Domestikation: Hunde sind Europäer
Archäologen und Haustierexperten sind uneins über die Herkunft unseres Haus- und Hofhundes: Zähmten Menschen die wolfähnlichen Vorfahren einst im Nahen und Mittleren Osten oder zuerst in Asien oder Europa? Und wann geschah dies? Ein Team von Genanalyse-Experten glaubt nun eine recht verlässliche Antwort zu haben: Die heute lebenden Hunde sind enger mit den Ahnen aus der europäischen Steinzeit verwandt als mit den heutigen Wölfen. Der Ursprung der Haushunde muss daher auf dem Alten Kontinent liegen, meinen Robert Wayne von der University of California in Los Angeles und Kollegen.
Die Frage nach dem Hunde-Ursprung ist kniffelig. Denn anders als die Vorfahren von Schaf, Ziege und anderen Haustieren lebten die wölfischen Vorläufer der Hunde früher nicht in einem regional begrenzten Gebiet, sondern fast überall auf der Welt.
Erste genetische Indizien hatten zunächst darauf hingedeutet, dass Hunde vor Jahrtausenden zuerst im Fernen Osten domestiziert wurden. So ist etwa die genetische Variabilität der heute lebenden Tiere in Südostasien am größten – ganz so wie die des Menschen in Afrika, was bekanntermaßen die "Out-of-Africa"-Herkunft unserer Vorfahren belegt. Verschiedene Mechanismen können aber beim Zuchttier Hund die Entwicklungslinien überprägen – Inzucht etwa oder eine unterschiedliche Vermischung von Rassen in unterschiedlich gut an die globalen Handlungswege angeschlossenen Regionen. Die Hypothese der chinesischen Hundeherkunft war daher umstritten. Zudem ist das derzeit älteste bekannte Hundefossil in China längst nicht so alt wie Funde in Europa. Und schließlich hatte sich vor ein paar Jahren bei weiteren Sequenzanalysen herausgestellt, dass die Hunde-DNA am ehesten der DNA von heute im Mittleren Osten lebenden Wölfen ähnelt. Demnach müsste der erste Haushund eher an der Levante oder im Zweistromland gezüchtet worden sein.
Waynes Team, zu dem auch die Paläogenetiker des Leipziger Max-Planck-Instituts um Svante Pääbo zählen, hat nun die mtDNA von 18 prähistorischen Wolfs- und Hundefossilien aus Eurasien und Amerika isoliert und die Sequenzen mit den Genen der verschiedenen heute lebenden Hunde verglichen. Anhand der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Sequenzen erstellten die Forscher dann einen genaueren Stammbaum der rezenten Hunderassen und ihrer Vorfahren. Alle heute lebenden Hunde gehören zu einer von nur vier genetisch sehr ähnlichen Gruppen, wie die Sequenzdaten enthüllen – und die nächsten prähistorischen Wolfsverwandten aller vier Gruppen waren sämtlich aus Europa. Dazu kommt, dass alle heutigen Hunde – vom Kongo-Terrier über den australischen Dingo bis zum Chihuahua – mit den ausgestorbenen Grauwölfen Europas näher verwandt sind als mit heutigen Wölfen.
Andere Forscher kritisieren an der Studie allerdings, dass ein Genvergleich mit prähistorischer DNA aus Ostasien oder dem Mittleren Osten fehlt. Womöglich würde sich zeigen, dass die Hunde mit asiatischen Urahnen sogar noch näher verwandt sind?
Immerhin aber konnten Wayne und Kollegen aus dem Vergleich der verfügbaren Sequenzen – abhängig von der Kalibrierung der Laufgeschwindigkeit der molekularen Uhr – grob abschätzen, dass die ersten Hunde deutlich früher domestiziert worden sind als bisher angenommen: vor rund 32 000 bis 18 000 Jahren. Demnach hatten Menschen vor 15 000 Jahren sicherlich schon Haushunde als Begleiter – und damit lange vor der Einführung der Landwirtschaft. Vielleicht, so spekulieren Wayne und Co, lockten menschliche Jagdgesellschaften und die Überreste ihrer Megafauna-Beutetiere schon in der zu Ende gehenden letzten Kaltzeit Wölfe an. Im Lauf der Zeit scheinen Wolf und Jäger sich dann immer besser kennen gelernt und immer mehr geschätzt zu haben.
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