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Paläontologie: Gigantisches Glück

Nichts und niemand schien sie aufhalten zu können - bis ihnen wohl ein Asteroid den Garaus bereitete: Immerhin beherrschten die Dinosaurier bis dahin allerdings 170 Millionen Jahre lang den Planeten. So drastisch ihr Ende ausfiel, so zufällig könnte jedoch ihr Aufstieg gewesen sein.
Schädel eines <i>Batrachotomus</i>
"Die Dinosaurier wer'n immer trauriger", schmetterte einst der mittlerweile verstorbene Hamburger Musiker Lorenz "Lonzo" Westphal. Ihr Schicksal war demnach ein Verbot Noahs, die rettende Arche zu betreten, weshalb die unglückseligen Kreaturen in den von Gott gesandten Sintfluten versanken. Auch wenn dieser Text der künstlerischen Freiheit geschuldet ist, das endgültige Aus der Riesenechsen kam in geologischen Maßstäben tatsächlich relativ rasch und durch eine Naturkatastrophe kosmischen Ausmaßes: den Einschlag eines mindestens zehn Kilometer großen Gesteinsbrocken aus dem All, der vor Yucatáns Küste den Chicxulub-Krater in die Erdkruste dellte.

Verschiedene Crocodylotarsi | Schädel verschiedener Crocodylotarsi – den Vorfahren der heutigen Krokodile. Von oben links nach rechts unten: Batrachotomus, Postosuchus, Nicrosaurus, Aetosaurus, Lotosaurus und Riojasuchus. Die Schädel deuten an, dass die Arten sehr unterschiedliche ökologische Nischen besetzten und verschiedene Lebensweisen hatten.
Das Aussterben der Dinos war also recht total und eindeutig – nur in Form der Vögel konnte sich die Gruppe der Theropoda in die heutige Zeit retten. Ganz anders sieht es dagegen mit den Anfangsjahren ihrer Entwicklung aus: Ihr Weg zur Weltmacht vor 235 Millionen Jahren in der Mittleren Trias konnte noch nicht exakt nachvollzogen werden. Viele Menschen – Laien wie Wissenschaftler – gehen davon aus, dass die Dinosaurier zu ihrer Zeit einfach anderen Tiergruppen überlegen waren. Tyrannosaurus rex, Stegosaurus, Triceratops und wie sie alle heißen hätten sich demnach durchgesetzt, weil sie am besten an die damalige Umwelt angepasst und dementsprechend durchsetzungsfähig waren.

Eine Einschätzung, die Stephen Brusatte vom American Museum of Natural History und seine Kollegen nicht so ganz teilen: "Lange Zeit dachten wir, dass die Dinosaurier etwas Spezielles hatten, das sie erfolgreicher als andere werden ließ. Doch das stimmt nicht", so der Paläontologe. Denn am Anfang ihres Weges teilten sich die Urzeitechsen ihren Lebensraum mit den so genannten Crocodylotarsi – eine Gruppe von Reptilien, von denen nur noch die Krokodile übrig geblieben sind.

Während der Trias existierte jedoch eine Vielzahl unterschiedlicher Arten, die verschiedenste Nischen besetzten: Riesige vier- und zweibeinige Räuber jagten Pflanzenfresser und nach Wurzeln grabende Arten, denen auch von omnivoren Spezies nachgestellt wurde, und an Seen und Flüssen lebten Fischkonsumenten.
"Lange Zeit dachten wir, dass die Dinosaurier etwas Spezielles hatten, das sie erfolgreicher als andere werden ließ"
(Stephen Brusatte)
Vielfach hatten sie keinerlei Ähnlichkeit mit den heutigen Alligatoren, Kaimanen, Gavialen oder Nilkrokodilen, sondern glichen ihrer Dinosaurierkonkurrenz, die mit ihnen um die gleichen Nischen rangelten. Die Gemeinsamkeiten waren so groß, dass viele Crocodylotarsi bis vor Kurzem sogar fälschlicherweise den Dinos zugeordnet wurden.

Wenn aber die Urkrokos tatsächlich so vielfältig und flexibel waren – warum mussten sie dann der Verwandtschaft den Vortritt lassen? Brusattes Team verglich dafür die Anatomie beider Gruppen, um daraus deren jeweilige Evolutionsraten und einen neuen Stammbaum der Tiere zu ermitteln. Vor allem aber interessierte die Forscher das Verhältnis von unterschiedlichen Bauplänen zu den verschiedenen Lebensentwürfen der Echsen: Es gibt an, wie flexibel und schnell sie sich an ihre Ökosysteme anpassten.

Urzeitechsenvielfalt | Die Punktwolken zeigen die Vielfalt der Körperformen, Lebensstile und Ernährungsvorlieben von Dinosauriern, Crocodylotarsi und Pterosauriern während der Trias an – ein Sieg auf der ganzen Linie für die Vorfahren der Krokodile. Doch er nützte ihnen nicht: Sie starben aus und die Dinos regierten die Erde.
Das Ergebnis überraschte die Wissenschaftler: Dinosaurier und Crocodylotarsi entwickelten sich über 30 Millionen Jahre hinweg gleich schnell – im evolutionären Wettlauf hatte keiner der beiden die Schnauze vorn. Wären T-Rex und Konsorten tatsächlich mit den besseren Genen ausgestattet gewesen, hätten sie sich zumindest theoretisch schneller verändern sollen. Das war aber nicht der Fall. Mehr noch: Laut der Fossilien deckten die Kroko-Vorfahren ein breiteres Spektrum an Körpergrößen und -form, Lebensweisen und Nahrungspräferenzen ab – sie besetzten also mehr Nischen und wiesen eine größere Artenvielfalt wie Individuenzahl auf.

Beste Voraussetzungen also, um selbst die dominante Tiergruppe während der Trias zu werden: "Hätte man vor 210 Millionen Jahren darauf wetten können, wer einmal die Welt beherrschen wird, so hätte jeder vernünftige Zocker auf die Crocodylotarsi gesetzt. Es gab keine Anzeichen für einen Erfolg der Dinos", umschreibt es Brusatte spielerisch.

Doch die Crocodylotarsi hatten schlicht Pech: Zusammen mit den Dinos überlebten sie zwar eine erste Aussterbewelle an der Grenze der beiden triassischen Untereinheiten Karnium und Norium vor 228 Millionen Jahren, die viele weitere Konkurrenten auslöschte.
"Wir vermuten, dass es nichts als reines Glück war – so schlicht und einfach"
(Stephen Brusatte)
Einem weiteren ökologischen Desaster am Ende der Trias vor 200 Millionen Jahren konnten sie allerdings nichts mehr entgegensetzen: Womöglich unterstützt durch einen Meteoriteneinschlag löschte ein rascher und dramatischer Klimawandel einen großen Teil der Crocodylotarsi aus, nur wenige Linien überlebten – aus einer davon gingen die Krokodile hervor.

Die Dinosaurier wurden dagegen eigenartigerweise verschont; sie spalteten sich in zahlreiche neue Arten auf und beherrschten die Erde länger als bislang jede andere Tiergruppe nach ihnen. Nur warum genau sie überlebten, lässt Brusatte noch rätseln: "Wir vermuten, dass es nichts als reines Glück war – so schlicht und einfach."
  • Quellen
Brusatte, S. et al.: Superiority, Competition, and Opportunism in the Evolutionary Radiation of Dinosaurs. In: Science 321, S. 1485–1488, 2008.

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