Direkt zum Inhalt

News: Hirntumor durch Viren?

Ein klinisch unauffälliges Virus gerät in den Verdacht, bei einem hauptsächlich Kinder betreffenden Gehirntumor womöglich eine wichtige Rolle zu spielen: In immerhin zwei Dritteln der untersuchten Gewebeproben fanden sich Spuren seines Erbguts. Nun stellt sich die Frage, ob der bislang als ungefährlich geltende Erreger unter bestimmten Umständen an der Krebsentstehung Anteil hat.
Der erste Kontakt mit dem so genannten JC-Virus aus der Familie der Polyomaviren trifft die meisten Menschen bereits während ihrer frühen Kindheit und geht spurlos an ihnen vorüber. Zumindest bei der Primärinfektion löst es keine Krankheiten aus. Ganz verschwindet es jedoch nicht, sondern ruht still und unauffällig in Nieren und Knochenmark. Erst wenn der Immunschutz nicht mehr seine gesammelte Kraft aufbringen kann – etwa nach Transplantationen oder bei der Immunschwächekrankheit AIDS – entwickeln die Patienten eine so genannte progressive multifokale Leukenzephalopathie, bei der unter anderem die Nervenzellen des Gehirngewebes und der Wirbelsäule geschädigt werden. Die Folgen sind Wesensänderungen sowie Störungen der Bewegungen und des Sehvermögens, und die Infizierten sterben durchschnittlich drei bis sechs Monate nach Krankheitsbeginn.

Nun haben Wissenschaftler der Temple University einen ersten Hinweis darauf erhalten, dass das schlummernde Virus möglicherweise auch bei einem speziellen Gehirntumor beteiligt sein könnte. Sie untersuchten Gewebeproben des Medullablastoms – ein Gehirntumor, der gewöhnlich nur bei Kindern und Jugendlichen vorkommt und vom Gehirn aus auch in die Wirbelsäule und andere Organe einwandern kann. In 16 Gewebeproben stöberten die Forscher nach dem viralen Gen für das so genannte Agnoprotein, dessen Funktion bis jetzt noch ungeklärt ist. Fündig wurde das Team um Luis Del Valle und Kamel Khalili bei immerhin 69 Prozent der untersuchten Gewebe. Und noch ein zweites virales Gen, dessen Produkt T-Antigen im Verdacht steht, krebsauslösend zu sein, fand sich in fast identischer Menge: 65 Prozent der Medullablastomaproben enthielten die gesuchte Sequenz.

Die Suche nach den Produkten, den jeweiligen Proteinen, ergab ein geringfügig anderes Bild. Hier zeigten einige Proben nur Hinweise auf das Agnoprotein, vom T-Antigen keine Spur. Die Forscher folgern daraus, dass dem Agnoprotein eine potentielle Rolle bei der Entstehung von Gehirntumoren zukommt; während das verdächtige T-Antigen anscheinend überflüssig ist.

Doch bei der Interpretation ihrer Ergebnisse geben sich die Forscher zurückhaltend. "Wir sagen nicht, dass jeder Gehirntumor durch JC-Viren ausgelöst wird", gibt etwa Khalili zu bedenken. "Was wir sagen ist, dass das Virus in einer großen Anzahl der menschlichen Hirntumoren, die wir untersuchten, entdeckt werden kann." Auch wenn sich die Forscher über die möglicherweise krebsauslösende Wirkung der Polyomaviren nicht sicher sind, könnte die Assoziation zwischen den Viren und Gehirntumoren aus therapeutischer Sicht von Bedeutung sein. "Wir können damit starten, Strategien und Impfstoffe gegen das JC-Virus zu entwickeln, die hoffentlich zur Vorbeugung von Hirntumoren beitragen werden", sagt Khalili.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.