Direkt zum Inhalt

News: Die Venus im Röntgenlicht

Aufgrund ihrer Nähe zur Sonne macht es die Venus den Astronomen nicht leicht, sie mit einem Röntgenteleskop zu beobachten. Doch mit Chandra und Dank eines speziellen Transmissionsgitters gelang es nun doch, das Fluoreszenzleuchten zu untersuchen, das die Elemente der Venus-Atmosphäre emittieren.
Röntgenbild der Venus
Die Venus umrundet die Sonne in einer durchschnittlichen Entfernung von 108 Millionen Kilometern, also innerhalb der Erdbahn. Der Planet entfernt sich von uns aus gesehen also niemals weiter als 48 Grad von der Sonne, weshalb wir ihn auch als hellen Morgen- oder Abendstern am östlichen oder westlichen Dämmerungshimmel, aber niemals um Mitternacht hoch im Süden stehenden sehen.

Wenngleich die Venus für das Auge leicht auszumachen ist, so ist der geringe Winkelabstand zur Sonne doch ein Problem: Denn die meisten Röntgensatelliten benötigen einen Winkelabstand von 90 Grad zur Sonne, um das jeweilige Objekt unbehelligt beobachten zu können – ansonsten stört das solare Streulicht. Anders verhält es sich jedoch mit dem Röntgensatellit Chandra. Sein Beobachtungsinstrument kann sich bis auf 45 Grad Winkelabstand an die Sonne "herantasten". Für die Venus reicht das also gerade aus. Allerdings muss sie sich im maximalen Sonnenabstand befinden, was etwa alle 19 Monate zwei Mal hintereinander vorkommt. Im Januar 2001 war dies der Fall: Die Venus glänzte als heller Abendstern und zeigte sich im Fernrohr als "Halbmond". Und auch Chandra konnte jetzt den zweiten Planeten des Sonnensystems ins Visier nehmen.

Doch ein zweites Problem galt es noch zu lösen: Da die Venus-Atmosphäre sehr dicht ist, reflektiert sie einen großen Teil des eintreffenden Sonnenlichts in den Weltraum. Deswegen erscheint sie zwar sehr hell, was ihre Beobachtungen im optischen Bereich so einfach macht, doch andererseits verfälscht die große Leuchtkraft das Röntgensignal. Das empfangene Licht muss also gefiltert werden. Dabei dürfen die Filter zur "Dämpfung" jedoch nicht zu dicht sein, da sie sonst nicht nur das sichtbare Licht, sondern auch die Röntgenstrahlung schwächen. Die Filter an Bord von Chandra sind nun so ausgelegt, dass sie für die meisten Röntgenquellen das optische Licht ausreichend unterdrücken. Bei der Venus jedoch lässt auch der dichteste Filter noch etwas Licht hindurch, was sich zwar auf die Röntgenbilder nicht sonderlich auswirkt, aber spektrale Untersuchungen beeinträchtigt, bei denen die Strahlung nach Wellenlängen zerlegt wird.

Um dieses Problem zu umgehen, bedienten sich die Forscher um Konrad Dennerl vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching eines speziellen Transmissionsgitters, das die vom Teleskop eingefangene Strahlung in verschiedene Richtungen lenkt. So ließ sich das optische Licht auf Bereiche außerhalb des Röntgendetektors leiten, wo es nicht mehr stören konnte. Gleichzeitig ermöglichte das Gitter auch eine genaue Analyse des Röntgenspektrums. Dabei zeigte sich, dass die Röntgenstrahlung im Wesentlichen auf nur zwei Wellenlängen konzentriert ist, die genau den Röntgen-Fluoreszenzlinien von Sauerstoff und Kohlenstoff entsprechen, den Hauptbestandteilen in der Kohlendioxid-Atmosphäre der Venus. Doch wie kommt es dort zur Fluoreszenz?

Die Energie dazu liefert die Sonne: Von ihr stammen die Röntgenphotonen, die aus den Sauerstoff- und Kohlenstoffatomen jeweils ein Elektron herauskatapultieren. Nachrückende Elektronen besetzen diese frei gewordenen Plätze sofort wieder, wobei die beobachtete Fluoreszenz-Strahlung emittiert wird. Die Stärke der registrierten Röntgenstrahlung betrug jedoch nur ein Zehnmilliardstel der optischen Strahlung – nur etwa alle 40 Sekunden fing der Detektor ein Röntgenphoton auf. Aus diesem Grund musste Chandra die Venus auch drei Stunden lang im Auge behalten. Während dieser Zeit bewegten sich Venus und Erde auf ihren Bahnen um die Sonne, und Chandra kreiste um die Erde. Diese Choreografie ließ das Röntgenbild der Venus um das Zwanzigfache ihres Durchmessers im Teleskop weiter wandern. Um dennoch ein scharfes Bild zu erhalten, mussten die Wissenschaftler die Photonen einzeln bezüglich dieser Bewegung korrigieren und den CCD-Detektor alle drei Sekunden auslesen.

Und so entstand schließlich aus einzelnen Röntgenquanten ein Bild der Venus: Anders als optische Fotos, zeigt das Röntgenbild eine starke Aufhellung des der Sonne zugewandten Planetenrandes. Diesen Effekt haben Forscher des MPE am Computer detailgetreu simuliert. "Die Röntgenfluoreszenz-Strahlung ist in Höhen von 120 bis 140 Kilometern am kräftigsten. Im Röntgenbereich ist die von der Sonne beschienene Halbkugel der Venus von einer nahezu durchsichtigen leuchtenden Schale umgeben, die am Rand am hellsten erscheint, da wir dort am meisten von der leuchtenden Materie sehen", erklärt Konrad Dennerl. Die Eigenschaften dieser oberen atmosphärischen Schichten, der Thermosphäre und der Exosphäre, lassen sich somit durch Röntgenbeobachtungen gut untersuchen.

Weiterhin stellten die Forscher fest, dass die Wechselwirkung der schweren, hoch ionisierten Atome des Sonnenwinds mit der Atmosphäre bei der Venus offenbar nur eine untergeordnete Rolle spielt – im Gegensatz zur Röntgenstrahlung von Kometen. "Dies liegt vor allem daran", so Dennerl, "dass das Gas in der Atmosphäre erheblich dichter und konzentrierter ist als in der Koma eines Kometen".

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.