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News: Ein Gen macht gesellig

Wissenschaftlern ist es gelungen, eine ungesellige, polygame Maus zu einem sozialen, treuen Lebensgenossen zu machen - indem sie ihr ein Gen einer geselligen Wühlmausart einpflanzten. Der Schlüssel zum Erfolg ist ein Hormon- Rezeptor, dessen Verteilung im Gehirn der Tiere anscheinend die sozialen Verhaltensweisen bestimmt.
Microtus ochrogaster, eine der häufigsten Wühlmausarten der nordamerikanischen Prärie, ist für ihr geselliges Leben und die Treue zu einem Partner bekannt. Tom Insel und Larry Young von der Emory University hatten bereits in früheren Untersuchungen festgestellt, daß diese Verhaltensweisen durch Vasopressin beeinflußt wird, ein Peptid-Hormon, das in den Gehirnen der meisten Säugetiere – auch bei Menschen – produziert wird. Entscheidend ist jedoch nicht die Konzentration des Hormons, sondern die Verteilung der Rezeptoren im Gehirn. Bei Wühlmäusen wirkt sie sich auf das soziale und das Fortpflanzungsverhalten der Männchen aus, wobei zwischen polygamen und monogamen Tieren deutliche Unterschiede existieren.

In neuen Experimenten, die am 19. August 1999 in Nature veröffentlicht wurden, pflanzten die Wissenschaftler das Gen für den Vasopressin-Rezeptor in eine polygame und nicht gesellig lebende Maus ein. "Diese transgenen Mäuse überraschten uns wirklich", sagt Young. "Sie wiesen nicht nur dasselbe Muster der Vasopressin-Rezeptoren wie die gewöhnlichen Prärie-Wühlmäuse auf, sondern zeigten auch deren Verhalten." Die Tiere entwickelten nun auch engere soziale Kontakte zu weiblichen Artgenossen, wenn die Forscher ihnen Vasopressin verabreichten.

Insel und Young analysierten die DNA der Vasopressin-Rezeptor-Gene verschiedener Wühlmausarten. Die Sequenz von monogamen und gesellig lebenden Arten enthielt einen langen Einschub in der Promotor-Region. Wissenschaftler nehmen an, daß dieser Abschnitt bestimmt, wann und wo ein Gen an- und abgeschaltet wird. Die einzelgängerisch lebenden Verwandten wiesen diese DNA-Sequenz dagegen nicht auf.

Die Wissenschaftler pflanzten das Vasopressin-Rezeptor-Gen mit dem eingeschobenen langen DNA-Abschnitt in das Genom von Mäusen ein, die normalerweise kein geselliges Verhalten zeigen. Das Ergebnis zeigt, daß allein dieser genetische Unterschied indirekt das Verhalten der Tiere bestimmt. "Es ist faszinierend, daß eine Veränderung in der Sequenz des Promotors ein anderes Verteilungsmuster der Rezeptoren im Gehirn verursacht und zu so grundlegenden Unterschieden in etwas so Komplexem wie dem sozialen Verhalten führt", sagt Insel.

An der Entstehung der Monogamie waren jedoch wahrscheinlich viele Gene beteiligt. "Vielleicht wird sich herausstellen, daß in der Evolution mehrmals Mutationen in diesem Gen aufgetreten sind, die zu Veränderungen in sozialen Wechselwirkungen geführt und die Monogamie bei speziellen sozio-ökologischen Bedingungen gefördert haben", meint Insel. Die beiden Wissenschaftler haben kürzlich auch Vasopressin-Rezeptoren in Menschenaffen untersucht und wollen ihre Forschung nun auch auf Menschen ausdehnen.

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