News: Exakte Unbestimmtheit
Formuliert ist das Unbestimmtheits-Prinzip in Form einer Ungleichung: Wobei das Produkt aus Orts- und Impulsunschärfe auf der einen Seite immer größer als eine bestimmte Konstante auf der anderen Seite ist, die im Wesentlichen dem so genannten Planck'schen Wirkungsquantum entspricht. Wegen dieser Konstante, die mit etwa 6,6·10-34 Joulesekunden unvorstellbar klein ist, wirkt sich die Unschärfe in alltagsüblichen Größenmaßstäben nicht aus. Denn formt man die Ungleichung entsprechend um, und setzt vertraute Werte ein, so ist die Unschärfe des jeweils anderen Werts verschwindend gering – wie groß genau, sagt die Unschärferelation jedoch nicht, sie liefert nur eine untere Grenze für den Wert.
Offenbar hatte das den Physiker Michael Hall von der Australian National University in Canberra gestört, denn der Wissenschaftler überlegte, ob sich die Unschärfe nicht genauer angegeben ließe. Er vermutete, dass man das Problem in zwei Schritten lösen kann: zum einen in einem klassischen Teil, der sich prinzipiell exakt lösen lässt, zum anderen in einem quantenmechanischen, der nur Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Werte liefert. Um diese Überlegung mathematisch umzusetzen, bediente sich Hall einer statistischen Methode, die der Brite Ronald Fisher bereits 1925 zur Beschreibung menschlicher Populationen verwendete.
Damit gelang es dann tatsächlich auch eine Formulierung des Unschärfeprinzips zu finden, die der von Heisenberg sehr ähnelte – mit einem großen Unterschied: Aus der Relation – der Ungleichung – wurde eine Gleichung.
Und diese Gleichung hat es offenbar in sich, denn zusammen mit Marcel Reginatto von der Physikalisch Technischen Bundesanstalt in Braunschweig gelang es Hall, daraus die Grundgleichung der Quantenmechanik herzuleiten – die Schrödinger-Gleichung. Mit ihr lässt sich die Entwicklung eines quantenmechanischen Systems in Zeit und Raum beschreiben. Dabei setzt sie, anders als herkömmliche Bewegungsgleichungen, auf Wahrscheinlichkeiten. Die Position eines Teilchens ist also nicht absolut, sondern nur durch eine bestimmte Wahrscheinlichkeitsfunktion gegeben.
"Ich finde es bemerkenswert, dass die Schrödinger-Gleichung nun nicht mehr gottgegeben hingenommen werden muss", äußert sich Wolfgang Schleich aus der Abteilung für Quantenphysik der Universität Ulm. Zwar muss man immer noch annehmen, dass es eine gewisse Quanten-Unbestimmtheit gibt, doch ist das deutlich einfacher als direkt von der Schrödinger Gleichung auszugehen.
Außerdem hat die neue Formulierung der Unbestimmtheit einen handfesten Vorteil: Mit ihr lässt sich relativ schnell die Nullpunktsenergie abschätzen, die ein quantenmechanisches System einnehmen kann. Denn anders als ein klassisches Teilchen, dass beispielsweise durchaus auch am Grund einer Mulde ruhen kann, behält ein quantenmechanisches Teilchen immer ein kleines Quäntchen Restenergie, das es in der Mulde hin und herschwingen lässt. Auch diese Restenergie rührt von der Unbestimmtheit quantenmechanischer Systeme.
Die Energie jenes tiefst möglichen Niveau lässt sich jedoch nicht immer leicht berechnen. Im Gegenteil: Für Systeme aus vielen Elektronen um einen Atomkern kann man die Schrödinger-Gleichung nicht mehr eindeutig lösen. Hier ist es sehr hilfreich, dass die neue Unbestimmtheits-Gleichung einen Wert für die Nullpunktsenergie liefert.
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