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Großbritannien: Eingeschleppte Schlange sucht Menschennähe

Am häufigsten sieht man die scheuen Äskulapnattern vor allem als Symbol von Apothekern und Medizinern. In Großbritannien sucht sie allerdings gezielt menschliche Nähe.
Eine gelblichbraune Äskulapnatter liegt auf der Rinde eines Baumstammes und hebt dabei ihren Kopf mit em schwarzen Auge und Vorderkörper an. Im Hintergrund ist unscharf ein lichter Wald zu erkennen.
Äskulapnattern bevorzugen warme Lebensräume - in Deutschland kommen sie daher nur an wenigen Stellen vor.

Seit der letzten Eiszeit lebten eigentlich nur drei Schlangenarten in Großbritannien: Kreuzotter, Ringel- und Schlingnatter. An drei Orten hat sich inzwischen aber noch eine vierte Spezies etabliert, denn die eigentlich wärmeliebende Äskulapnatter (Zamenis longissimus) pflanzt sich inzwischen rund um den Welsh Mountain Zoo in Colwyn Bay im nördlichen Wales, in Südwales bei Bridgend sowie rund um den Londoner Zoo im Regent's Park fort – obwohl es der Art auf den Britischen Inseln eigentlich zu kühl sein sollte. Ein Team um Tom Major von der Bournemouth University hat Hinweise darauf gefunden, wie es den Schlangen dennoch gelingt, hier zu überleben: Sie suchen die Nähe der Menschen.

Die Arbeitsgruppe hatte 21 Nattern in Colwyn Bay in den Jahren 2021 und 2022 Peilsender implantiert, um die bevorzugten Aufenthaltsorte der Reptilien zu ermitteln. Die Auswertung der Daten zeigte, dass sich fast alle der besenderten Männchen in direkter Umgebung von Menschen aufhielten: in Gärten und sogar Gebäuden. Weibchen bewegten sich auch in bewaldetes Gebiet, kamen aber ebenfalls regelmäßig in menschliches Umfeld: Ihre Eier legten sie sogar ausschließlich in Komposthaufen ab, wo die Zersetzungswärme des organischen Materials sie ausbrütete.

Äskulapnattern können sehr gut klettern und schaffen es sogar, sich an Hauswänden hochzuwinden, um sich dort in Hohlräume oder Dachböden zurückzuziehen. Dieses Verhalten konnten die Wissenschaftler sogar direkt beobachten. Gefährlich ist das für die menschlichen Bewohner nicht: Äskulapnattern sind ungiftig, sie erwürgen ihre Beute ähnlich wie Riesenschlangen. Da sie bevorzugt Ratten und Mäuse fressen, helfen sie, diese unerwünschten Gäste im Siedlungsraum zu dezimieren.

Fossilienfunde belegen, dass Äskulapnattern vor mehreren hunderttausend Jahren auch auf den Britischen Inseln vorkamen, später jedoch während einer der Eiszeiten ausstarben und anschließend nicht wieder kolonisierten. Erst durch menschliches Zutun gelang ihnen wieder die Ansiedlung: Die Tiere gehen auf absichtlich freigesetzte oder aus haltung entkommene Tiere zurück. Die steigenden Durchschnittstemperaturen in Großbritannien helfen der Art beim Überleben, aber reichen bislang noch nicht aus, um ihre dauerhafte Ausbreitung jenseits von städtischen Wärmeinseln zu ermöglichen. In Deutschland finden sich diese Schlangen ebenfalls nur an wenigen Reliktstandorten, die wärmebegünstigt sind, etwa an der Donau bei Passau, am Südrand des Odenwalds oder im Rheingau.

  • Quellen
bioRxiv 10.1101/2024.09.01.610713, 2024

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