News: Fairer Handel
Menschliches Verhalten ist glücklicherweise nicht allein von Egoismus geprägt. Denn nicht immer erwarten wir eine Gegenleistung für eine Gefälligkeit. Doch die Selbstlosigkeit hat auch klare Grenzen - etwa wenn sie mit Sanktionen eingefordert wird.
Handel bestimmt die Welt. Das gilt im Großen wie im Kleinen. Dabei ist ein wichtiger Faktor bei einem sich anbahnenden Geschäft das gegenseitige Vertrauen. Fehlt es, so wird in aller Regel kein Abkommen zustande kommen. Zwar lässt sich mit Verträgen und unter Androhung von Sanktionen im Falle eines Vertragsbruchs das Risiko der Geschäftspartner minimieren, aber die Erfahrung lehrt, dass damit längst nicht jede Unwägbarkeit abgedeckt ist. Betrüger finden meist dennoch ein Schlupfloch.
Entgegen erster Modelle von Verhaltensforschern und Wirtschaftswissenschaftlern handeln die meisten Menschen jedoch nicht allein aus egoistischen Beweggründen und eigenem Interesse. Nicht alles muss sich gleich in barer Münze auszahlen. So ist es für die meisten Menschen durchaus selbstverständlich, eine freundliche Bedienung im Lokal mit einem angemessenen Trinkgeld zu honorieren. Wir sind dazu nicht verpflichtet, sehen die Person unter Umständen nie wieder und dennoch geben wir die Belohnung gerne. Doch wie wäre es um unsere Zahlungsbereitschaft bestellt, wenn das Restaurantpersonal bei einem zu knauserigen Obolus eine Strafgebühr erheben dürfte?
Freilich, das Beispiel ist etwas an den Haaren herbeigezogen. Es soll auch lediglich das etwas abstrakte Experiment illustrieren, das Ernst Fehr von der Universität Zürich und Bettina Rockenbach von der Universität Erfurt durchgeführt haben. Die beiden Forscher haben einen spieltheoretischen Versuch mit mehr als 200 Studenten veranstaltet, um den Einfluss von angedrohten Bestrafungen auf selbstloses Verhalten zu prüfen.
Dazu pickten sich Fehr und Rockenbach wahllos 238 Besucher der Bonner Uni-Mensa heraus, welche im folgenden Spiel die Chance hatten, reales Geld als Gewinn einzustreichen. Zunächst einmal gab es für jeden Spieler jedoch 10 Einheiten eines fiktiven Spielgeldes, das erst im Anschluss an den Versuch im Verhältnis 2 zu 1 in Mark umgetauscht wurde. Die 10 Einheiten galt es zu vermehren, dazu konnte einer der beiden Spieler einen beliebigen Betrag zwischen 1 und 10 bei dem anderen Spieler – dem Verwalter – anlegen, wobei der Spielleiter – ein betreuender Wissenschaftler – den Betrag schon beim Einzahlen verdreifachte. Aus 5 Einheiten, die der Anleger einzahlte, wurden also 15 Einheiten beim Verwalter.
Nun würde der Anleger ein schlechtes Geschäft machen, wenn er von diesem Geld nichts wiedersehen würde, und so oblag es anschließend dem Verwalter, einen Teil des Eingezahlten wieder zurückzugeben. Dabei konnte er sich nach den Wünschen des Anlegers richten und maximal das Dreifache des eingezahlten Betrags auszahlen. Er konnte aber auch weniger zurückgeben oder auch alles für sich behalten. Der auszuzahlende Betrag wurde von der Bank nicht mehr erhöht.
Da ein egoistischer Verwalter prinzipiell das ganze Geld für sich behalten konnte, befand sich der Anleger also in dem Dilemma: Zahle ich viel ein und vertraue auf den Verwalter, oder bin ich vorsichtig und setze nur wenig Geld – natürlich mit der Konsequenz, dass auch der Gewinn geringer ausfällt. Alle Entscheidungen mussten die Spieler anonym in einer Wahlkabine treffen, und auch nach dem Experiment wurden die Spielerpaarungen geheim gehalten.
Um nun die Auswirkung einer angedrohten Bestrafung zu prüfen, ließen die Wissenschaftler das Spiel anschließend mit leicht abgewandelten Regeln durchführen. Dabei konnten die Anleger schon bei Abgabe des Geldes und Angabe ihres Wunschgewinnes ankreuzen, ob sie im Fall eines zu geringen Erlöses den Verwalter bestrafen möchten. Diese Strafe, die also wirksam wurde, wenn der Verwalter mit seiner Rückerstattung unterhalb der Vorstellungen des Anlegers lag, betrugen pauschal 4 Einheiten. Der Verwalter erfuhr in jedem Fall, ob die Strafoption genutzt wurde, und konnte diese Information zur Festlegung der Auszahlungsbeträge nutzen.
Beide Versionen des Experiments wurden mit mehreren Versuchspaaren durchgespielt, wobei kein Kandidat ein zweites Mal antreten durfte. Das Ergebnis war erstaunlich: Entgegen der Vermutung, dass bei derartigem Handel vor allem die eigenen Interessen im Vordergrund stehen, zahlten die Verwalter stets einen gewissen Teil ihres Gewinns an den Anleger aus – auch im ersten Versuchsteil, in dem ihnen keine Sanktionen drohten.
Interessanterweise straften die Verwalter die Handelsaktionen mit angedrohter Sanktion – rund zwei Drittel der Anleger im zweiten Spiel nutzten die Option – durch die Bank weg ab. Die Gewinne für die Anleger fielen hier unabhängig vom Einsatz deutlich schlechter aus als beim ersten Spiel, das allein auf Vertrauen setzte. Nutzten die Anleger die Strafoption im zweiten Spiel jedoch nicht, so wurde ihr Vertrauen mit den höchsten Gewinnen überhaupt belohnt.
Die Versuche zeigen also, dass Altruismus eine wichtige Triebkraft bei unseren Handlungen ist, und belohnt wird in der Regel der, der seinem Geschäftspartner besonderes Vertrauen entgegenbringt. Gift für den Geschäftserfolg ist hingegen schon allein die Androhung von Sanktionen.
Doch warum setzen trotzdem so viele Spieler auf Strafen, wenn sie doch wissen, dass dies im Allgemeinen nicht ihren Ziele dienlich ist? Letzteres konnten Fehr und Rockenbach mit einem dritten Spieldurchlauf zeigen, bei dem die Forscher die Teilnehmer über ihre bisherigen Versuchsergebnisse informierten. Dennoch nutzten die meisten die Sanktionsoption. Offenbar handelt es sich um eine Art Erziehungsmaßnahme der Anleger. Sie nehmen zwar in Kauf, weniger Gewinn zu erzielen, haben aber die Möglichkeit, unfaires Verhalten im Vorfeld abzustrafen.
Bei ihren Handelspartner kommt das verständlicherweise gar nicht gut an, denn die Sanktionen schränken deren Spielraum ein. "Die meisten von uns wollen die Freiheit der Wahl", schreibt auch Truman Bewley von der Yale University im amerikanischen New Haven.
Doch nicht immer müssen Belohnungen und Bestrafungen negative Auswirkungen aufs Geschäft haben. Laut Fehr und Rockenbach gibt es durchaus Hinweise, dass derartige Handlungen bei wiederholten Geschäftsbeziehungen als Ansporn zur Kooperation dienen können. Der negative Effekt von Sanktionen mache sich allerdings vor allem bei altruistischen Kooperationen wie bei diesen Experimenten bemerkbar – insbesondere dann, wenn die Absichten allzu eigennützig erscheinen.
Entgegen erster Modelle von Verhaltensforschern und Wirtschaftswissenschaftlern handeln die meisten Menschen jedoch nicht allein aus egoistischen Beweggründen und eigenem Interesse. Nicht alles muss sich gleich in barer Münze auszahlen. So ist es für die meisten Menschen durchaus selbstverständlich, eine freundliche Bedienung im Lokal mit einem angemessenen Trinkgeld zu honorieren. Wir sind dazu nicht verpflichtet, sehen die Person unter Umständen nie wieder und dennoch geben wir die Belohnung gerne. Doch wie wäre es um unsere Zahlungsbereitschaft bestellt, wenn das Restaurantpersonal bei einem zu knauserigen Obolus eine Strafgebühr erheben dürfte?
Freilich, das Beispiel ist etwas an den Haaren herbeigezogen. Es soll auch lediglich das etwas abstrakte Experiment illustrieren, das Ernst Fehr von der Universität Zürich und Bettina Rockenbach von der Universität Erfurt durchgeführt haben. Die beiden Forscher haben einen spieltheoretischen Versuch mit mehr als 200 Studenten veranstaltet, um den Einfluss von angedrohten Bestrafungen auf selbstloses Verhalten zu prüfen.
Dazu pickten sich Fehr und Rockenbach wahllos 238 Besucher der Bonner Uni-Mensa heraus, welche im folgenden Spiel die Chance hatten, reales Geld als Gewinn einzustreichen. Zunächst einmal gab es für jeden Spieler jedoch 10 Einheiten eines fiktiven Spielgeldes, das erst im Anschluss an den Versuch im Verhältnis 2 zu 1 in Mark umgetauscht wurde. Die 10 Einheiten galt es zu vermehren, dazu konnte einer der beiden Spieler einen beliebigen Betrag zwischen 1 und 10 bei dem anderen Spieler – dem Verwalter – anlegen, wobei der Spielleiter – ein betreuender Wissenschaftler – den Betrag schon beim Einzahlen verdreifachte. Aus 5 Einheiten, die der Anleger einzahlte, wurden also 15 Einheiten beim Verwalter.
Nun würde der Anleger ein schlechtes Geschäft machen, wenn er von diesem Geld nichts wiedersehen würde, und so oblag es anschließend dem Verwalter, einen Teil des Eingezahlten wieder zurückzugeben. Dabei konnte er sich nach den Wünschen des Anlegers richten und maximal das Dreifache des eingezahlten Betrags auszahlen. Er konnte aber auch weniger zurückgeben oder auch alles für sich behalten. Der auszuzahlende Betrag wurde von der Bank nicht mehr erhöht.
Da ein egoistischer Verwalter prinzipiell das ganze Geld für sich behalten konnte, befand sich der Anleger also in dem Dilemma: Zahle ich viel ein und vertraue auf den Verwalter, oder bin ich vorsichtig und setze nur wenig Geld – natürlich mit der Konsequenz, dass auch der Gewinn geringer ausfällt. Alle Entscheidungen mussten die Spieler anonym in einer Wahlkabine treffen, und auch nach dem Experiment wurden die Spielerpaarungen geheim gehalten.
Um nun die Auswirkung einer angedrohten Bestrafung zu prüfen, ließen die Wissenschaftler das Spiel anschließend mit leicht abgewandelten Regeln durchführen. Dabei konnten die Anleger schon bei Abgabe des Geldes und Angabe ihres Wunschgewinnes ankreuzen, ob sie im Fall eines zu geringen Erlöses den Verwalter bestrafen möchten. Diese Strafe, die also wirksam wurde, wenn der Verwalter mit seiner Rückerstattung unterhalb der Vorstellungen des Anlegers lag, betrugen pauschal 4 Einheiten. Der Verwalter erfuhr in jedem Fall, ob die Strafoption genutzt wurde, und konnte diese Information zur Festlegung der Auszahlungsbeträge nutzen.
Beide Versionen des Experiments wurden mit mehreren Versuchspaaren durchgespielt, wobei kein Kandidat ein zweites Mal antreten durfte. Das Ergebnis war erstaunlich: Entgegen der Vermutung, dass bei derartigem Handel vor allem die eigenen Interessen im Vordergrund stehen, zahlten die Verwalter stets einen gewissen Teil ihres Gewinns an den Anleger aus – auch im ersten Versuchsteil, in dem ihnen keine Sanktionen drohten.
Interessanterweise straften die Verwalter die Handelsaktionen mit angedrohter Sanktion – rund zwei Drittel der Anleger im zweiten Spiel nutzten die Option – durch die Bank weg ab. Die Gewinne für die Anleger fielen hier unabhängig vom Einsatz deutlich schlechter aus als beim ersten Spiel, das allein auf Vertrauen setzte. Nutzten die Anleger die Strafoption im zweiten Spiel jedoch nicht, so wurde ihr Vertrauen mit den höchsten Gewinnen überhaupt belohnt.
Die Versuche zeigen also, dass Altruismus eine wichtige Triebkraft bei unseren Handlungen ist, und belohnt wird in der Regel der, der seinem Geschäftspartner besonderes Vertrauen entgegenbringt. Gift für den Geschäftserfolg ist hingegen schon allein die Androhung von Sanktionen.
Doch warum setzen trotzdem so viele Spieler auf Strafen, wenn sie doch wissen, dass dies im Allgemeinen nicht ihren Ziele dienlich ist? Letzteres konnten Fehr und Rockenbach mit einem dritten Spieldurchlauf zeigen, bei dem die Forscher die Teilnehmer über ihre bisherigen Versuchsergebnisse informierten. Dennoch nutzten die meisten die Sanktionsoption. Offenbar handelt es sich um eine Art Erziehungsmaßnahme der Anleger. Sie nehmen zwar in Kauf, weniger Gewinn zu erzielen, haben aber die Möglichkeit, unfaires Verhalten im Vorfeld abzustrafen.
Bei ihren Handelspartner kommt das verständlicherweise gar nicht gut an, denn die Sanktionen schränken deren Spielraum ein. "Die meisten von uns wollen die Freiheit der Wahl", schreibt auch Truman Bewley von der Yale University im amerikanischen New Haven.
Doch nicht immer müssen Belohnungen und Bestrafungen negative Auswirkungen aufs Geschäft haben. Laut Fehr und Rockenbach gibt es durchaus Hinweise, dass derartige Handlungen bei wiederholten Geschäftsbeziehungen als Ansporn zur Kooperation dienen können. Der negative Effekt von Sanktionen mache sich allerdings vor allem bei altruistischen Kooperationen wie bei diesen Experimenten bemerkbar – insbesondere dann, wenn die Absichten allzu eigennützig erscheinen.
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