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News: Ich sehe was, was du nicht siehst

Wie eines unserer beiden Auge sieht, hängt auch davon ab, wie das andere bisher zu sehen gewohnt war. Primatenforscher haben heraufgefunden, daß die Seherfahrungen eines Auges das Wachstum und damit auch die Sehkraft des anderen beeinflussen. So verstärken sich die Anzeichen dafür, daß es ein zwischen beiden Augen wirkendes Steuerungssystem gibt, das nicht nur von genetischen Faktoren bestimmt wird sondern sich in Abhängigkeit von der Umwelt herausbildet. Das könnte bedeuten, daß man mit der Korektur von Sehfehlern schon im frühkindlichen Stadium beginnen sollte.
Die Studien wurden am Yerkes Primate Research Center an Affen durchgeführt (Investigative Ophtalmology & Visual Science, Januar 1999). Genau wie wir konstruieren sich Affen ihr Abbild der Welt aus den Informationen, die beide Augen liefern. Ein Auge fokussiert nie unabhängig vom anderen, wie das zum Beispiel bei Hühnern der Fall ist. Genau wie wir kommen Affenbabies mit nicht voll ausgebildeten Augen zur Welt. Die Augäpfel sind noch zu kurz, um schon scharfes Sehen zu ermöglichen. Sie wachsen aber recht schnell und nach vier Jahren haben sie bei Menschenkinder etwa 95 Prozent ihrer endgültigen Größe erreicht. Bei den in der Studie verwendeten Affen dauert das nur ein Jahr. Zu kurze Augäpfel bedeuten Weitsichtigkeit , daß heißt, der Brennpunkt liegt hinter der Netzhaut. Kurzsichtige Augen sind dementsprechend zu lang.

Die Augenforscherin Dolores Bradley und der Augenarzt Alcides Fernandes untersuchten zunächst 237 Affen, die von der Geburt bis zum Alter von eineinhalb Jahren normal aufwuchsen. Sie stellten fest, daß deren Augen umso schneller wuchsen, je weitsichtiger – also kurzäugiger – sie anfangs waren. Im Alter von achtzehn Monaten hatten sich die Wachstumsgeschwindigkeiten einander angepaßt. "Das läßt vermuten, daß es in der Tat Umwelteinflüsse gibt, die mit der Genetik Hand in Hand arbeiten", so Bradley.

Für eine andere Studie wuchs eine zweite Gruppe von Affen von der Geburt bis zur Geschlechtsreife mit speziell konstruierten Linsen vor jeweils einem Auge auf. Die anschließenden Untersuchungen ergaben, daß auch das "unbehandelte" Auge Anomalien in seinem Längenwachstum aufwies, die mit der Stärke der Linse korrelierten. Vorher glaubte man, jedes Auge habe seinen eigenen Regulierungsmechanismus. "Jetzt wissen wir, daß sie beide zusammenarbeiten," sagte Fernandez, "so daß jede Korrektur der Sehschärfe eines Auges die Entwicklung beider Augen beinflussen kann."

Die Forscher hoffen jetzt, daß ein Weg gefunden wird, das Längenwachstum der Augen im frühkindlichen Entwicklungsstadium zu steuern, sagen aber auch, daß eine Anwendbarkeit ihrer Ergebnisse noch in der Zukunft liegt.

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