News: Erstaunliche Schnappschüsse
Die Gestalt des Enzyms erinnert an einen Lutscher; sein Stiel dreht sich ähnlich wie eine Kurbelwelle in einem Motor und treibt den "Lolli" – einen Zylinder aus drei gleichmäßig verteilten Reaktionsorten – an, mit jeder Umdrehung ATP-Moleküle freizusetzen. Bemerkenswerterweise kann die ATP-Synthase jedoch auch in die entgegengesetzte Richtung kreisen und die in ATP gespeicherte Energie verbrennen, um Wasserstoffionen auf die Außenseite der Membran zu pumpen.
Da diese mikroskopisch kleine Rotationsmaschine einige tausend Male pro Minute herumwirbelt, gestaltet es sich äußerst schwierig, Details ihrer inneren Tätigkeiten zu entschlüsseln. Frühere Forschungsergebnisse von Ryohei Yasuda und seinen Kollegen von der Keio University in Japan deuteten darauf hin, dass der winzige Motor in ruckartigen Intervallen von 120 Grad läuft. Doch der am Schaft des Enzyms befestigte lange Faden, der die Drehung sichtbar machte, verlangsamte vermutlich die Rotationsgeschwindigkeit und verwischte die schrittweise Bewegung der Proteinuntereinheiten.
Um diese Hürde zu überwinden, markierten die Forscher um Yasuda die ATP-Synthase nun mit einer Goldperle von 40 Nanometern im Durchmesser. Diese Kugel befestigten sie schräg an der Achsenspitze und verfolgten damit den kreisförmigen Weg der Miniaturmaschine. Mit Hilfe der "laser imaging"-Methode gelang es den Wissenschaftlern, 8000 Bilder des rotierenden Balls pro Sekunde einzufangen.
Diese Fotosequenzen enthüllten über 100 Umdrehungen des winzigen Proteinmotors pro Sekunde. Zudem belegten die Bilder eindeutig, dass jede 120-Grad-Bewegung während des Verbrennens von ATP aus zwei Schritten besteht: Zunächst kreist der Schaft um 90 Grad und rotiert dann die verbliebenen 30 Grad, wobei jeder Schritt nur einen Bruchteil einer Millisekunde dauert. Bei näherer Analyse der ATP-Zufuhr fanden die Forscher heraus, dass die Bindung von ATP an den Enzymzylinder die 90-Grad-Drehung auslöst. Die Freisetzung der Reaktionsprodukte Adenosindiphosphat (ADP) und Phosphat veranlasst wahrscheinlich die zweite Bewegung.
Diese Ergebnisse "geben einen neuen Einblick, wie die Reaktionsprodukte mit dem molekularen Motor interagieren", betont Paul Boyer von der University of California und fügt hinzu: "Es ist ein schöner Schritt vorwärts." Das Wissen, wie die ATP-Synthase funktioniert, könnte für die Entwicklung von mikroskopischen Maschinen aus biologischen Komponenten hilfreich sein. "Wir konnten bislang keinen derartig kleinen Motor bauen – aber die Natur hat es geschafft", hebt Richard Cross von der SUNY Upstate Medical University hervor.
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