Biomechanik : Die tödliche Falle der Venus
Sie bestechen mit ihrer gruseligen Schönheit: die Klappblätter der Fleisch fressenden Venusfliegenfalle, obwohl die anspruchsvollen Pflänzchen nur äußerst schwer in der Wohnung zu halten sind. Vielleicht hat es deshalb so lange gedauert, bis Wissenschaftler dem Mechanismus ihres Fangkäfigs auf die Spur gekommen sind.
Viele werden sich noch mit klopfendem Herzen an diese Szene erinnern: Flip, der Grashüpfer, ist beim fröhlichen Hüh-Hüpfen in die Fangblätter einer Venusfliegenfalle geraten. Blitzschnell klappte diese zu, erst im allerletzten Moment gelang es Flip, sich mit seinen sechs Beinen gegen die Blattteile zu stemmen und zu verhindern, dass die Pflanze ihn ganz und gar einschloss. Vor bangen Kinderaugen kämpfte er so endlos erscheinende Minuten, bis Maja und ihre Freunde ihn – ein Glück! – schließlich gerade noch vor den gluckernden Verdauungssäften retten können.
"Wie konnte das nur passieren?", fragte man sich als Kind, wo Flip doch so flink hüh-hüpfen konnte. Wie konnte eine Pflanze, deren biologisches Reich sich für gewöhnlich nicht gerade durch rasante Action auszeichnet, schneller zupacken, als ein Grashüpfer entflieht? Einfache Frage – schwierige Antwort. So schwierig, dass nicht nur die Eltern keine Auskunft geben konnten, sondern die Wissenschaft insgesamt vor einem Rätsel stand. Zwar wusste sie von kleinen Härchen, die Signale weitergeben, biochemischen Signalkaskaden und elektrochemischen Aktionspotenzialen. Doch dabei handelte es sich mehr um das Achtung-Fertig-Los! Die eigentliche Schnappbewegung war damit nicht zu erklären.
Da hätte man schon früher drauf kommen können, mögen Sie nun denken, denn schließlich hat bereits Charles Darwin bemerkt, dass die geöffneten Fangblätter nach außen gebogen sind, die geschlossenen aber nach innen. Was Darwin fehlte, waren jedoch die Zwischenzustände, denn die hungrige Venus klappt in wenig mehr als einer Zehntelsekunde zu. Mit bloßem Auge ist das nicht zu verfolgen, wohl aber mit der speziellen Hochgeschwindigkeitskamera der modernen Forscher, die 400 Bilder pro Sekunde schaffte. Um die Bewegung besonders gut hervorzuheben, tupften sie winzige Pünktchen eines fluoreszierenden Farbstoffs auf die Außenseite der Blätter. Ein kleiner Spiegel lieferte dann noch einen zweiten Blickwinkel für stereoskopische Bilder.
Die Zeitlupenfilme offenbarten einen dreiphasigen Ablauf. Zunächst schließt die Pflanze in "langsamen" 0,3 Sekunden ihre Blätter ein klein wenig. Dieser Teil ist nach Ansicht der Wissenschaftler vermutlich aktiv durch unbekannte biochemische Vorgänge gesteuert. An einem bestimmten Punkt übernehmen aufgestaute mechanische Kräfte im Blatt die Initiative. Langgestreckte Zellen mit verstärkenden Mikrofibrillen in den Zellwänden, die bis dahin unter Spannung standen, können sich nun endlich zusammenziehen. Innerhalb einer Zehntelsekunde klappen sie die Blattfläche in eine einwärts gerichtete Krümmung – der Käfig ist dadurch zu etwa achtzig Prozent geschlossen. Der restliche Weg verläuft wieder langsamer, womöglich gedämpft durch den Druck des Wassers in den Zellen.
Ihr Trick mit der mechanischen Spannung ermöglicht es der Venusfliegenfalle also, sich auf das kleine Stückchen am Anfang zu konzentrieren, bis die gebogenen Blätter am Umschlagpunkt angelangt sind. Danach geschieht alles blitzschnell von selber. Genau wie bei weichen Kontaktlinsen, die zu gerne immer dann umklappen, wenn man es eilig hat und sie besonders schnell ins Auge setzen möchte. Offenbar gibt es eine unheilvolle Verbindung von Tempo und konkav-konvexen Flächen. Und bestimmt wäre Darwin schon längst der Venusfliegenfalle auf die Schliche gekommen – wenn er denn weiche Kontaktlinsen getragen hätte.
"Wie konnte das nur passieren?", fragte man sich als Kind, wo Flip doch so flink hüh-hüpfen konnte. Wie konnte eine Pflanze, deren biologisches Reich sich für gewöhnlich nicht gerade durch rasante Action auszeichnet, schneller zupacken, als ein Grashüpfer entflieht? Einfache Frage – schwierige Antwort. So schwierig, dass nicht nur die Eltern keine Auskunft geben konnten, sondern die Wissenschaft insgesamt vor einem Rätsel stand. Zwar wusste sie von kleinen Härchen, die Signale weitergeben, biochemischen Signalkaskaden und elektrochemischen Aktionspotenzialen. Doch dabei handelte es sich mehr um das Achtung-Fertig-Los! Die eigentliche Schnappbewegung war damit nicht zu erklären.
Nun endlich, nach rund dreißig Jahren, gibt es eine Antwort für die Kinder von einst. Ein internationales Forscherteam um Yoël Forterre von der Université de Provence in Marseille hat der Venusfliegenfalle beim Zuschnappen ganz genau auf die Blätter geguckt und die Abläufe im Computer nachgestellt. Das Ergebnis: Im Prinzip machen Venusfliegenfallen das gleiche wie widerspenstige weiche Kontaktlinsen – sie klappen um.
Da hätte man schon früher drauf kommen können, mögen Sie nun denken, denn schließlich hat bereits Charles Darwin bemerkt, dass die geöffneten Fangblätter nach außen gebogen sind, die geschlossenen aber nach innen. Was Darwin fehlte, waren jedoch die Zwischenzustände, denn die hungrige Venus klappt in wenig mehr als einer Zehntelsekunde zu. Mit bloßem Auge ist das nicht zu verfolgen, wohl aber mit der speziellen Hochgeschwindigkeitskamera der modernen Forscher, die 400 Bilder pro Sekunde schaffte. Um die Bewegung besonders gut hervorzuheben, tupften sie winzige Pünktchen eines fluoreszierenden Farbstoffs auf die Außenseite der Blätter. Ein kleiner Spiegel lieferte dann noch einen zweiten Blickwinkel für stereoskopische Bilder.
Die Zeitlupenfilme offenbarten einen dreiphasigen Ablauf. Zunächst schließt die Pflanze in "langsamen" 0,3 Sekunden ihre Blätter ein klein wenig. Dieser Teil ist nach Ansicht der Wissenschaftler vermutlich aktiv durch unbekannte biochemische Vorgänge gesteuert. An einem bestimmten Punkt übernehmen aufgestaute mechanische Kräfte im Blatt die Initiative. Langgestreckte Zellen mit verstärkenden Mikrofibrillen in den Zellwänden, die bis dahin unter Spannung standen, können sich nun endlich zusammenziehen. Innerhalb einer Zehntelsekunde klappen sie die Blattfläche in eine einwärts gerichtete Krümmung – der Käfig ist dadurch zu etwa achtzig Prozent geschlossen. Der restliche Weg verläuft wieder langsamer, womöglich gedämpft durch den Druck des Wassers in den Zellen.
Ihr Trick mit der mechanischen Spannung ermöglicht es der Venusfliegenfalle also, sich auf das kleine Stückchen am Anfang zu konzentrieren, bis die gebogenen Blätter am Umschlagpunkt angelangt sind. Danach geschieht alles blitzschnell von selber. Genau wie bei weichen Kontaktlinsen, die zu gerne immer dann umklappen, wenn man es eilig hat und sie besonders schnell ins Auge setzen möchte. Offenbar gibt es eine unheilvolle Verbindung von Tempo und konkav-konvexen Flächen. Und bestimmt wäre Darwin schon längst der Venusfliegenfalle auf die Schliche gekommen – wenn er denn weiche Kontaktlinsen getragen hätte.
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