News: Entkleidete Proteinablagerungen
Warum entgehen die falsch gefalteten Proteine der körpereigenen Müllabfuhr? Mark Pepys und seine Kollegen vom Royal Free and University College Medical School in London glauben, dass sich die Proteine gleichsam ein Zaubermäntelchen überstreifen, unter dem sie für die Körperabwehr unsichtbar bleiben. Denn die Amyloidklumpen hüllen sich in das Protein SAP. Entfernt man dieses "Verkleidungsprotein" aus dem Körperkreislauf, könnte der Organismus möglicherweise damit anfangen, dass Amyloid abzubauen und so die Klumpen aufzulösen, vermuten die Forscher.
Als wirksame Waffe hierfür zeichnet sich eine in Zusammenarbeit mit dem Pharmaunternehmen Hoffmann-La Roche entwickeltes neues Medikament aus. Die Substanz CPHPC wirkt, indem sie mehrere SAP-Moleküle fest miteinander verklebt. Der hieraus resultierende Klumpen kann dann relativ einfach über die Leber abgebaut und so aus dem Körper entfernt werden. Allerdings greift sich das Medikament nur die im Blutkreislauf frei umherschwimmenden SAP-Moleküle. Um die Blut-Hirn-Schranke zu überqueren, ist es zu groß. Trotzdem nimmt auch im Gehirn die Konzentration der klebrigen Proteine ab, da sie sofort aus dem Hirn ins Blut abwandern, wenn dort ihre Menge abnimmt.
Bislang testeten die Forscher die Wirkung von CPHPC an 19 Patienten mit der seltenen Erkrankung systemische Amyloidosis. Auch hier klumpen Proteine fehlerhaft zusammen und verstopfen eine Vielzahl von Organen, unter anderem Herz und Nieren. Die so befallenen Organe stellen daraufhin oft ihren Dienst ein. Doch die neue Substanz entfernte bei diesen Patienten das Protein SAP vollständig aus dem Organismus und reduzierte die krankheitsauslösenden Ablagerungen. Und dies ohne giftige Nebenwirkungen.
Besonders erfreulich ist für die Forscher, dass sie mit dem neuen Wirkstoff die hinderliche Blut-Hirn-Schranke umgehen können. Indem sie die Konzentration von SAP im Blut vermindern, sinkt auch die Anzahl der gefährlichen Ablagerungen im Gehirn. "Das bedeutet, dass wir das Medikament nicht ins Gehirn bringen müssen, das ist ein großer Vorteil", beschreibt Pepys den Mechanismus.
So erfreulich die vorliegenden Ergebnissen auch sind, sie sind nicht mehr als vorläufig. Einerseits müssen umfangreiche klinische Studien die Wirkung erst noch bestätigen und andererseits stehen einige Kollegen dem Erfolg skeptisch gegenüber. Schließlich ist es bislang lediglich eine Hypothese, dass die Amyloid-Plaques den Krankheitsprozess bei der Alzheimer-Krankheit verursachen und für den Tod der Nervenzellen verantwortlich sind. Von einem Beweis sind die Forscher noch weit entfernt.
Neben der Gehirnerkrankung könnte die neue Substanz auch für Patienten mit Diabetes vom Typ II, dem so genannten Altersdiabetes, Erleichterung bedeuten. Denn auch hier werden Proteinklumpen beobachtet. Sie finden sich um die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse. Möglicherweise hemmen sie die lebenswichtige Produktion des Zuckerlieferanten. Aber auch für den Einsatz bei Diabetes gilt: Zunächst muss sich die Substanz beweisen.
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