Rossallüren: Das Gangartengen des Pferdes und anderer Vierbeiner
Reiter wissen, dass unterschiedliche Pferderassen nicht immer alle Gangarten neben Schritt, Trab und Galopp beherrschen: Gerade speziellere Lauftechniken – etwa den Passgang oder Tölt – können nicht jedem beliebigen Pferd beigebracht werden. Stattdessen wurden sie geeigneten Rassen angezüchtet; sie beruhen demnach auf genetischen Veranlagungen, deren Grundlage bis dato allerdings unbekannt war. Nun zeigen Forscher um Klas Kullander von der Uppsala University, dass die Gangartgenetik der Pferde wohl nicht sehr kompliziert ist: Eine einzige Mutation kann darüber bestimmen, wie flexibel ein Tier zwischen den Gangarten wechselt.
Die Forscher haben bei ihren Untersuchungen an 70 Islandpferden das Gen DMRT3 als zentrale Schaltstelle ausgemacht. Bei allen Tieren fanden sie in diesem Gen eine Mutation, die zu einem verstümmelten Genprodukt führt. Alle Pferde mit mutiertem DMRT3-Gen beherrschten die vier Gangarten Trab, Galopp, Tölt und Schritt (sie sind, in der Pferdesportterminologie, "Viergänger") – 40 konnten sogar als "Fünfgänger" zusätzlich auch in den Passgang wechseln. Bei dieser Gangart werden die Extremitäten einer Körperseite beim Laufen jeweils gleichzeitig nach vorne beziehungsweise hinten geschwungen – anders als etwa beim Trab, wo die diagonalen Beinpaare synchron in eine Richtung koordiniert werden.
Tatsächlich scheint das DMRT3-Proteins eine Schlüsselrolle bei der Bewegungskoordination zu vermitteln, wie Experimente an Mäusen zeigen, bei denen sich ein sehr ähnliches Gen findet. Das Genprodukt DMRT3, ein Transkriptionsfaktor, beeinflusst die Verknüpfung bestimmter Neuronennetze im Rückenmark – einem Schaltwerk von hemmenden Interneuronen, das offenbar daran beteiligt ist, die Bewegung der Beine verschiedener Körperseiten zu koordinieren. Mäuse ohne das Gen leiden an lokomotorischen Defiziten, zeigen Schwächen bei der Koordination von Schwimmbewegungen und konnten nicht so schnell laufen wie ihre Artgenossen.
Bei Pferden könnte die strenge Extremitäten-Koordination durch die Neuronverschaltung auf Kosten der Flexibilität gehen – fällt sie mutationsbedingt aus, so können die Tiere Vorder- und Hinterbeine sowie die Extremitäten der linken und rechten Körperseite flexibler zueinander bewegen, spekulieren die Forscher. Nur so sei womöglich der lokomotorisch besonders anspruchsvolle Passgang von betroffenen Tieren zu beherrschbar. Tatsächlich zeigt sich, das schon eine heterozygote Mutationen – bei der nur eine der Genkopien betroffen ist – die lokomotorischen Fähigkeiten beeinträchtigt: Solche Tiere können noch die Tölt-Gangart beherrschen, die homozygote Mutation erlaubt ihnen zudem, auch im Passgang zu gehen.
In einer früheren Version des Textes haben sich Fehler eingeschlichen: Es hieß hier, dass die Mutation im Gen DMRT3 das Beherrschen zusätzlicher Gangarten verhindert. Richtig ist, dass die Mutation diese Gangarten erst ermöglicht. Der Fehler ist nun korrigiert, meine Entschuldigung an alle Leser. (jo)
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