Planeten: Jahr und Tag auf Merkur
Wenn der Merkur einmal um die Sonne gewandert ist, sind auf dem sonnennächsten Planeten inzwischen nur anderthalb Tage vergangen. Eigentlich dürfte so ein seltsames Verhältnis von Jahres- und Tagesdauer nicht von Dauer sein. Es sei denn, das richtige Quäntchen Chaos mischt bei den Drehungen mit.
Der Erdenmond scheint uns nicht zu trauen. Monat für Monat, Jahr für Jahr wendet er der Erde sein Gesicht zu, um uns ja nie aus den Augen zu verlieren. Und so können wir dem Mann im Mond niemals auf den Hinterkopf schauen, weil der Mond für eine Drehung um seine eigene Achse genau so lange braucht wie für eine Erdumrundung. Schuld daran sind die Gesetze der Himmelsmechanik und die persönlichen Eigenschaften des Trabanten, darunter eine kleine, aber dauerhafte Verformung, die in das Spiel mit der Schwerkraft eingreift. Wissenschaftler sprechen von einer 1/1-Resonanz von Drehung und Umlaufbahn. Und in Modellrechnungen sowie Beobachtungen anderer Monde im Sonnensystem stellen sie fest, dass dies der beliebteste Zustand größerer Satelliten ist.
Ursprünglich glaubte man sogar, die 1/1-Resonanz sei der einzige stabile Zustand, doch im Jahre 1965 ergaben Radarmessungen mit dem Arecibo-Observatorium in Puerto Rico eine Überraschung: Merkur, der sonnennächste Planet, hielt sich einfach nicht an die Regel. Mit 88 Erdentagen für ein Merkurjahr und 59 Erdentagen pro Merkurtag lag das Verhältnis bei 3 zu 2. Gar nicht schlimm, stellten Himmelsmechaniker schnell fest. Berücksichtigt man die Exzentrizität der Planetenbahn und die leicht längliche Form des Merkurs, folgt daraus ein ganz zwangloses Bild von der doppelten Rotation. Dafür stellt man sich am besten den Merkur als Mittelpunkt der Welt vor und macht in regelmäßigen Zeitabständen Schnappschüsse vom Stand der Sonne. Deren Bahn erinnert dann entfernt an einen Schmetterling: zwei Halbbögen, welche die beiden Merkurjahre eines Zyklus darstellen und sich "oben" sowie "unten" dem Planeten annähern, wenn der Abstand am geringsten ist. Die Längsachse des gestreckten Merkurs folgt in diesem Bezugsrahmen so weit es geht der massereichen Sonne. Wie ein Pendel vollführt sie eine gedämpfte Schwingung. Ein vorzüglich verstandenes Objekt der Physik in einem berechenbaren Zustand also.
Nun wäre alles in schönster Ordnung, wenn die Formeln nicht ein Problem offenbaren würden. Die 3/2-Resonanz des Merkurs ist zwar erlaubt, aber die Wahrscheinlichkeit, dass der Planet überhaupt in diesen Zustand gerät, ist so gering, dass seine Drehungen eigentlich nicht so sein dürften, wie sie nun mal sind. Allenfalls mit unrealistischen Annahmen über Reibungen zwischen Kern und Mantel des Merkurs oder seltsamen Gezeitenkräfte wäre noch etwas zu retten.
Damit wollten sich Alexandre Correia von der portugiesischen Universität Aveiro und Jacques Laskar vom Observatorium Paris nicht zufrieden geben. Sie setzten für die Lösung des Dilemmas auf die dynamische Entwicklung der Merkurbahn im Laufe der Jahrmilliarden. Mit statistischen Simulationen fanden sie heraus, dass Merkur in der Vergangenheit chaotische Elemente in den Parametern seiner Wanderung hatte. So war seine Umlaufbahn zwischenzeitlich extrem lang gestreckt, was Auswirkungen auf die Tageslänge und die Gezeitenkräfte hatte. Unter diesen Umständen war die 3/2-Resonanz nicht nur wahrscheinlicher, sie war sogar der wahrscheinlichste Zustand, in dem sich das System selbst einfangen konnte.
Natürlich hat die Arbeit der beiden Astronomen nicht alle Detailfragen auf Anhieb gelöst. Aber sie hat dazu geführt, dass die Wissenschaft sich einmal mehr aus ihrem eigenen festgefahrenen Denkzustand befreit hat, in dem die Welt stets und immer so aussieht, wie wir sie mit unseren eigenen Augen erblicken. Dabei ist es doch gut möglich, dass sie in manchen Winkeln und zu manchen Zeiten ganz anders ist und war. Forscher müssen eben mitunter chaotisch denken, um die Ordnung zu verstehen.
Ursprünglich glaubte man sogar, die 1/1-Resonanz sei der einzige stabile Zustand, doch im Jahre 1965 ergaben Radarmessungen mit dem Arecibo-Observatorium in Puerto Rico eine Überraschung: Merkur, der sonnennächste Planet, hielt sich einfach nicht an die Regel. Mit 88 Erdentagen für ein Merkurjahr und 59 Erdentagen pro Merkurtag lag das Verhältnis bei 3 zu 2. Gar nicht schlimm, stellten Himmelsmechaniker schnell fest. Berücksichtigt man die Exzentrizität der Planetenbahn und die leicht längliche Form des Merkurs, folgt daraus ein ganz zwangloses Bild von der doppelten Rotation. Dafür stellt man sich am besten den Merkur als Mittelpunkt der Welt vor und macht in regelmäßigen Zeitabständen Schnappschüsse vom Stand der Sonne. Deren Bahn erinnert dann entfernt an einen Schmetterling: zwei Halbbögen, welche die beiden Merkurjahre eines Zyklus darstellen und sich "oben" sowie "unten" dem Planeten annähern, wenn der Abstand am geringsten ist. Die Längsachse des gestreckten Merkurs folgt in diesem Bezugsrahmen so weit es geht der massereichen Sonne. Wie ein Pendel vollführt sie eine gedämpfte Schwingung. Ein vorzüglich verstandenes Objekt der Physik in einem berechenbaren Zustand also.
Nun wäre alles in schönster Ordnung, wenn die Formeln nicht ein Problem offenbaren würden. Die 3/2-Resonanz des Merkurs ist zwar erlaubt, aber die Wahrscheinlichkeit, dass der Planet überhaupt in diesen Zustand gerät, ist so gering, dass seine Drehungen eigentlich nicht so sein dürften, wie sie nun mal sind. Allenfalls mit unrealistischen Annahmen über Reibungen zwischen Kern und Mantel des Merkurs oder seltsamen Gezeitenkräfte wäre noch etwas zu retten.
Damit wollten sich Alexandre Correia von der portugiesischen Universität Aveiro und Jacques Laskar vom Observatorium Paris nicht zufrieden geben. Sie setzten für die Lösung des Dilemmas auf die dynamische Entwicklung der Merkurbahn im Laufe der Jahrmilliarden. Mit statistischen Simulationen fanden sie heraus, dass Merkur in der Vergangenheit chaotische Elemente in den Parametern seiner Wanderung hatte. So war seine Umlaufbahn zwischenzeitlich extrem lang gestreckt, was Auswirkungen auf die Tageslänge und die Gezeitenkräfte hatte. Unter diesen Umständen war die 3/2-Resonanz nicht nur wahrscheinlicher, sie war sogar der wahrscheinlichste Zustand, in dem sich das System selbst einfangen konnte.
Natürlich hat die Arbeit der beiden Astronomen nicht alle Detailfragen auf Anhieb gelöst. Aber sie hat dazu geführt, dass die Wissenschaft sich einmal mehr aus ihrem eigenen festgefahrenen Denkzustand befreit hat, in dem die Welt stets und immer so aussieht, wie wir sie mit unseren eigenen Augen erblicken. Dabei ist es doch gut möglich, dass sie in manchen Winkeln und zu manchen Zeiten ganz anders ist und war. Forscher müssen eben mitunter chaotisch denken, um die Ordnung zu verstehen.
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