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Psychopathen: Empathie nur auf Kommando

Der Schmerz der anderen

Die Fähigkeit, die Gefühle eines Gegenübers mitzuerleben, äußert sich – aus Sicht eines Hirnforschers – in der Aktivität bestimmter Hirnareale. Oft handelt es sich dabei um dieselben Regionen, die auch auf den Plan treten, wenn wir die beobachteten Emotionen selbst erleben: Man nimmt daher das Gefühl eines anderen in gewissen Grenzen so wahr, wie man es selbst erlebt hätte. Wie stark die entsprechenden Regionen bei Hirnscans aufleuchten, liefert dabei nach Meinung von Forschern ein Maß für das empathische Empfinden eines Probanden.

Seit Langem wird vermutet, dass bei Psychopathen dieses Einfühlungsvermögen besonders schwach ausgeprägt ist, was erklären würde, warum sie ohne schlechtes Gefühl oder Mitleid mit dem Opfer gezielt Gewalt einsetzen können. Dieser Unterschied zum Normalbürger trat nun auch bei einer Hirnscanneruntersuchung eines Teams von Forschern um Christian Keysers von der niederländischen Universität Groningen erwartungsgemäß deutlich zu Tage.

Mitgefühl auf Anweisung | Links dargestellt sind Szenen aus den Filmen, mit denen die Forscher das Empathieempfinden ihrer Probanden testeten. Rechts ist im Hintergrund die schwache Hirnaktivität eines Psychopathen beim Betrachten der Filme zu erkennen. Nach der Anweisung, sich in die Dargestellten hineinzudenken (im Vordergund), zeigt sich eine viel stärkere Aktivität.

Vor allem aber entdeckte das Team ein unerwartetes Phänomen: Anders als vielfach angenommen, scheint den Psychopathen nicht generell die Fähigkeit abzugehen, sich in andere einzufühlen. Denn als die Forscher sie im Experiment gezielt aufforderten, mit anderen Personen mitzufühlen, verschwanden die zuvor gemessenen Unterschiede zur Kontrollgruppe weit gehend. Offenbar sind die Psychopathen durchaus empathiefähig, nur zeigen sie diese Reaktion nicht von sich aus.

Konkret wurden den 18 Probanden, bei denen es sich ausnahmslos um inhaftierte Kriminelle mit der Diagnose Psychopathie handelte, kurze Filme gezeigt, während sie einer funktionellen Magnetresonanztomografie unterzogen wurden – einem Verfahren, das Aktivitätsmuster im Gehirn sichtbar macht. Zu sehen gab es jeweils eine Hand, die von der Hand eines anderen Menschen gestreichelt, geschlagen, weggestoßen oder lediglich berührt wurde. Diese Clips sahen die Versuchspersonen sowie eine Kontrollgruppe einmal ohne Anweisung und einmal mit der Aufforderung, mit einer der Personen mitzufühlen, der eine der Hände gehörte. Die Auswertung ergab, dass die messbaren Unterschiede zwischen den Gruppen im zweiten Durchlauf deutlich geringer waren als im ersten.

In einem letzten Durchlauf vollführte die Versuchsleiterin, Keysers Kollegin Harma Meffert, schließlich die gleichen Aktionen an den Händen der Probanden selbst. Dies verriet den Forschern unter anderem, in welchen Hirnregionen sie nach einer Empathiereaktion zu suchen hatten.

Dass Psychopathen ihre Empathie offenbar ein- und wieder ausschalten können, erklärt womöglich, warum manche der Betroffenen trotz des angenommenen Empathiedefizits über beträchtliches Geschick im gesellschaftlichen Umgang und bei der Manipulation anderer verfügen. Es sei durchaus denkbar, dass sie diese Fähigkeit bewusst bemühen, sobald es ihren Zwecken dient. So zeigten die Messungen auch, dass das "Zuschalten" der Empathiefähigkeit mit einer bewussten Neueinschätzung der Situation und Interpretationsvorgängen verbunden war. Über den genauen Mechanismus sind sich die Forscher allerdings noch nicht im Klaren.

Die Ergebnisse könnten einige Auswirkungen auf die Therapie von psychopathischen Störungen haben, spekulieren die Wissenschaftler. Denn womöglich genüge es, die Patienten dazu zu bringen, das Hineindenken in andere zu automatisieren – anders als von manchen gedacht, muss man ihnen Mitgefühl offenbar nicht grundsätzlich beibringen. Der Unterschied zu Nichtpsychopathen könnte dann vielleicht darin bestehen, dass diese entsprechende empathiefördernde Lernprozesse seit frühester Kindheit durchlaufen haben, während das bei den Psychopathen – aus welchen Gründen auch immer – unterblieben ist.

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