News: Ein relativ cleveres Gehirn
Ein hervorstechendes Merkmal von Einsteins Gehirn sind die ungewöhnlich großen Scheitellappen, die auf beiden Seiten des Kopfes etwa knapp hinter den Ohren lokalisiert sind. Sie sind dafür verantwortlich, daß der Physiker über ein recht rundes Hirn verfügte, das gut 15 Prozent voluminöser war als bei den meisten Leuten. Modernen bildgebenden Verfahren zufolge spielen die Scheitellappen eine entscheidende Rolle beim räumlichen Vorstellungsvermögen und beim mathematischen Denken. Die Wissenschaftler meinen, daß "größer auch besser ist". Ihrer Ansicht nach sorgt eine vergrößerte Hirnregion dafür, daß der betreffende Mensch Aufgaben, die dort verarbeitet werden, besonders gut lösen kann.
Über den rein quantitativen Unterschied hinaus war Einsteins Gehirn auch in einem wichtigen Punkt anders strukturiert als üblich: Der untere Bereich des Scheitellappens war nicht durch eine große Furche geteilt. Kein einziges der 91 Kontrollgehirne, die Witelson direkt verglichen hat, und keines der über einhundert Hirne in anatomischen Atlanten glich darin Einsteins Organ. Die Neurowissenschaftlerin vermutet daher, diese fehlende Kluft "könnte ihm seine Brillanz ermöglicht haben und seine Fähigkeit, räumliche Anordnungen in mathematische Konzepte umzusetzen", da die Nerven auf ungewöhnliche Weise miteinander verknüpft werden konnten.
Der Zoologe David Ankney von der University of Western Ontario in London, Kanada, ist begeistert von den Ergebnissen. "Es ist ein richtiger Weg, um höhere kognitive Funktionen zu lokalisieren," sagt er, "der uns eines Tages helfen könnte, die menschliche Intelligenz vollständig zu verstehen und warum manche Menschen bei bestimmten Dingen so viel besser sind als andere." Seiner Ansicht nach wäre der nächste logische Schritt, mit Hightech-Geräten nach weiteren Besonderheiten in genialen Köpfen zu suchen. Doch ob dies zum Erfolg führen wird, bleibt abzuwarten. Die Geschichte der Hirnforschung zeigt, daß dem Denken nicht so leicht in die Karten zu schauen ist, wie Forscher manchmal denken.
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.