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News: Engste Zweckgemeinschaft Zelle

Irgendwann in grauer Vorzeit hatte eine große Zelle ein kleines Bakterium geschluckt und vergessen, es zu verdauen. Und da die beiden nicht nur gut miteinander auskamen, sondern sich sogar vortrefflich ergänzten, lebten sie glücklich und zufrieden und hatten viele, viele Nachkommen - die eukaryontischen Zellen. Doch nach neuen Erkenntnissen sind die höheren Zellen wohl weniger dramatisch und romantisch aus engen Zweckgemeinschaften entstanden.
Eukaryontische Zellen sind in verschiedene Teilräume gegliedert, in denen biochemische Reaktionen ablaufen, die sich sonst gegenseitig stören würden. So findet bei Pflanzen in den Chloroplasten die Photosynthese statt, und Mitochondrien versorgen ihre Zellen mit Energie. Diese Zellorganellen sind von doppelten Membranen umgeben und besitzen ihre eigene kleine DNA, die in mancher Hinsicht mehr an die Erbsubstanz von Bakterien erinnert als an die DNA im Kern der eukaryontischen Zelle. Darum vermuten die Wissenschaftler, daß höhere Zellen entstanden sind, als einer ihrer räuberisch lebenden Vorgänger sich Bakterien zwar einverleibte, sie aber nicht verdaute. Dieser Endosymbionten-Theorie zufolge entwickelte sich eine Partnerschaft zu beiderseitigem Nutzen, in deren Verlauf sich eine gegenseitige Abhängigkeit ausbildete, bis schließlich Mitochondrien und bei Pflanzen Chloroplasten normaler und unverzichtbarer Bestandteil der eukaryontischen Zelle wurden.

Die schöne Theorie geriet ins Wanken, als genetische Analysen von einzelligen Eukaryonten – den Protisten – ergaben, daß die Vorläufer der höheren Zellen möglicherweise schon Mitochondrien besaßen, bevor sie die Fähigkeit entwickelten, andere Zellen zu umschließen.

Eine mögliche Erklärung fiel dem Biochemiker William Martin von der Technischen Universität in Braunschweig ein, als er eines Abends das Bild des Protisten Plagiopyla betrachtete (Nature vom 5. März 1998). Diese einzelligen Eukaryonten spielen den Gastgeber für wasserstoffverbrauchende Bakterien, die zu den Methanogenen gehören. Die Methanogene drängen sich in der Nähe von wasserstofferzeugenden Organellen, sogenannten Hydrogenosomen, die vermutlich mit den Mitochondrien verwandt sind. Martin erkannte, daß die Partnerschaft der Organelle und der Methanogenen, die er im Inneren des Protisten erblickte, der urzeitlichen Verbindung ähneln könnte, die schließlich zur modernen Zelle geführt hat.

Er beriet sich mit Miklós Müller von der Rockefeller University in New York City. Beide kamen zu dem Schluß, daß eine Partnerschaft zwischen einem Vorfahren der Methanogenen und einem wasserstofferzeugenden Eubakterium zur ersten komplexen Zelle geführt haben könnte. Sie glauben, daß die Beziehung zufällig in einer sauerstoffreien und wasserstoffreichen Umgebung begann. Das mikrobielle Paar – ein Partner teilweise vom anderen umgeben – fand sich später weit entfernt von dieser ursprünglichen Umgebung wieder, in der die Methanogenen allein nicht überleben konnten. Dann, so vermuten Martin und Müller, festigte ein Austausch der Gene die Partnerschaft und erlaubte es der Wirtszelle, seinen Gast vollständig zu umschließen. Die neuen Gene ermöglichten den wasserstoffabhängigen Methanogenen, kleine Moleküle zu importieren, Zucker herzustellen und sie für den eingeschlossen Wasserstofferzeuger vorzuverdauen.

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