Paläoanthropologie: Jungspund
Drei Millionen Jahre! Nein, sogar vier! Stimmt nicht: Es sind nur zwei! Was wie ein akademischer Streit unter Anthropologen klingt, hat weit reichende Folgen für die Urgeschichte des Menschen: Wenn die Neudatierung des Australopithecus-Fossils "Little Foot" stimmt, scheidet er als unmittelbarer Vorfahre aus.
Es begann mit einer kleinen Pappschachtel mit der Aufschrift "D 20". Ihr Inhalt: irgendwelche urzeitlichen Knöchelchen, zusammengeklaubt aus einer Abraumhalde des Kalkbergbaus in der südafrikanischen Sterkfontein-Höhle, fünfzig Kilometer nordwestlich von Johannesburg. Doch als der Paläoanthropologe Ron Clarke am 6. September 1994 das Schächtelchen durchwühlte, wurde er skeptisch: Vor ihm lagen nicht, wie angenommen, die Überreste eines Raubtiers, sondern eines Hominiden.
Clarke erkannte in den Fossilien den linken Fuß eines Australopithecinen – und damit begann die Sache spannend zu werden. Denn der kleine Fuß – Spitzname "Little Foot" – teilte sowohl menschliche als auch tierische Eigenschaften: Der abstehende große Zeh deutete darauf hin, dass sich das Wesen einst wie ein Affe auf Bäume schwingen konnte; die Ferse ließ wiederum einen menschenähnlichen aufrechten Gang vermuten. Handelte es sich gar um einen unmittelbaren Vorfahren der Menschheit?
Denn der Hominide erwies sich als hartnäckiger Bursche. So bleibt bis heute immer noch unklar, um wen es sich eigentlich handelt. Vermutet wird, dass hier ein Vertreter von Australopithecus africanus seine letzte Ruhe gefunden hat – jener Spezies, die der südafrikanische Anatom Raymond Dart 1925 zum ersten Mal als nicht zur Gattung Homo gehörenden Vormenschen beschrieben hat und die schätzungsweise vor drei bis vor zwei Millionen Jahren auf Erden wandelte.
Doch zur sicheren Artbestimmung gehört eine genaue Datierung – und die erwies sich bei "Little Foot" als diffizil. Denn das Skelett lag eingebettet im zu einer Brekzie verbackenen Höhlengestein, sodass eine Zuordnung zu eindeutigen Schichten nicht möglich war. Clarke schätzte das Alter auf drei bis dreieinhalb Millionen Jahre – dem widersprach jedoch Timothy Partridge, der ebenfalls an der Witwatersrand-Universität forscht.
Zusammen mit seinen Kollegen hatte Partridge im Jahr 2003 eine Radiodatierung über die Elemente Aluminium und Beryllium des umliegenden Quarzgesteins vorgenommen und kam zu einem überraschenden Ergebnis:
Einen neuen Ansatz wagten jetzt die Geowissenschaftler Joanne Walker und Robert Cliff von der Universität Leeds zusammen mit dem Archäologen Alfred Latham von der Universität Liverpool. Auch die britischen Forscher setzten auf radiologische Altersbestimmung, wählten jedoch statt Aluminium und Beryllium die Elemente Uran und Blei, die sie aus den Tropfsteinen der Grotte isolierten. Das Prinzip ist ähnlich: Das Isotop Uran-238 zerfällt mit einer Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren zu Blei-206; aus dem Verhältnis der beiden Isotopen lässt sich demnach das Alter einer Probe abschätzen.
"Sie haben's!", zeigt sich Paul Renne vom Geochronologie-Zentrum Berkeley begeistert. "Das ist die bisher zuverlässigste Altersbestimmung für Little Foot."
Timothy Partridge sieht das natürlich ein wenig anders. Denn wenn die Datierung stimme, sei Little Foot sogar ein wenig jünger als das berühmte Fossil "Mrs. Ples" – ein 2,5 Millionen Jahre alter, wohl gemerkt männlicher A. africanus, der 1947 von dem schottischen Arzt und Hobbypaläontologen Robert Broom ebenfalls in der Sterkfontein-Höhle entdeckt wurde. Tierknochen, die zusammen mit Mrs. Ples das Tageslicht erblickten, erscheinen jedoch jünger als die Beifunde von Little Foot.
Partridge bleibt daher skeptisch: "Hier wartet noch jede Menge Arbeit auf uns."
Clarke erkannte in den Fossilien den linken Fuß eines Australopithecinen – und damit begann die Sache spannend zu werden. Denn der kleine Fuß – Spitzname "Little Foot" – teilte sowohl menschliche als auch tierische Eigenschaften: Der abstehende große Zeh deutete darauf hin, dass sich das Wesen einst wie ein Affe auf Bäume schwingen konnte; die Ferse ließ wiederum einen menschenähnlichen aufrechten Gang vermuten. Handelte es sich gar um einen unmittelbaren Vorfahren der Menschheit?
Da in den Beständen der Johannesburger Witwatersrand-Universität immer mehr Knochen vom Fundort D 20 aus der Silberberg-Grotte der Sterkfontein-Höhle auftauchten, die alle zu dem gleichen Individuum passten, wagte Clarke die Prophezeiung, dass hier noch mehr zu holen sei. Am 3. Juli 1997 stießen Clarkes Assistenten in der Höhle tatsächlich auf ein zum Fuß passendes Schienbein. Nach und nach kam 25 Meter unter dem Höhlenboden ein fast vollständiges, 130 Zentimeter großes Hominiden-Skelett zum Vorschein, das unter der Katalognummer StW 573 zum anthropologischen Streitobjekt avancieren sollte.
Denn der Hominide erwies sich als hartnäckiger Bursche. So bleibt bis heute immer noch unklar, um wen es sich eigentlich handelt. Vermutet wird, dass hier ein Vertreter von Australopithecus africanus seine letzte Ruhe gefunden hat – jener Spezies, die der südafrikanische Anatom Raymond Dart 1925 zum ersten Mal als nicht zur Gattung Homo gehörenden Vormenschen beschrieben hat und die schätzungsweise vor drei bis vor zwei Millionen Jahren auf Erden wandelte.
Doch zur sicheren Artbestimmung gehört eine genaue Datierung – und die erwies sich bei "Little Foot" als diffizil. Denn das Skelett lag eingebettet im zu einer Brekzie verbackenen Höhlengestein, sodass eine Zuordnung zu eindeutigen Schichten nicht möglich war. Clarke schätzte das Alter auf drei bis dreieinhalb Millionen Jahre – dem widersprach jedoch Timothy Partridge, der ebenfalls an der Witwatersrand-Universität forscht.
Zusammen mit seinen Kollegen hatte Partridge im Jahr 2003 eine Radiodatierung über die Elemente Aluminium und Beryllium des umliegenden Quarzgesteins vorgenommen und kam zu einem überraschenden Ergebnis:
"Hier wartet noch jede Menge Arbeit auf uns"
(Timothy Partridge)
Nicht vor drei, sondern vor mehr als vier Millionen Jahren soll "Little Foot" seinen letzten Schritt gemacht haben. Damit gehörte er entweder nicht zu A. africanus, oder die Art ist viel älter als bisher vermutet. (Timothy Partridge)
Einen neuen Ansatz wagten jetzt die Geowissenschaftler Joanne Walker und Robert Cliff von der Universität Leeds zusammen mit dem Archäologen Alfred Latham von der Universität Liverpool. Auch die britischen Forscher setzten auf radiologische Altersbestimmung, wählten jedoch statt Aluminium und Beryllium die Elemente Uran und Blei, die sie aus den Tropfsteinen der Grotte isolierten. Das Prinzip ist ähnlich: Das Isotop Uran-238 zerfällt mit einer Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren zu Blei-206; aus dem Verhältnis der beiden Isotopen lässt sich demnach das Alter einer Probe abschätzen.
Das Ergebnis: 2,2 Millionen Jahre. StW 573 wäre damit nicht älter, sondern sogar deutlich jünger als bislang vermutet. Als unmittelbarer menschlicher Vorfahre müsste dieses Halb-Affe-halb-Mensch-Wesen demnach ausfallen, da zu der Zeit die Gattung Homo bereits die afrikanischen Lande durchstreifte.
"Sie haben's!", zeigt sich Paul Renne vom Geochronologie-Zentrum Berkeley begeistert. "Das ist die bisher zuverlässigste Altersbestimmung für Little Foot."
Timothy Partridge sieht das natürlich ein wenig anders. Denn wenn die Datierung stimme, sei Little Foot sogar ein wenig jünger als das berühmte Fossil "Mrs. Ples" – ein 2,5 Millionen Jahre alter, wohl gemerkt männlicher A. africanus, der 1947 von dem schottischen Arzt und Hobbypaläontologen Robert Broom ebenfalls in der Sterkfontein-Höhle entdeckt wurde. Tierknochen, die zusammen mit Mrs. Ples das Tageslicht erblickten, erscheinen jedoch jünger als die Beifunde von Little Foot.
Partridge bleibt daher skeptisch: "Hier wartet noch jede Menge Arbeit auf uns."
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