News: Engste Zweckgemeinschaft Zelle
Die schöne Theorie geriet ins Wanken, als genetische Analysen von einzelligen Eukaryonten – den Protisten – ergaben, daß die Vorläufer der höheren Zellen möglicherweise schon Mitochondrien besaßen, bevor sie die Fähigkeit entwickelten, andere Zellen zu umschließen.
Eine mögliche Erklärung fiel dem Biochemiker William Martin von der Technischen Universität in Braunschweig ein, als er eines Abends das Bild des Protisten Plagiopyla betrachtete (Nature vom 5. März 1998). Diese einzelligen Eukaryonten spielen den Gastgeber für wasserstoffverbrauchende Bakterien, die zu den Methanogenen gehören. Die Methanogene drängen sich in der Nähe von wasserstofferzeugenden Organellen, sogenannten Hydrogenosomen, die vermutlich mit den Mitochondrien verwandt sind. Martin erkannte, daß die Partnerschaft der Organelle und der Methanogenen, die er im Inneren des Protisten erblickte, der urzeitlichen Verbindung ähneln könnte, die schließlich zur modernen Zelle geführt hat.
Er beriet sich mit Miklós Müller von der Rockefeller University in New York City. Beide kamen zu dem Schluß, daß eine Partnerschaft zwischen einem Vorfahren der Methanogenen und einem wasserstofferzeugenden Eubakterium zur ersten komplexen Zelle geführt haben könnte. Sie glauben, daß die Beziehung zufällig in einer sauerstoffreien und wasserstoffreichen Umgebung begann. Das mikrobielle Paar – ein Partner teilweise vom anderen umgeben – fand sich später weit entfernt von dieser ursprünglichen Umgebung wieder, in der die Methanogenen allein nicht überleben konnten. Dann, so vermuten Martin und Müller, festigte ein Austausch der Gene die Partnerschaft und erlaubte es der Wirtszelle, seinen Gast vollständig zu umschließen. Die neuen Gene ermöglichten den wasserstoffabhängigen Methanogenen, kleine Moleküle zu importieren, Zucker herzustellen und sie für den eingeschlossen Wasserstofferzeuger vorzuverdauen.
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