News: Eine neue Ära der Verhütung?
Wieviele Frauen sich für diesen langanhaltenden Eingriff in ihren Hormonhaushalt erwärmen können, steht allerdings noch nicht fest. Aber mit der Einnahme der Transmittersubstanzen hat die Mehrheit offenbar keine Probleme, denn noch immer ist die Pille das beliebteste Verhütungsmittel. Laut einer 1998 durchgeführten Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verlassen sich rund 58 Prozent der Frauen in Deutschland auf diese Präparate.
Die am häufigsten verschriebene Mikropille enthält ein Gemisch aus Östrogenen und Gestagenen in niedriger Dosierung. Diese Verhütungsmittel haben allerdings den Nachteil, dass ihr Östrogenanteil unangenehme Nebenwirkungen haben kann. So steigt unter anderem das Thromboserisiko bei übergewichtigen Personen stark an. Diesen Effekt zeigen Minipillen, die kein Östrogen enthalten und deren schützende Wirkung allein auf einem Gelbkörperhormon basieren, jedoch nicht. Allerdings haben sie den deutlichen Nachteil, dass sie täglich zum exakt gleichen Zeitpunkt genommen werden müssen – schon eine Verschiebung von nur drei Stunden kann die Effektivität beeinflussen. Also stellen sie nicht das Mittel der Wahl für Vergessliche dar.
Wer nicht täglich an das Einnehmen der Pille denken möchte, kann sich eine Depotspritze setzen lassen, die für drei Monate ebenfalls durch Gelbkörperhormone eine Schwangerschaft verhütet. Das bisher nachhaltigste Mittel – abgesehen von der Sterilisation – ist die Spirale, die man getrost für vier bis fünf Jahre tragen kann. Aber diese Sorgenfreiheit hat auch seinen Preis, denn das Verhütungsmittel kann mitunter zu unangenehmen Infektionen im Genitaltrakt und sogar zu Eileiterschwangerschaften führen.
Mit solchen Problemen müssen sich Frauen, die Implanon verwenden, nicht herumschlagen. Das vier Zentimeter lange und zwei Millimeter breite Ethylenvinylacetat-Stäbchen enthält 68 Milligramm Etonogestrel. Diese aktive Form des Gestagens Desogestrel, das in verschiedenen Pillen verwendet wird, ist in dem speziellen Kunststoff des Stäbchens eingelagert. Nach der Implantation setzt es dann langsam und gleichmäßig winzige Mengen des Hormons (durchschnittlich 40 Mikrogramm pro Tag) frei.
Der beständige niedrige Gestagenspiegel verhindert eine Schwangerschaft auf mehrere Weisen. Zum einen verdickt das Gelbkörperhormon den Gebärmutterhals-Schleim, was ein Vordringen der Spermien stark behindert. Zum anderen hemmt es den Eisprung der Frau durch die negative Rückkopplung auf das Hypothalamus-Hypophysen-System, das somit an der Produktion der für einen neuen Zyklus nötigen Hormone gehindert wird. Daher tritt bei Frauen, die das Stäbchen tragen, in den ersten zwei Jahren keine, am Ende des dritten dagegen in seltenen Fällen eine Ovulation auf.
Das Präparat schützt anscheinend sehr sicher, denn in einer internationalen Studie, an der fast 2500 Frauen teilnahmen, kam es laut Herstellerangaben mit dem Hormonstäbchen in über 76 000 Monatszyklen zu keiner einzigen Schwangerschaft. Verglichen mit der Mikropille, trotz deren Einnahme immerhin noch 0,3 – 0,5 Prozent der Frauen schwanger werden, ist das ein sehr gutes Ergebnis. Ein Kondom ist dagegen noch unzuverlässiger: Es versagt statistisch bei drei bis sieben Prozent der Frauen, die sich auf Kondome verlassen.
Aber Implanon ist nicht nur zuverlässig, es ist auch einfach zu verwenden. Die Implantation des kleinen Kunststoffstäbchens ist nur ein wenige Minuten dauernder Eingriff bei örtlicher Betäubung. Ein Gynäkologe führt es mit Hilfe einer Einführspritze in den nicht dominanten Oberarm der Frau ein (also zum Beispiel in den linken Arm einer Rechtshänderin). Ebenso schnell ist auch wieder zu entnehmen. Wenn eine Patientin im Laufe der drei Jahre, die das Verhütungsmittel wirksam ist, doch einen Kinderwunsch verspüren sollte, kann es jederzeit wieder entfernt werden. Allerdings ist dieser Meinungsumschwung eine recht teure Sache, da das Hormonstäbchen immerhin 600 Mark kostet.
Aber auch wenn die Eigenschaften des neuen Präparates sehr vielversprechend klingen: "Ein Wundermittel ist Implanon nicht und keineswegs frei von Nebenwirkungen", bemerkt der berliner Gynäkologe Gerd Merder. So kann es zu geringfügiger Gewichtszunahme und zu Akne kommen. Außerdem treten Unregelmäßigkeiten in den Monatsblutungen auf – in einigen Fällen können diese sogar ganz aussetzten, was von den Betroffenen allerdings nicht als unangenehm empfunden wird. Eine Frau, die sich für diese Verhütungsmethode interessiert, sollte sich aber auf jeden Fall gründlich von ihrem Frauenarzt beraten lassen.
"Eine ideale Verhütungsmethode gibt es nicht", erklärte Johannes Bitzer auf der Pressekonferenz des Herstellerunternehmens. "Jede Frau muss für sich individuell die beste Variante finden." Wie wahr! Jede Frau. Was genau ist eigentlich aus der Pille für den Mann geworden? möchte man an dieser Stelle einwerfen. Offenbar wollen sich Männer nicht sehr gern in ihren Hormonhaushalt eingreifen lassen, meint die Medizinerin Andrea Marseille. "Wenn es um ihre Potenz geht, ist da schnell Ende der Fahnenstange."
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 25.1.1999
"Betrogene Eizellen"
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