Satellitennavigation: Galileos missglückter Start
Es ist das wichtigste Hochtechnologieprojekt Europas und ein Flaggschiff des Abendlands. Galileo, das europäische Satellitensystem zur weltweiten Positionsbestimmung, soll mit dem US-amerikanischen GPS konkurrieren. Doch jetzt droht aus dem Flaggschiff ein gigantisches Wrack zu werden.
Alles klang so schön ambitioniert. Schon in wenigen Jahren sollten dreißig Galileo-Satelliten die Erde umkreisen, ergänzt von fünfzig Bodenstationen und zwei Kontrollzentren – eines davon in Bayern. Angetreten war das Projekt, um mit der Monopolstellung des übermächtigen GPS zu brechen. "Galileo soll uns unabhängiger von den Amerikanern machen“ verlautete es allenthalben aus dem Munde europäischer Raumfahrtfunktionäre. Und die europäische Weltraumorganisation Esa meldete jeden noch so kleinen Fortschritt beim Aufbau des Satellitensystems.
Handfeste Krise
Solche Streitigkeiten führten immer wieder zu Verzögerungen. Drei Jahre hängt das Projekt bereits im Zeitplan hinterher. Doch es könnte noch schlimmer kommen. Denn nun droht das europäische Flaggschiff noch vor dem Stapellauf vollends zu kentern. Seit letztem Donnerstag gibt es nicht mehr nur die üblichen Auseinandersetzungen zwischen den Akteuren, sondern eine handfeste Krise. An diesem Tag nämlich hat die europäische Raumfahrtindustrie die Verhandlungen über den Aufbau von Galileo platzen lassen.
Dem war vorausgegangen, dass sich die beteiligten Unternehmen – acht große und dutzende kleine – offenbar nicht auf die Details der Zusammenarbeit einigen konnten. "Es gab Meinungsverschiedenheiten über die Beteiligung an dem Projekt", sagt Hubert Reile, Programmdirektor für Weltraum beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Daraufhin hatte die EU die Unternehmen aufgefordert, eine Gesellschaft mit klaren Strukturen und einem handlungsfähigen Geschäftsführer zu bilden. Konflikte zwischen den Firmen aus fünf europäischen Ländern und unklare Haftungsfragen verhinderten dies jedoch. Am vergangenen Donnerstag ließ die Raumfahrtindustrie das Ultimatum verstreichen, das die EU ihr gesetzt hatte, ohne dass es zu einer Einigung gekommen war. Die Verhandlungen sind damit fehlgeschlagen.
Springt der Steuerzahler ein?
Nun versucht die EU, das Ruder herumzureißen. EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot will am nächsten Mittwoch darlegen, wie das Satellitensystem noch gerettet werden kann. Als wahrscheinlichste Lösung gilt, dass die beteiligten Staaten den Aufbau von Galileo finanzieren und die Privatwirtschaft später den Betrieb des Systems übernimmt. Für die Steuerzahler würde das eine Mehrbelastung in Höhe von zwei bis drei Milliarden Euro bedeuten, was den Europäischen Steuerzahlerbund bereits vorsorglich zu Protesten veranlasst. Die Bundesregierung schlug vor, den Aufbau des Satellitensystems an die Esa zu delegieren. Auf keinen Fall dürfe das Projekt aufgeben werden, sagte Bundesverkehrminister Wolfgang Tiefensee, der zurzeit dem Verkehrsministerrat vorsitzt.
Reile sieht in der derzeitigen Misere sogar eine Chance. "Für Galileo ist das, was jetzt passiert, kein Rückschlag, sondern ein Fortschritt", sagt er. Wenn die Verhandlungen mit der Industrie weitergegangen wären, so der DLR-Experte, hätten sie sich noch sehr lange hingezogen. "Nun aber, da voraussichtlich die Staaten die Initiative übernehmen, wissen wir, dass Galileo kommt", meint Reile, "und das Risiko von weiteren Verzögerungen wird geringer." Dass das Projekt insgesamt kippt, hält er für unwahrscheinlich.
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Unterdessen schieben sich Politiker und Wirtschaftsvertreter gegenseitig die Schuld an der Krise zu. Die Bundestagsfraktion von Grünen/Bündnis 90 machte die Bundesregierung für das Scheitern mitverantwortlich. Es sei falsch gewesen, dass die EU nur ein Bieterkonsortium zugelassen und damit konkurrierende Firmen unter ein Dach gezwungen habe, so eine Sprecherin. Auch der SPD-Europaabgeordnete Ulrich Stockmann kritisierte die "Zwangsfusion" von ursprünglich zwei Industriekonsortien zu einem, die von der EU betrieben worden sei. Thomas Enders, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie und Co-Vorstandschef des Luft- und Rüstungskonzerns EADS, meinte, es sei nicht verwunderlich, dass es zum Hauen und Stechen gekommen sei, nachdem die beiden Konsortien von der Politik zusammengezwungen worden seien.
Scheinbar unbeeindruckt von diesen Querelen meldet die europäische Weltraumorganisation weiterhin Positives in Sachen Galileo. Ihre letzte Pressemitteilung behandelte die Frage, wie präzise die Uhren an Bord der künftigen Navigationssatelliten sein werden. Diese Zeitmesser würden extrem genau gehen, was zukünftigen Galileo-Benutzern eine hochpräzise Ortsbestimmung ermögliche, hieß es darin. Die Pressemitteilung war auf den 10. Mai datiert – jenen Tag, an dem die Verhandlungen über den Aufbau des Satellitensystems scheiterten.
Doch das ehrgeizige Projekt wollte nicht recht in Fahrt kommen. Immer wieder stritten die beteiligten EU-Länder darum, wer was bezahlen soll und wer woran beteiligt wird. Vor anderthalb Jahren etwa sah sich Deutschland als größter Beitragszahler benachteiligt und forderte, bei den Projektaufträgen stärker berücksichtigt zu werden. Daraufhin einigten sich die EU-Verkehrsminister, das deutsche Industriekonsortium TeleOp in Galileo einzugliedern und eines der beiden Kontrollzentren im bayerischen Oberpfaffenhofen einzurichten.
Handfeste Krise
Solche Streitigkeiten führten immer wieder zu Verzögerungen. Drei Jahre hängt das Projekt bereits im Zeitplan hinterher. Doch es könnte noch schlimmer kommen. Denn nun droht das europäische Flaggschiff noch vor dem Stapellauf vollends zu kentern. Seit letztem Donnerstag gibt es nicht mehr nur die üblichen Auseinandersetzungen zwischen den Akteuren, sondern eine handfeste Krise. An diesem Tag nämlich hat die europäische Raumfahrtindustrie die Verhandlungen über den Aufbau von Galileo platzen lassen.
Dem war vorausgegangen, dass sich die beteiligten Unternehmen – acht große und dutzende kleine – offenbar nicht auf die Details der Zusammenarbeit einigen konnten. "Es gab Meinungsverschiedenheiten über die Beteiligung an dem Projekt", sagt Hubert Reile, Programmdirektor für Weltraum beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Daraufhin hatte die EU die Unternehmen aufgefordert, eine Gesellschaft mit klaren Strukturen und einem handlungsfähigen Geschäftsführer zu bilden. Konflikte zwischen den Firmen aus fünf europäischen Ländern und unklare Haftungsfragen verhinderten dies jedoch. Am vergangenen Donnerstag ließ die Raumfahrtindustrie das Ultimatum verstreichen, das die EU ihr gesetzt hatte, ohne dass es zu einer Einigung gekommen war. Die Verhandlungen sind damit fehlgeschlagen.
Springt der Steuerzahler ein?
Nun versucht die EU, das Ruder herumzureißen. EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot will am nächsten Mittwoch darlegen, wie das Satellitensystem noch gerettet werden kann. Als wahrscheinlichste Lösung gilt, dass die beteiligten Staaten den Aufbau von Galileo finanzieren und die Privatwirtschaft später den Betrieb des Systems übernimmt. Für die Steuerzahler würde das eine Mehrbelastung in Höhe von zwei bis drei Milliarden Euro bedeuten, was den Europäischen Steuerzahlerbund bereits vorsorglich zu Protesten veranlasst. Die Bundesregierung schlug vor, den Aufbau des Satellitensystems an die Esa zu delegieren. Auf keinen Fall dürfe das Projekt aufgeben werden, sagte Bundesverkehrminister Wolfgang Tiefensee, der zurzeit dem Verkehrsministerrat vorsitzt.
Reile sieht in der derzeitigen Misere sogar eine Chance. "Für Galileo ist das, was jetzt passiert, kein Rückschlag, sondern ein Fortschritt", sagt er. Wenn die Verhandlungen mit der Industrie weitergegangen wären, so der DLR-Experte, hätten sie sich noch sehr lange hingezogen. "Nun aber, da voraussichtlich die Staaten die Initiative übernehmen, wissen wir, dass Galileo kommt", meint Reile, "und das Risiko von weiteren Verzögerungen wird geringer." Dass das Projekt insgesamt kippt, hält er für unwahrscheinlich.
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Unterdessen schieben sich Politiker und Wirtschaftsvertreter gegenseitig die Schuld an der Krise zu. Die Bundestagsfraktion von Grünen/Bündnis 90 machte die Bundesregierung für das Scheitern mitverantwortlich. Es sei falsch gewesen, dass die EU nur ein Bieterkonsortium zugelassen und damit konkurrierende Firmen unter ein Dach gezwungen habe, so eine Sprecherin. Auch der SPD-Europaabgeordnete Ulrich Stockmann kritisierte die "Zwangsfusion" von ursprünglich zwei Industriekonsortien zu einem, die von der EU betrieben worden sei. Thomas Enders, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie und Co-Vorstandschef des Luft- und Rüstungskonzerns EADS, meinte, es sei nicht verwunderlich, dass es zum Hauen und Stechen gekommen sei, nachdem die beiden Konsortien von der Politik zusammengezwungen worden seien.
Scheinbar unbeeindruckt von diesen Querelen meldet die europäische Weltraumorganisation weiterhin Positives in Sachen Galileo. Ihre letzte Pressemitteilung behandelte die Frage, wie präzise die Uhren an Bord der künftigen Navigationssatelliten sein werden. Diese Zeitmesser würden extrem genau gehen, was zukünftigen Galileo-Benutzern eine hochpräzise Ortsbestimmung ermögliche, hieß es darin. Die Pressemitteilung war auf den 10. Mai datiert – jenen Tag, an dem die Verhandlungen über den Aufbau des Satellitensystems scheiterten.
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