Marsforschung: Die rätselhaften Küsten auf dem Mars
Wer schon immer einmal Strandurlaub auf einem fremden Planeten machen wollte und darüber hinaus eine Zeitmaschine besitzt, könnte sich den Mars einmal näher anschauen. Vor gut drei Milliarden Jahren bedeckten vermutlich große Wassermassen die Oberfläche unseres Nachbarplaneten. Dafür sprechen unter anderem verschiedene geologische Formationen in der nördlichen Tiefebene, die sich als Küstenlinien interpretieren lassen.
Aber etwas passt nicht zu diesem Bild. Zwischen den Formationen liegen teils enorme Höhenunterschiede von einigen hundert Metern bis hin zu mehreren Kilometern. Küsten haben allerdings für gewöhnlich eine konstante Höhe, auf der Erde sprechen wir vom Meeresspiegel. Ein Team von Planetenforschern an der University of Berkeley glaubt diesen Widerspruch nun auflösen zu können: Demnach gab es auf dem Mars früher als bisher gedacht einen großen Ozean, dessen Uferlinien dann jedoch von geologischen Prozessen stark verformt wurden.
Der Mars ist zu leicht
Dass der Mars heute ein Wüstenplanet ist, liegt an seiner vergleichsweise geringen Masse. Dadurch reichte seine Schwerkraft nicht aus, um das Gas in seiner Atmosphäre fest genug an sich zu binden und vor Erosion durch den Sonnenwind zu schützen. Dieser Strom aus geladenen Partikeln konnte die Moleküle in der Lufthülle des Roten Planeten daher im Lauf vieler Jahrmillionen ins All schubsen. Auf diese Weise wurde die Atmosphäre immer dünner, so dass Wasser auf dem Mars heute rasch verdampft. Reste gibt es höchstens noch an den Polen, wo es zusammen mit Trockeneis aus Kohlenstoffdioxid große Eiskappen gebildet hat.
Ein Indiz für die nasse Vergangenheit des Mars sind die zahlreichen Schluchten und Furchen in seiner Oberfläche, bei denen es sich einst wohl um Flusstäler handelte. Auch Tonminerale, die an vielen Stellen gefunden wurden und die sich auf der Erde in Anwesenheit von flüssigem Wasser bilden, gelten als wichtiges Puzzlestück. Aber Forscher streiten über die richtige Interpretation dieser Befunde. Manche Wissenschaftler argumentieren beispielsweise, dass die Tonminerale auch unter Einwirkung von Wasserdampf entstanden sein könnten. Und die Canyons könnten sich nicht nur durch reißende Flüsse gebildet haben, sondern auch durch mächtige Lavaströme.
Die Rolle der Vulkane
Fest steht, dass Vulkane eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Mars gespielt haben. Sie sind meist höher als die Feuerberge der Erde, da es auf dem Mars keine Plattentektonik gibt, die geologische Formationen langsam, aber fortwährend verschiebt. Auf dem Mars bleiben Vulkane immer an derselben Stelle, werden also nicht auf Kontinentalplatten umhergeschoben, und können daher extreme Höhen erreichen. Besonders prägnant ist die Tharsis-Region. Sie ist Heimat von mächtigen Schildvulkanen, darunter Olympus Mons, mit 22 Kilometer Höhe der größte Vulkan im gesamten Sonnensystem.
Womöglich hat das Entstehen der Region sogar die Planetenachse des Mars geneigt. Denn schwere Massen zieht es bei allen frei rotierenden Körpern in die Äquatorialebene. Frühere Studien haben gezeigt: Sollte Tharsis auf höheren Breiten entstanden und zum Äquator gewandert sein, müssten sich auch die Küstenlinien verformt haben.
Bei der Entstehung von Vulkanen sind im Untergrund große Mengen von Magma in Bewegung. Solche Massenbewegungen finden in einem Zeitraum von einigen Dutzend bis hundert Millionen Jahren statt. Dementsprechend lange dauert auch die Neuorientierung der Drehachse, was Ozeanen mehr als genug Zeit gibt, neue Küstenlinien auszubilden. Solche Polwanderungen treten wohl häufiger auf als gedacht.
Wenn der Pol wandert
Sie müssen allerdings nicht unbedingt mit Vulkanismus zusammenhängen: Wie Bilder der Raumsonde "New Horizons" zeigen, haben auf dem Zwergplaneten Pluto vermutlich gewaltige Eismassen und vielleicht sogar ein unterirdischer Ozean die Planetenachse stark gekippt. Beim Mars fällt dieser Effekt geringer aus. Die meisten Marsgeologen gehen mittlerweile davon aus, dass das Tharsis-Vulkanareal nicht allzu weit vom Äquator gewachsen ist.
"Die Entstehung der Tharsis-Region hat die Pole vermutlich um rund 20 Grad verschoben, aber das reicht nicht aus, um die beobachteten Höhenunterschiede bei den Küstenlinien zu erklären", sagt Robert Citron von der University of Berkeley, der Erstautor der nun in "Nature" erschienenen Veröffentlichung.
Die Rolle der Lava
Citron und seine Kollegen gehen davon aus, dass es beim Mars vor allem die immensen Lavamassen der Vulkane waren, die das umliegende Gelände verformten. Entscheidend sei hierbei der Zeitpunkt der Entstehung eines großen Marsmeeres. Möglicherweise bildete es sich bereits vor oder ungefähr zeitgleich mit der Tharsis-Region und nicht danach, wie bisher angenommen. So konnte das Vulkanareal bei seinem schubweisen Wachstum das Ozeanbett immer wieder umformen.
Für ihre Studie modellierten die Forscher den Einfluss von Tharsis auf zwei große Ozeane, die es auf dem Mars gegeben haben könnte: Die starke Verformung der Küstenlinie des ersten Ozeans – "Arabia" genannt – lässt sich den Forschern zufolge durch die Vulkanaktivität und das Wandern der Planetenachse erklären, weshalb es wahrscheinlich sei, dass sich das Meer bereits vor vier Milliarden Jahren bildete, also vor Tharsis oder zu einem frühen Zeitpunkt seiner Entstehung.
Ozeane früher als gedacht
Der zweite Ozean mit dem Namen "Deuteronilus", der Arabia ablöste, sei hingegen erst vor rund 3,6 Milliarden Jahren entstanden. Seine Küstenlinie lässt sich allein durch Lavaströme einer bereits großen Vulkanregion erklären, so die Forscher. Wenn diese Annahmen zutreffen, hätte der Mars schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Geschichte unseres Sonnensystems einen Ozean besessen, der einen großen Teil seiner Nordhalbkugel bedeckte.
Die Altersbestimmung der dazugehörigen Gesteinsformationen ist allerdings nicht ganz einfach, weshalb Raum für Diskussionen bleiben dürfte. Neue Erkenntnisse zu diesen Problemen erhoffen sich die Planetenforscher unter anderem von der kommenden NASA-Marsmission "InSight", die in gut einem Monat starten und unter anderem ein Seismometer auf die Marsoberfläche setzen soll. Damit wollen die Wissenschaftler seismische Wellen aufspüren, die auf gefrorenes Wasser im Untergrund schließen lassen – Hinterlassenschaft eines verloren gegangenen Ozeans.
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