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Glaziologie: Giga-Eisberge schrammten über Meeresboden

Heutige Eisberge reichen maximal 700 Meter unter Wasser - deutlich weniger als die Giganten der letzten Eiszeit. Deutsche Forscher fanden ihre Spuren im Nordatlantik.
Eisberg

Während der letzten Eiszeiten müssen gigantische Eisberge durch den Nordatlantik gedriftet sein, die heutige Riesen um mehr als die Hälfte überragen würden. Manche dieser Eisbrocken reichten demnach über 1000 Meter unter die Wasseroberfläche, was Glaziologen um Jan Erik Arndt vom Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven aus Kratzspuren am Meeresgrund schließen. Diese befinden sich in 1200 Meter Tiefe zwischen Grönland und Spitzbergen und entstanden wahrscheinlich während der letzten 800 000 Jahre auf einem Höhepunkt der letzten Eiszeiten. Um auf die Dimensionen der Eisberge rückschließen zu können, mussten die Forscher unter anderem berücksichtigen, dass der Meeresspiegel damals um etwa 120 Meter tiefer lag als heute. Die größten heute bekannten Eisberge schwimmen durch das Südpolarmeer und besitzen einen Tiefgang von rund 700 Metern.

Insgesamt sind die Furchen vier Kilometer lang und 15 Meter tief in den Hovgaard-Rücken eingefräst – einem Tiefseeplateau vor der grönländischen Ostküste. Entdeckt worden waren die Kratzer schon vor 24 Jahren, als die Region vom Schiff aus vermessen wurde. Doch erst neuere Computeranalysen konnten die Daten so weit auflösen, dass die Spuren eindeutig erkennbar waren. Sie entstanden, als die Eisberge von Meeresströmungen über Grund getrieben wurden. Da sie relativ tief ausgeschürft sind und in einem Gebiet mit wenig Feststoffeintrag liegen, sedimentieren sie nur langsam zu und bleiben relativ lange erhalten. Geotektonische Einflüsse schieden hingegen auf Grund der charakteristischen Merkmale dieser Furchen aus: Diese sprechen mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür, dass etwas sehr Großes und Schweres über den Boden geschoben wurde.

Da generell 90 Prozent eines Eisbergs unter Wasser verborgen sind, können Arndt und Co die Gesamthöhe der Giganten ableiten: Sie waren demnach 1200 Meter von der Spitze zur Unterseite mächtig – und entsprechend dick musste auch mindestens der Eisschildrand auf dem benachbarten Festland gewesen sein. Woher die Eisberge stammten, als sie von ihren Gletschern brachen, können die Wissenschaftler nur vermuten: Wahrscheinlich lag der Geburtsort vor der Nordküste Russlands. Nicht nur die Rekordsuche treibt die Glaziologen an; die Rieseneisberge könnten vielleicht auch eine alte Frage klären: Wie wurde in der Vergangenheit Süßwasser aus der Arktis in den Atlantischen Ozean transportiert? Bisher galt vielen Wissenschaftlern dickes Meereis als hauptverantwortlich, doch könnte der Süßwassertransport aus der Arktis vor allem über große Eisberge von Nord nach Süd durch die Framstraße gelaufen sein. Dieser Export unterband dann am Ende der letzten Eiszeit wahrscheinlich die Tiefenwasserbildung vor Grönland, was wiederum den Golfstrom abschwächte – und so eine weitere zwischenzeitliche Abkühlung in Nordeuropa auslöste.

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