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News: Eine für alle

Es ist geschafft: Das vollständige Erbgut der Ackerschmalwand ist entziffert. Damit verfügen Genetiker erstmalig über die komplette Genomsequenz einer Blütenpflanze. Das unscheinbare Pflänzchen dient, wie die Taufliege, als Modell - nicht nur für alle Pflanzen, sondern generell für höhere Organismen.
Das "Haustier" der Botaniker heißt Arabidopsis thaliana. Die Ackerschmalwand, ein kleines Wildkraut aus der Familie der Kreuzblütengewächse, hat sich in den letzten Jahren zum Modellorganismus der Pflanzengenetiker gemausert. Sie ist so beliebt, weil sie verhältnismäßig klein ist und sich mit einer Generationszeit von nur etwa sechs Wochen leicht kultivieren lässt. Auch die Gesamtheit des Erbgutes – das Genom – macht auf die Genetiker einen überschaubaren Eindruck. Es besteht aus "nur" etwa 125 Millionen Basenpaaren, verteilt auf fünf Chromosomen – im Vergleich zu den schätzungsweise 15 Milliarden Basenpaaren des Weizens eine Kleinigkeit.

Ein internationales Team mit Wissenschaftlern aus den USA, Japan, Deutschland, Frankreich und Großbritannien schloss sich 1996 zur Arabidopsis Genome Initiative zusammen, um das genetische Geheimnis des Krautes zu lüften. Die Sequenzen der Chromosomen 2 und 4 konnten die Wissenschaftler bereits 1999 veröffentlichen – jetzt folgen die noch fehlenden Chromosomen 1, 3 und 5 (Nature vom 14. Oktober 2000). Damit ist Arabidopsis – nach der Hefe Saccharomyces cerevisiae, dem Nematoden Caenorhabditis elegans und der Taufliege Drosophila melanogaster – der vierte eukaryote Organismus, dessen Genom bekannt ist. Im Reich der prokaryoten Mikroorganismen kennen die Genetiker dagegen schon die Genome von mehr als 30 Bakterien.

Insgesamt 25 498 Gene fanden die Forscher im Erbgut der Pflanze. Dabei erlebten sie einige Überraschungen. Auf Grund der Kleinheit des Genoms erwarteten sie, dass sich nur wenige Stellen wiederholen. Wie sich jedoch zeigte, beträgt der Anteil repetitiver Sequenzen mindestens 70 Prozent. Die Anzahl sich unterscheidender Gene sank damit auf etwa 15 000. Die Wissenschaftler vermuten, dass der hohe Anteil sich wiederholender Sequenzen auf frühere Vervielfachungen des Chromosomensatzes zurückzuführen ist. Solch eine Polyploidie ist bei Pflanzen durchaus nicht ungewöhnlich, so ist der Saatweizen Triticum aestivum hexaploid, hat also den sechsfachen Chromosomensatz. In der Evolution von Arabidopsis vervielfältigte sich das Genom vermutlich zweimal: vor etwa 180 Millionen und vor etwa 112 Millionen Jahren. Später verdoppelten sich einzelne Gene, andere gingen wiederum verloren, die Chromosomen arrangierten sich neu, sodass schließlich das heutige relativ kleine Genom mit fünf dicht gepackten Chromosomen entstand.

Das Erbgut der Ackerschmalwand stimmt im hohen Maße mit den bereits entschlüsselten Genomen anderer Organismen überein. Seine 15 000 Gene sind nur wenig mehr als die 13 601 von Drosophila und etwas weniger als die 18 424 von Caenorhabditis. Obwohl die drei Organismen scheinbar nur wenig gemeinsam haben, entsprechen sich ihre Gene in weiten Zügen. Hier spiegelt sich der gemeinsame Vorfahre aller Pflanzen und Tiere wider.

Interessant waren für die Wissenschaftler auch die Gene des Sekundärstoffwechsels. Hierbei handelt es sich um artspezifische Stoffwechselwege, die nur in Pflanzen auftreten und zu typischen Produkten wie Farb- und Geruchsstoffen oder auch zu verschiedenen Giften führen. Etliche dieser Verbindungen bilden die Grundlage vieler Medikamente. Trotz der hohen Vielfalt dieser Moleküle im Pflanzenreich enthält das Arabidopsis-Genom bereits die Informationen, um Vorstufen für die meisten Sekundärmetabolite zu bilden. Die chemischen Unterschiede zwischen den Verbindungen der einzelnen Pflanzenarten entstehen erst durch spätere Veränderungen der Ausgangsmoleküle.

Nach der Entschlüsselung können sich die Genetiker jedoch nicht entspannt zurücklehnen – die eigentliche Arbeit fängt jetzt erst an. "Mit dem Genom in der Hand kommt als nächste Herausforderung die Erforschung der Rolle der einzelnen Arabidopsis-Proteine", meint Virginia Walbot vom Department of Biological Sciences der Stanford University. Auch Lothar Willmitzer vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Golm betont die zu bewältigende Aufgabe: "Wir haben jetzt die Buchstaben des 'Buches Arabidopsis' in der Hand und vielleicht noch einige Wörter. Bis wir das ganze Buch lesen können, vergehen aber mindestens noch 10 bis 20 Jahre."

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