News: Gar nicht hochnäsig
Die Nasenlöcher sind's, die daneben liegen. Seit den ersten Rekonstruktionen thronen sie oben auf der Schnauze, knapp unterhalb der Augen. Denn angesichts der unglaublichen Schädelausmaße hielten die ersten Forscher die Ungetüme für wasserlebend – für ein Leben an Land waren ihnen die ausgestorbenen Giganten schlicht zu groß und schwer. Für ein Dasein in Seen und Sümpfen waren möglichst hoch postierte Nasenlöcher natürlich sehr viel praktischer. Diplodocus, seines Zeichens Sauropode, untermauerte die Annahme noch. In einem 1884 entdeckten, vollständigen Schädel klaffte ein großer Hohlraum auf der Kopfoberseite, den Forscher für den Nasenraum hielten. Und was für einen Saurier galt, war Vorbild für alle anderen.
Selbst als in den 70er Jahren auch die Riesensaurier das Land erobern durften, änderte sich daran nichts – ihre Nasenlöcher blieben auf den Zeichnungen, wo sie waren. Es schien kein Anlass zu bestehen, ihre Lage noch einmal zu überdenken.
Lawrence Witmer von der Ohio University jedoch war skeptisch und startete ein DinoNose Project. Denn warum sollte ein Triceratops beispielsweise die Hälfte seines Schädels – und das sind immerhin 60 Zentimeter – für einen unnützen Hohlraum verschwenden und die Nasenlöcher nahe der Stirn anbringen? Da lebende Exemplare nur noch auf Kinoleinwänden auftreten, wandte Witmer sich deren näheren Verwandten zu: Reptilien und Vögeln. Er bepinselte die Nasenlöcher ausgewählter Artvertreter mit Latex und besprühte sie anschließend mit Bariumsulfat. So erhielt er detaillierte Röntgenaufnahmen, wo sich bei den Tieren die fleischigen Nasenlöcher im Verhältnis zum Knochengerüst befanden. Und siehe da, das Muster war bei allen gleich: Die Öffnungen befanden sich bis auf wenige Ausnahmen vorn am Ende der knöchernen Höhle. Außerdem hinterließen die fleischigen Strukturen eindeutige Spuren in den Verknöcherungen: Blutgefäße, die das Gewebe versorgten, kerbten kleine Rinnen und Mulden in die Knochen.
Nun nahm Witmer noch einmal seine Saurierschädel-Kollektion unter die Lupe. Auch dort konnte er die verräterischen Marken an der vorderen Spitze der Knochenöffnungen entdecken. Also rekonstruierte er neue Dinogesichter – mit den Nasenlöchern knapp über dem Maul.
Was auf den ersten Blick noch ungewohnt wirkt, ist weit mehr als eine kleine Schönheitsoperation. Denn die veränderte Lage hat viel tiefgehendere Folgen: Der Luftstrom durch den Nasenraum folgt nun einer ganz anderen, vor allem längeren Bahn. Wie ihre Verwandten könnten die Dinosaurier so Luft befeuchtet und gereinigt, Gase ausgetauscht und über einen intensiven Kontakt mit dem Blutkreislauf Körper und Gehirn gekühlt haben – nicht ganz unwichtige Eigenschaften in den damaligen tropischen Gefilden. Gleichzeitig konnten sie so viel besser erschnüffeln, was sie Fressbares vor Maul und Nase hatten. Zahlreiche Vorsprünge und Nischen zeigen, dass der Nasenraum der Tiere reichlich zerklüftet war, was Voraussetzung für ein gutes Näschen ist, da es die Oberfläche für empfindliche Schleimhäute deutlich vergrößert.
Witmer will sich als nächstes nun auch Kiefern und Gliedmaßen widmen, um die klassische Tierbuch-Abbildung realistischer zu machen. "Die Leute stellen sich Dinosaurier immer in einer bestimmten Weise vor und verleihen ihnen häufig Züge, die ihnen gewohnter, vertrauter erscheinen", erklärt er. "Ich bin als Wissenschaftler natürlich nicht primär darauf aus, dass Aussehen der Dinosaurier zu verändern. Aber unsere Studien erlauben es, die wahre Einzigartigkeit der Tiere aufzudecken." Wir dürfen also gespannt sein auf die Hauptdarsteller in Jurassic Park IV.
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