Winters sind die Tiere im Frühling gut in Gang gekommen, wie beispielsweise die Landesanstalten für Bienenzucht festgestellt haben. Wenn Sie in Heidelberg also kaum Bienen zu Gesicht bekommen, dann deutet das auf ein anderes Problem hin: Immer weniger Menschen beschäftigen sich mit Bienen, die Imker verschwinden.

Honigbiene an Traubenhyazinthe | Die Frühling ist da und mit ihm die Bienen. Oder doch nicht? Zumindest in Heidelberg und Karlsruhe werden sie vermisst.
spektrumdirekt: Am Oberrhein gab es letztes Jahr ein großes Bienensterben wegen gebeizter Maiskörner, deren Gift abgerieben wurde, sich verteilte und die Insekten tötete. Könnte es sich bei dem diesjährigen Bienenmangel noch um Nachwehen dieser Geschichte handeln?

Tautz: Direkte Nachwirkungen dieses Beizgifts, des Clothianidin, kann ich mir eigentlich nicht mehr vorstellen. Wahrscheinlicher ist, dass das Nachbeschaffen der Völker durch die Imker nur sehr zögerlich stattfindet oder viele Züchter deswegen tatsächlich aufgegeben haben. Und das fällt dann schon auf: In Regionen, in denen kaum mehr Bienen gehalten werden, fehlt das Summen in den Obstbäumen.

spektrumdirekt: Gibt es bereits Landstriche, auf die das Problem zutrifft?

Tautz: Ein Beispiel sind manche Gebiete in Niedersachsen, in denen der Rapsanbau dominiert. Landwirte dort bestätigen, dass es auf Grund fehlender Imkerei – und damit mangels Bienen – bereits zu Ernteeinbußen kommt. Doch dazu gibt es noch keine belastbaren wissenschaftlichen Daten.

spektrumdirekt: In den Vereinigten Staaten arbeiten ja Berufsimker, die ihre Stöcke per Lastwagen von der Zitronenblüte in Florida zur Mandelsaison in Kalifornien fahren. Wäre dies auch ein Ansatz oder eine Marktnische für hiesige Bienenzüchter?

Tautz: Gott sei Dank prägen in Deutschland noch Hobbyzüchter die Imkerei. Dies ist eine motivierte Gruppe, der es weniger um den kurzfristigen Gewinn geht als vielmehr um die Honigbiene selbst. Das heißt aber nicht, dass nicht auch gewandert wird und dadurch ein zusätzlicher Nebenverdienst herausspringen kann. Am Bodensee und im Alten Land bei Hamburg betrachten es manche Obstbauern nicht mehr nur als kostenlose Dienstleistung, dass Bienen ihre Bäume bestäuben. Es fahren aber nicht diese riesigen Lastwagen wie in Amerika durch das Land mit all den Problemen – etwa Krankheitsanfälligkeit oder Stress –, die dadurch erzeugt werden.

Bienenforscher Jürgen Tautz | Jürgen Tautz gehört zu den weltweit profiliertesten Bienenforschern und arbeitet an der Universität Würzburg.
spektrumdirekt: Was erwirtschaften denn die Bienen pro Jahr in Deutschland? Und auf was müssten wir verzichten, würden sie ihrer Aufgabe nicht mehr nachkommen?

Tautz: Der Hauptnutzen der Biene für uns Menschen besteht in ihrer Bestäubungsleistung. Das wissen wir übrigens erst seit 1793 und dem klassischen Werk des Berliner Grundschullehrers Konrad Christian Sprengel. Die Bestäubung ist wichtig für die Artenvielfalt der Blütenpflanzen, aber natürlich auch für unsere Nutzpflanzen im Speziellen. Die Honigbiene ist natürlich nicht der einzige Bestäuber, wir dürfen auch andere Arten wie die einzelgängerischen Wildbienen, die Hummeln oder Zufallsbestäuber wie Schmetterlinge oder Käfer nicht vergessen. den Einsatz der Honigbienen wiegen sie aber nicht auf – schon wegen ihrer reine Anzahl: Ein Bienenvolk kann jeden Tag mehrere Millionen Blüten bestäuben; um dieses zu ersetzen, bräuchte man rein rechnerisch rund 500 Hummelvölker.

Weltweit erbringen die Bienen jährlich eine Wertschöpfung von etwa 135 Milliarden Euro. Doch das sind ja nur reine Zahlen, über deren Sinn man streiten kann. Unersetzlich sind die Insekten aber tatsächlich für die Nahrungsmittelproduktion, und die wachsende Weltbevölkerung werden wir ohne die Honigbiene nicht satt bekommen. Etwa 30 Prozent aller Lebensmittel – flüssig und fest – hängen von der Bestäubungsleistung des Tiers ab. Stirbt die Biene, fiele ein Drittel der Nahrungsmittelproduktion weg. Und das wäre natürlich eine Katastrophe.

spektrumdirekt: Welche Lebensmittel wären denn besonders betroffen?

Tautz: Die meisten Obstsorten und viele Gemüsearten wie Tomaten oder Gurken – auch wenn diese schon oft im Gewächshaus gezogen und dort durch Zuchthummeln bestäubt wird –, hängen unmittelbar von den Bienen ab. Daneben aber auch Tierfutter wie Alfalfa oder Kleesorten, die uns indirekt über Milchprodukte oder Fleisch zugute kommen. Das ist schon eine eindrucksvolle Liste.

spektrumdirekt: Woran leiden die Bienenvölker in Deutschland hauptsächlich – sieht man einmal von der letztjährigen Giftbeize ab?

Tautz: Es ist eine Mixtur. Es gibt leider nicht den einen Grund, dem man gezielt nachspüren kann, stattdessen kombinieren sich verschiedene Faktoren regional und zeitlich zu einem nachteiligen Gemisch. Darunter fallen verschiedene Umweltgifte, die die Tiere belasten. Sehr wichtig ist auch ein bunter Speisezettel, eine Vielfalt an Pollen, aus denen die Bienen das Gelée royale herstellen, mit dem sie ihren Nachwuchs aufziehen. Diese Nahrung ist umso gehaltvoller, je diverser die Pollennahrung der Arbeiterinnen ist. Große Monokulturen stehen dem entgegen.

Werden darauf noch weitere Probleme gepackt wie aggressivere Krankheiten oder Parasiten, dann schaffen es die Bienenvölker nicht. Dann brechen sie zusammen.

spektrumdirekt: Spielt bei der Ausbreitung von Krankheiten und Parasiten auch der internationale Handel mit den Tieren eine Rolle?

Tautz: Für lebende Völker gibt es extrem strenge Kontrollvorschriften, die selbst innerhalb der Europäischen Union den grenzüberschreitenden Handel einschränken. Das gilt erst recht für den Austausch über Kontinente hinweg. Ungewünschte Privatinitiativen kann man aber nicht ausschließen.

Biene in Blüte | Jeder dritte Biss in ein Lebensmittel wird von Bienen ermöglicht – durch ihre Bestäubung garantieren sie Obst, einiges an Gemüse und sogar Milch und Fleisch, weil sie wichtige Nahrungspflanzen des Viehs befruchten.
spektrumdirekt: Gibt es denn schon Fortschritte im Kampf gegen die Bienenplagen?

Tautz: Die Völker, die wir hier als Haustiere einsetzen, entstanden ja nur selten in den Regionen, in denen sie heute eingesetzt werden. In ihnen wurde zudem die natürliche Auslese außer Kraft gesetzt, da die Imker Krankheiten und Parasiten bekämpfen. Auf zwei Inseln vor der kroatischen beziehungsweise der schwedischen Küste führt man dagegen echte Selektionsexperimente durch: Viele hundert Völker bleiben dort sich selbst überlassen. Nach einigen Jahren sollten dann nur noch jene übrig sein, die Viren, Pilzen oder Schmarotzern widerstehen konnten – ein gesunder Grundstock für neue Züchtungen, so hofft man.

spektrumdirekt: Hat die Imkerei eine Zukunft in Deutschland?

Tautz: Ja, denn es gibt auch eine ganze Reihe an jungen Menschen, die sich dafür interessieren. Häufig hören diese zwar auf, wenn sie in ein Alter kommen, in denen sie einen Beruf ergreifen oder eine Familie gründen. Andererseits beginnen viele von ihnen später im Leben wieder damit, wenn sie sich an ihr altes Hobby erinnern. Diese Zweiteilung schlägt sich in der Altersverteilung der Imker nieder: Wir haben einen – kleineren – Gipfel bei den jungen und einen größeren bei den älteren Menschen.

Das Problem der Imkerei ist also nicht die Überalterung an sich, wie dies immer wieder dargestellt wird, sondern dass insgesamt zu wenige junge Menschen nachkommen, die die älteren auf Dauer ersetzen können. Wir von der Bienengruppe gehen deshalb vermehrt in die Schulen, um den Nachwuchs für Bienen zu begeistern, weil es sich auch um eine hochinteressante Wissenschaft handelt, die man auch als Hobbyimker betreibt. Wenn wir dort genügend werben, bin ich optimistisch, dass wir die Bienen und die Hobbyimkerei in Deutschland erhalten.

spektrumdirekt: Wie kann denn der Konsument den einheimischen Bienenzüchtern am besten unter die Arme greifen?

Tautz: Das ist ein wirklich deprimierender Punkt. Rein wirtschaftlich betrachtet, könnte ich es verstehen, wenn in Supermärkten ausschließlich ausländischer Honig angeboten würde, sofern dieser deutlich billiger wäre als einheimische Produkte. Das ist aber überhaupt nicht der Fall, dennoch findet sich in vielen Läden kaum ein Honig aus Deutschland. In der Bundesrepublik existieren jedoch sehr viele hervorragend organisierte Imkerverbände, die gerne Auskunft geben über die Honigsorten und wo es diese zu kaufen gibt. Der hiesige Honig wird außerdem sehr streng kontrolliert, was bei Importware nicht immer der Fall ist – der Verbraucher täte sich damit also auch selbst einen Gefallen.

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