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News: Dioxin - das berühmte Gift

'Ultragift', 'Seveso-Gift' - So oder ähnlich werden seit mehr als zwanzig Jahren in der Öffentlichkeit die ursprünglich in Herbiziden und Entlaubungsmittel (Agent Orange) eingesetzten Dioxine bezeichnet. Bei der gesamten Substanzgruppe handelt es sich um sogenannte chlorierte Arylalkylcarbonsäuren. Sie sind überall in der Umwelt vorhanden. Die moderne Chlorchemie ist eine Quelle dafür, Dioxine wurden aber auch in mehrere hundert Jahre alten Bodenproben festgestellt. Die WHO hat übrigens 1990 die Grenzwerte hinaufgesetzt, um sie schließlich wieder zu senken. Die Diskussion über die Substanzen geht aber weiter. Nicht zuletzt wegen ständiger Skandale um Dioxine in Eiern und im Fleisch.
Insgesamt sind rund 210 solcher chemischer Verbindungen bekannt, allen voran 2,3,7,8-TCDD (Tetrachlordibenzo-p-Dioxin). Dabei handelt es sich um jene Substanz, die sich nach einem technischen Fehler bei der Herstellung des Desinfektionsmittels Hexachlorophen am 10. Juli 1976 im Chemiewerk Icmesa S.A. (Hoffmann-La Roche) in Seveso (Lombardei) in Form einer giftigen Wolke über die Region ausbreitete und für die bis dahin größte Chemie-Katastrophe sorgte. Unter 220 000 Personen, die damals untersucht wurden, wurden 447 Fälle von Hautverätzungen sowie bei 165 Kindern und 28 Erwachsenen die gefürchtete Chlorakne festgestellt. Die Rate der Leukämie- und Lymphomerkrankungen stieg in der betroffenen Region auf das Doppelte, die Erkrankungsrate bei Gallenblasen- und Gallengangkrebs auf das Fünffache.

Unbestritten ist, daß die Dioxine und chemisch verwandte Stoffe zu den giftigsten organischen Verbindungen gehören. Akute Vergiftungen schädigen vor allem die Leber (Leberkoma). Bei den Hautkomplikationen sind die langwierigen Entzündungen der Talgdrüsen (Chlorakne) bekannt. Diese Stoffe können die Entstehung von Krebs fördern, sie verursachen Fehlbildungen bei Ungeborenen (teratogen).

Chlor-Chemie, Müllverbrennung (Kunststoffe), Stahlindustrie, ehemals auch die Papierbleiche mit Chlor etc. haben im Zusammenhang mit Dioxinen seit "Seveso" regelmäßig für Diskussionen in der Öffentlichkeit gesorgt. Anfang der neunziger Jahre wies der schwedische Dioxin-Spezialist Christoffer Rappe nach, daß Menschen in der BRD pro Tag mit ihrem "Lebensmittelkorb" etwa 1,2 Pikogramm (billionstel Gramm) Dioxin aufnahmen.

Aus der jüngeren Vergangenheit sind im Zusammenhang mit Lebensmittel vor allem Probleme mit Milch und Milchprodukten aus Frankreich bekanntgeworden. So durfte Ende März 1998 beispielsweise die Milch von 16 Erzeugern in Nordfrankreich (Lille) nicht mehr verkauft werden. Die Schuld wurde dort Müllverbrennungsanlagen gegeben. Im Mai 1998 stellten französische Umweltorganisationen bei Tests in Fleisch erhöhte Werte von Dioxin fest. Der Mensch nimmt Dioxin vor allem mit der Nahrung auf.

Auf der anderen Seite setzte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach intensiven Beratungen bei einer Tagung in den Niederlanden im Jahr 1990 den Grenzwert der täglichen Aufnahme von Dioxin von vier auf zehn Pikogramm pro Kilogramm Körpergewicht hinauf.

Das hielt bis Ende Mai 1998: Bei einer Versammlung von vierzig Fachleuten aus 15 Staaten in Genf wurde der Grenzwert der täglichen Aufnahme an Dioxinen wieder auf ein bis vier Pikogramm pro Kilogramm Körpergewicht gesenkt. Die Begründung laut einer Presseaussendung der Weltgesundheitsorganisation Anfang Juni 1998: "Die Fachleute berücksichtigten dabei die subtilen Effekte [der Substanzen], die bereits in der breiten Bevölkerung in entwickelten Staaten eintreten können, wo die 'Hintergrundbelastung' [im Körper] bereits zwei bis sechs Pikogramm betragen kann. Deshalb empfahlen sie, alle Maßnahmen zur Reduzierung der Belastung auf ein möglich geringes Maß zu ergreifen."

Die jüngsten Schreckensmeldungen über Dioxin in Eiern und Fleisch aus Belgien braucht nach Aussage von Thomas Schlicht vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin die Bürger nicht zu beunruhigen. Gesundheitsschäden seien erst nach jahrelangem Verzehr zu erwarten. "Das Risiko, körperliche Schäden durch den auf einige Monate begrenzten Verzehr Dioxin-kontaminierter Nahrungsmittel davonzutragen, ist gering", sagt er. Zudem sollen die verdächtigen Produkte auf jeden Fall aus den Supermärkten verschwinden.

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