Roter Planet: Europas nächster Flug zum Mars – ExoMars 2016
Seit Weihnachten 2003 umrundet Europas erste Planetensonde, Mars Express, unseren äußeren Nachbarplaneten und ist noch immer voll im Einsatz. Nun erhält sie bald ein Geschwister, denn ab dem 14. März 2016 soll sich die nächste europäische Mission, ExoMars 2016, zum Roten Planeten aufmachen. Sie wird dort am 19. Oktober eintreffen. ExoMars 2016 besteht aus zwei Hauptelementen, dem Trace Gas Orbiter (TGO), der in eine Umlaufbahn um den Mars eintreten wird, und Schiaparelli, einem Testmodul zur Erprobung von Landetechniken. Gestartet wird die Mission mit einer russischen Proton-Rakete vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan aus. Russland ist Partner bei dieser internationalen Mission und steuert neben der Trägerrakete auch zwei wissenschaftliche Instrumente bei. Das zwölftägige Startfenster öffnet sich ab dem 14. März und schließt am 25. März. Sollte es in dieser Zeitspanne nicht möglich sein, ExoMars 2016 auf den Weg zu bringen, müsste der Start um rund zwei Jahre auf 2018 verschoben werden.
Mit einer Gesamtmasse von 4,3 Tonnen ist ExoMars 2016 eine sehr schwere Raumsonde. Auf den Trace Gas Orbiter entfallen 3,7 Tonnen, auf das Landemodul insgesamt 600 Kilogramm. Der quaderförmige TGO ist 3,5 Meter lang und 2 Meter breit und wird durch zwei Solarzellenausleger mit einer Spannweite von insgesamt 17,5 Metern mit elektrischer Energie versorgt. Wie sein Name bereits verrät, dient der "Orbiter für Spurengase" zur detaillierten Erkundung der Oberfläche und der dünnen Atmosphäre des Mars. Dafür wurde er mit vier leistungsstarken wissenschaftlichen Instrumenten ausgerüstet. Zwei Spektrometer erkunden den Planeten im infraroten, sichtbaren und ultravioletten Licht und werden die chemische Zusammensetzung der dünnen Gashülle des Mars in bislang unerreichter Qualität bestimmen. Eine Farbkamera wird die von Mars Express begonnene dreidimensionale Kartierung fortsetzen und im Detail verfeinern. Ein Neutronendetektor bestimmt zusätzlich die Verteilung ausgewählter Elemente in der festen Marsoberfläche.
Rund drei Tage vor der Ankunft am Roten Planeten, also am 16. Oktober 2016, wird das Landemodul Schiaparelli vom TGO getrennt. Es befindet sich auf der ganzen Reise innerhalb seines Hitzeschilds, dessen Form an die Raumkapseln der bemannten Apollo-Mondflüge erinnert. Mit einem Durchmesser von 2,4 Metern ist Schiaparelli aber deutlich kleiner. Der Lander bewegt sich nach der Abtrennung auf einer eigenen Bahn zum Roten Planeten. Er tritt am 19. Oktober mit einer Geschwindigkeit von 5,8 Kilometern pro Sekunde in die Marsatmosphäre ein, das entspricht rund der achtfachen Geschwindigkeit einer Gewehrkugel. In den drei bis vier Minuten darauf wird Schiaparelli durch Reibung in der dünnen Gashülle des Planeten rabiat abgebremst. Dabei heizt sich der vordere Hitzeschild auf bis zu 1500 Grad Celsius auf.
Sanft zur Oberfläche
Astroviews 15: Abenteuer Mars – Reise zum Roten Planeten
Wie schwierig ist es, Menschen auf den Roten Planeten zu bringen? Astronom Klaus Jäger berichtet über Marsmissionen und interviewt den ESA-Astronauten Reinhold Ewald. Dies und noch viel mehr erfahren Sie in der 15. Folge der AstroViews.
Sobald die Geschwindigkeit auf unter 500 Meter pro Sekunde gefallen ist – also etwa die doppelte Schallgeschwindigkeit –, wird ein Fallschirm ausgestoßen. Dieser öffnet sich innerhalb von einer Sekunde auf seinen vollen Durchmesser von zwölf Metern. 40 Sekunden später wird der vordere Hitzeschild abgeworfen. Der Fallschirm verringert die Geschwindigkeit des Landers auf rund 70 Meter pro Sekunde oder 250 Kilometer pro Stunde. Dann wird der hintere Hitzeschild mitsamt Fallschirm abgetrennt; neun Raketentriebwerke zünden mit je 400 Newton Schub, um Schiaparelli aktiv bis zum annähernden Stillstand abzubremsen. In einer Höhe von zwei Metern über der Oberfläche tritt der Lander für einen kurzen Moment in einen Schwebeflug ein, dann schalten die Triebwerke ab. Die Sonde fällt nun im freien Fall mit einer Maximalgeschwindigkeit von 18 Kilometern pro Stunde auf die Oberfläche. Um die Wucht des Aufschlags zu dämpfen, ist Schiaparelli mit einer plastisch verformbaren Struktur ausgerüstet, die ähnlich wie die Knautschzone eines Autos funktioniert. Sie verhindert, dass es zu Schäden im Rest des Landemoduls kommt.
Schiaparelli ist ein Testmodul und soll die Techniken und Verfahren einer Marslandung erproben, ein Gebiet, auf dem es in Europa noch relativ wenig Erfahrung gibt. Der erste Versuch, eine europäische Sonde auf dem Roten Planeten landen zu lassen, scheiterte im Dezember 2003, als sich die von Mars Express mitgeführte Sonde Beagle-2 nach der Abtrennung von der Muttersonde nicht mehr meldete. Als Testgerät wurde Schiaparelli nicht mit einer dauerhaften Energiequelle wie Solarzellen oder einem Radioisotopengenerator ausgerüstet, sondern bezieht seinen Strom aus Batterien. Daher wird er auch nach einer erfolgreichen Landung maximal acht Tage auf der Marsoberfläche durchhalten, bis er für immer verstummt. Dennoch wurde der Lander mit einer kleinen wissenschaftlichen Nutzlast ausgerüstet, die Daten über die Eigenschaften der Atmosphäre während des Abstiegs und nach der Landung erfassen soll. Zudem befindet sich eine einfache Kamera an Bord, die während des Anflugs bis zu 15 Schwarz-Weiß-Bilder der sich nähernden Oberfläche aufzeichnen soll. Nach der Landung kann sie leider keine weiteren Bilder mehr aufnehmen, da sie dann auf dem Marsboden aufsitzt.
Fast gleichzeitig mit Schiaparelli erreicht auch die Muttersonde TGO den Roten Planeten und beginnt mit einem langen Schubmanöver, um in eine Umlaufbahn zu gelangen. Die anfängliche Bahn ist hochelliptisch mit dem marsnächsten Punkt in 250 Kilometer Abstand und dem marsfernsten in einer Distanz von rund 100 000 Kilometern. Für einen Umlauf benötigt TGO vier Marstage, die auch als "Sol" bezeichnet werden. Ein Marstag dauert 24 Stunden und 37 Minuten, unterscheidet sich also nur wenig von der Rotationsdauer unseres Planeten. Während das Abbremsmanöver des Orbiters noch läuft, fängt er die Funksignale von Schiaparelli während dessen Landung auf. Nur TGO ist in der Lage, die Daten in dieser Zeitspanne zu empfangen, alle anderen Marssonden im Umlauf sind zu weit entfernt, um mehr als die Trägerwelle des Bordsenders von Schiaparelli aufzufangen. Nachdem das Abbremsmanöver abgeschlossen ist, wird TGO die aufgezeichneten Daten des Landemoduls zur Erde übertragen.
Bis TGO aber seine endgültige, kreisförmige Bahn in 400 Kilometer Höhe über dem Roten Planeten erreicht hat, wird nach der Ankunft noch rund ein Jahr vergehen. Zunächst wird der Orbiter im Januar 2017 ein großes Schubmanöver ausführen, um von der annähernd in der Äquatorebene befindlichen Anfangsbahn in einen Orbit mit einer Neigung von rund 74 Grad zu kommen. Dann kann die Sonde nicht nur die äquatornahen Gebiete des Planeten erkunden, sondern dessen gesamte Oberfläche. Nach diesem Schubmanöver beginnt TGO mit der so genannten Aerobraking-Phase: Dafür tritt er im marsnächsten Bereich seiner Bahn in die obersten Schichten der Atmosphäre ein und wird dort durch die Reibung an den Molekülen bei jedem Umlauf geringfügig abgebremst. Nach einigen hundert Umläufen hat TGO dann genügend Bewegungsenergie verloren, um in den endgültigen Arbeitsorbit zu gelangen. Dieses Verfahren nutzte schon die US-Raumfahrtbehörde NASA bei ihren Raumsonden Mars Global Surveyor, Mars Odyssey und Mars Reconnaissance Orbiter.
Eine der Hauptaufgaben von TGO ist es, endlich die Frage zu klären, ob es in der Marsatmosphäre Methan gibt, also CH4. Die bisherigen Messungen der Vorgängersonden sind hier zum Teil widersprüchlich, so dass die Diskussion darüber noch nicht beendet ist. Methan kann sowohl auf Lebensprozesse unterhalb der Marsoberfläche zurückgehen als auch durch geologische beziehungsweise vulkanische Aktivität erzeugt werden. Der definitive Nachweis von Methan hätte große Bedeutung für die Forschung, würde er doch einen aktiven Planeten belegen. Neben seinem Forschungsauftrag hat der TGO aber noch eine andere wichtige Aufgabe: Er soll nämlich als Funkrelais für kommende und bereits auf dem Mars befindliche Landesonden dienen. Dafür wurde er mit speziellen Kommunikationsgeräten ausgestattet. Für das Jahr 2018 sieht die ESA den Start ihrer nächsten Mission, ExoMars 2018, vor. Diese besteht aus einer in Russland gebauten Landeplattform und einem in Europa entwickelten und gebauten Marsrover. Den Start soll wiederum Russland übernehmen. Derzeit ist aber nicht klar, ob der Starttermin wegen technischer Schwierigkeiten eingehalten werden kann oder auf das Jahr 2020 verschoben werden muss.
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